
Unbeirrt rücken die zaidisch-schiitischen Houthi-Rebellen auf die letzte Hochburg der jemenitischen Exilregierung in der nördlichen Hälfte des Landes vor. Nach den erstaunlichen Erfolgen seit Ende September trennen nur noch wenige Kilometer und einige Bezirke das Territorium der Houthis, dessen offizieller Name „Ansar Allah“ lautet, und die durch Flüchtlinge hunderttausende Einwohner zählende Stadt Marib, welche das Tor zum Osten Jemens öffnen würde und derzeit von drei Seiten von den nordjemenitischen Aufständischen umkreist wird. Neben den Fortschritten auf Marib gibt es weitere Erfolge im Zentrum des Landes zu berichten, wo sie wichtige Basen von al-Qaida und des Islamischen Staates vernichten konnten.
Schwere Kämpfe dauern seit der letzten Woche in dem Jubah-Distrikt an, welcher mit der Kleinstadt al-Judaydah rund 40 Kilometer südlich von Marib liegt und der letzte relevante Ort vor dem Ziel darstellt. Durch das gebirgige Terrain in der Region stellt sich das Vorrücken für die Houthi-Kämpfer als schwierig und langwierig heraus, sowohl sie als auch die lokalen Milizen und Regierungstruppen erleiden dabei bei den Gefechten schwere Verluste. Nichtsdestotrotz sind die Erfolge der Houthi-Rebellen nicht von der Hand zu weisen, vor allem nachdem der Konflikt für lange Zeit von erstarrten Fronten und nur lokalen Grenzverschiebungen geprägt war, sind die derzeitigen Erfolge in Zentraljemen und auf dem Weg nach Marib ein möglicher Anfang eines neuen Kapitels im Krieg.
Parallel dazu konnten man kleinere Gebiete weiter südlich an den Anrainern der al-Bayda-Provinz erobern und somit Rückzugsgebiete von al-Qaida und dem Islamischen Staat sichern, die teilweise seit Anbeginn des jemenitischen Bürgerkrieges dort aktiv sind/waren. Zudem konnte man einige Gegenangriffe der Exilregierung und südjemenitischer Separatisten erfolgreich abwehren.

Marib kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, besonders im jemenitischen Konflikt nahm er eine besondere Rolle ein. Denn eigentlich besitzt die Stad lediglich 20.000 Einwohner. Diese Bevölkerungszahl konnte sich aber in Folge des Krieges vervielfachen, einigen Schätzungen zufolge halten sich zwei Millionen Flüchtlinge in der Provinz auf. Grund hierfür ist die Herrschaft der Islah-Partei, dem inoffiziellen jemenitischen Ableger der Muslimbruderschaft. Diese konnte bisher relativ erfolgreich ihre Territorien aus den Gefechten heraushalten, auch wenn sie offiziell die Exilregierung unter Präsident Mansour Hadi unterstützen und von Saudi-Arabien und Katar finanziert werden. Die Islah-Partei musste jedoch enorm an Einfluss einbüßen, insbesondere seit Anbeginn der Houthi-Offensive und wird allgemein als Buhmann innerhalb der Regierungskoalition gesehen, viele Jemeniten sehen die Muslimbruderschaft als heimliche Unterstützer der Houthis, obwohl es hierfür keine Beweise gibt.
Die Eroberung von Marib würde viele neue Fronten eröffnen, darunter ein Angriff auf den letzten jemenitischen Grenzübergang zu Saudi-Arabien, al-Wadiah. Zudem liegen dort viele Bohrtürme und Raffinerien, welches eine der letzten Einnahmequellen für die jementische Regierung darstellt. Gerade in der Wüste im Osten des Jemens wäre es aufgrund der schieren Größe nahezu unmöglich, dauerhafte Verteidigungen und Patrouillen einzusetzen und somit wichtige Ressourcen von den aktiven Frontlinien im Südwesten des Landes abzuziehen, auch wenn die Houthi-Rebellen in der Vergangenheit wenig effektiv in diesem Terrain waren. Bereits heute soll es in der Wüste feste Schmugglerringe geben, die beispielsweise Waren und Waffen von der omanischen Grenze zu den Houthi-Gebieten schaffen. Stattdessen würden kleinere Verbände an Houthi-Kämpfern die Grenzstädte zur Wüste attackieren, ähnlich den asymmetrischen Taktiken des Islamischen Staates in Syrien und dem Irak. Vor allem aber wäre es auch eine Botschaft an die Golfstaaten, welche vor inzwischen sechs Jahren in den Konflikt auf Seiten der Regierung eingriffen. Die Eroberung von Marib wäre eine Rückkehr nach 2014, weite Erfolge der Golfstaaten-Intervention würden damit zunichte werden.