
Mit dem Dezemberbeginn geht der Ukrainekrieg in den zehnten Monat hinein. Unverändert kommt es entlang der Front im Donbass zu schweren Gefechten. Der Schwerpunkt dabei liegt in der und um der Stadt Bachmut, wo Russland erstmals seit dem Spätsommer lokale Erfolge in dem Konflikt verzeichnen kann, namentlich die Eroberung von zwei Dörfern und die damit verbundene Eröffnung einer neuen Flanke auf Bachmut. Die Stadt wird seit fünf Monaten von der Ukraine erfolgreich verteidigt, es ist nach Mariupol und Sievierodonetsk das wohl blutigste Gefecht des Krieges. Damit könnte nun eine neue kritische Phase für den Donbass ergeben.
In weiten Teilen der Front sind die Waffen weitgehend verstummt, vielmals aufgrund der verschlechterten Witterungsbedingungen und der zumindest im Süden entstandenen natürlichen Barriere des Flusses Dnepr. Dies gilt hingegen weniger für die Ostfront, wo es unvermindert zu Kämpfen kommt. Russische Einheiten mit der Unterstützung der Privatarmee Wagner gelang ein lokaler Durchbruch, nachdem sich ukrainische Einheiten aus den Dörfern Ozarianivka, Zelenopilia und teilweise Kurdumivka auf eine sekundäre Verteidigungslinie zurückgezogen haben. Damit ist die südliche Verbindungsstraße nach Bachmut gekappt, der damit verbundene Stadteingang ist nur noch vom Dorf Opytne versperrt.
Auch im Nordosten soll es Kämpfe geben, nachdem die Ukraine vor einem Monat Wagner-Söldner aus dem Industrieviertel vertrieben hat. Beide Seiten erleiden schwere Verluste, auch wenn Russland aufgrund ihrer Angreiferrolle und dem rigorosen Einsatz von Reservisten wesentlich verlustreicher hinausgeht. Journalisten in Bachmut sprachen auf ukrainischer Seite von bis zu 200 Verletzten verschiedener Verfassung innerhalb von zwei Tagen. Die Kämpfe von dieser Intensität ziehen sich inzwischen in den zweiten Monat, die Dimension der Verluste auf beiden Seiten ist damit also nur schwer vorstellbar. Die zweite Verteidigungsposition im Süden von Bachmut hält bisher erfolgreich und wie in der Vergangenheit nicht unüblich könnte Kiew versuchen, die verlorengegangenen Dörfer zurückzuerobern.
Neben Bachmut sind die Orte Pawlowka und Vuhledar ebenfalls Schauplatz schwerer Gefechte, wenn auch von niedrigerer Intensität. Entgegen ursprünglicher Berichte kontrolliert Russland trotz dem erheblichen Einsatz von Ressouren das Dorf Pawlowka im Südwesten der Millionenstadt Donezk nach wochenlangen Gefechten nicht. Die 155. Marineinfanteriebrigade soll laut Angaben eigener Soldaten über 300 Verletzte und Tote beklagen, nur noch 50% der Einheit soll existent sein. Stattdessen konnten ukrainische Streitkräfte vor Ort eine erfolgreiche Gegenoffensive durchführen, wodurch etwa die Hälfte und insbesondere der Norden und Westen der Siedlung wieder oder weiterhin unter ukrainischer Kontrolle ist. Nur wenige Kilometer weiter nördlich liegt die Kleinstadt Vuhledar, welche als nächstes in das Visier Russland geraten könnte, da in der Umgebung tausende Soldaten zusammengezogen werden.

Die beiden genannten Orte sind dahingehend bedeutend, da sie in Artilleriereichweite zu einem Schienensystem liegen, welches den Donbass mit der Südukraine verbindet. Durch die ukrainische Erfolge im Oblast Kherson und den letztlichen Angriff auf die Krimbrücke besitzt das russische Militär keine Bahnverbindung mehr zur Südukraine, obwohl das Schienennetz das Rückgrat der militärischen Logistik darstellt. Die Sicherung von Vuhledar und Pawlowka könnte diese Problematik beheben, insofern Offensiven darauf auch erfolgreich wären. Hier wird es in den kommenden Monaten wohl zu weiteren Vorstoßversuchen seitens Russland kommen.
Von ukrainischer Seite hingegen scheint es bisher zumindest keine öffentlichen Verlautbarungen oder Truppentransporte zu geben, die auf eine mögliche eigene Offensive in der Ost- und/oder Südukraine hindeuten. Die Verlegung ukrainischer Verbände von Kherson an die aktiven Frontlinien ist aktuell in vollem Gange, Geländegewinne werden aktuell nur im Nordosten an der Grenze zwischen dem Oblast Luhansk und Charkiw errungen, wenn auch nur begrenzt. Dort versuchen ukrainische Einheiten, die Straße zwischen Kreminna und Swatowe zu durchtrennen. Bisher aber leisten russische Milizen und Soldaten erbitterten Widerstand vor Ort, weshalb es kaum zu Geländeveränderungen gekommen ist. Aktuell soll die ukrainische Armee kurz vor dem Dorf Chervonopopivka stehen, welches an der bereits erwähnten Straße liegt. Auch sollen sie nur zwei Kilometer von Kreminna Positionen bezogen haben.
Aufgrund der gegebenen Umstände könnte Kiew hier am besten wohl die Offensive wiederaufnehmen, nachdem die verbliebenen russischen Kräfte hier nur wenig Zeit hatten, Verteidigungsanlagen zu errichten und der Nordosten ohnehin eher eine niedrigere Priorität für Russland zu sein scheint. Hier gibt es einen großen Teil an Mobilisierten, die entsprechend schlecht ausgebildet und bewaffnet sind. Immer wieder gibt es Vorfälle um Swatowe, wo neu gegründete Bataillone aufgerieben werden und die verbliebenen Reservisten ohne Führung und Versorgung in der Region feststecken, was wiederum oftmals als Fahnenflucht von den höheren Militärrängen interpretiert wird. Bei diesen Bedingungen wäre es nicht überraschend, wenn hier zumindest eine kleinere ukrainische Offensive gestartet werden könnte.