Welche „Rebellen“ sind in Ost-Ghouta aktiv?

Aufgrund der derzeit bevorstehenden Bodenoffensive auf das von verschiedenen oppositionellen Fraktionen gehaltene Ost-Ghouta östlich der syrischen Hauptstadt Damaskus lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Umstände und Gegebenheiten von Ost-Ghouta zu werfen, immerhin wird medial bereits zum derzeitigen Zeitpunkt die Armeeoperation mit derjenigen in Aleppo gleichgesetzt, wo man zunächst von einem „bevorstehenden Genozid“ und Tode etlicher hilfloser Kinder fabulierte, diese dystopischen Vorstellungen aber am Ende vollkommen ausblieben und Friede in Aleppo wieder einkehrte. Hier werden alle relevanten Gruppierungen behandelt, die in Ost-Ghouta gegen die syrische Regierung operieren.

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Hayat Tahrir al-Sham

Ehemals bekannt unter den weiteren Namen Jabhat Fateh al-Sham und Jabhat al-Nusra stellt Hayat Tahrir al-Sham (HTS) die bedeutendste Oppositionsfraktion in ganz Syrien dar. In Ost-Ghouta sind sie relativ unterrepräsentiert, gelten aber dennoch als größter Nutznießer der ständigen Streitereien zwischen verschiedenen Rebellen in Ost-Ghouta. Sie sind bekannt für ihren Einsatz von Selbstmordattentäters bzw. Autobomben (SVBIEDs). Offiziell lösten sie sich von al-Qaida mit der Bestätigung der Zentralführung los, personell und ideologisch kam es aber zu keinem Wandel.

Ohne Frage handelt es sich hierbei um wohl die extremste der relevanten Gruppierungen, neben den Verbindungen zu al-Qaida nahmen sie an etlichen Verletzungen des Menschenrechts teil, massakrierten Zivilen, Minderheiten und Personen, die ihrer islamistischen Rechtsauslegung im Wege stehen. Bekannte Beispiel sind die Massaker in mehreren alawitischen Dörfern in Latakia, wo nach einer erfolgreichen Offensive Massengräber von über 200 Zivilisten gefunden wurden. Weitere hundert Frauen wurden vergewaltigt und verschleppt, zudem wurden auch noch 50 Alawiten in dem Dorf Zaara (Hama) umgebracht. Diese Liste ließe sich unendlich weiterführen.

Sie werden von den Vereinten Nationen aufgrund der Beziehungen zu al-Qaida als terroristische Organisation bezeichnet und wurde selbst von der USA mehrfach mit dem Ziel bombardiert, wichtige internationale Mitglieder von al-Qaida zu töten, z.B. kam der ägyptische Rifai Taha bei einem Luftangriff 2016 in der Provinz Idlib um.

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Ahrar al-Sham

Ahrar al-Sham stellt in ganz Syrien die zweitgrößte Oppositionsgruppe dar, während sie in Ost-Ghouta eher eine untergeordnete Rolle spielt. Dennoch war sie in den letzten Monaten in der Lage, mithilfe der Unterstützung weiterer Verbündeten einen Angriff auf das Damaszener Viertel Harasta zu starten, welches daraufhin vollständig erobert und ein Militärstützpunkt belagert wurde. Dort setzte es mehrfach Selbstmordattentäter gegen Verteidigungspositionen der syrischen Armee ein. Sie konnten im vergangen Zeitraum an Bedeutung gewinnen.

Allgemein gilt sie als salafistische, islamistische Gruppierung mit dem Ziel von der Errichtung eines islamischen Gotteststaates unter der Scharia. Wichtigster Mitgründer war damals Hassan Aboud, ein Veteran von al-Qaida, welcher Beziehungen zu Osama bin Laden besaß. Ein weiterer Mitbegründer war Abu Khalid al-Suri, damals noch der offizielle Repräsentant von al-Qaida in Syrien. Er ist ein Veteran aus Afghanistan und ebenfalls ein Verbündeter von bin Laden und seinem Nachfolger al-Zawahiri. Seit Anbeginn besitzt Ahrar al-Sham also intensive Beziehungen zu international als terroristisch eingestufte Organisationen und dies drückt sich auch in ihrem Bündnissystem aus. Traditionell waren Tahrir al-Sham und Ahrar al-Sham Verbündete unter dem gemeinsamen Bündnis „Jaish al-Fateh“, inzwischen aber kommt es zu regionalen Rivalitäten um die Vormachtstellung in Syrien.

Ahrar al-Sham wird international als terroristische Organisation eingestuft, darunter auch von vielen westlichen Nationen. In Deutschland wurden bereits mehrere Personen verklagt, die Waffenschmuggel für die Gruppe betrieben. Sie war ebenso an den Massakern von religiösen Minoritäten in einigen Regionen beteiligt, beispielsweise an den bereits oben erwähnten Angriffen in Latakia und Hama. Bis zum großen Bruch 2014 arbeitete die Opposition (und damit auch Ahrar al-Sham) eng mit dem Islamischen Staat zusammen. Hassan Aboud kommentierte dieses Bündnis mit den Worten, dass alle Gruppierungen, sei es der IS, al-Nusra oder die FSA, das gleiche Ziel besäßen und sich lediglich die Taktiken, Strategien und Methoden unterscheiden.

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Faylaq al-Rahman

Faylaq al-Rahman gilt als die wohl „moderateste“ Organisation in Ost-Ghouta und bezeichnet sich selber als Teil der Freien Syrischen Armee (FSA). Es handelt sich um einen Zusammenschluss von verschieden Gruppierungen, darunter auch solche wie die „Erste Damaskus-Brigade“, die von den USA mit Panzerabwehrwaffen unterstützt wurde. Faylaq al-Rahman gerät regelmäßig in bewaffnete Konflikte mit Jaish al-Islam und Tahrir al-Sham, wobei es vor allem um machtpolitische Fragen geht. Zu Ahrar al-Sham besitzen sie hingegen gute Beziehungen, doch kam es in der Vergangenheit auch dort zu mehreren Plänkeleien.

2016 schossen mehrere Kämpfer der Gruppierung auf Tausende Demonstranten, die sich in Ost-Ghouta für den Zusammenschluss aller Rebellen und den Beginn einer groß angelegten Offensive gegen die syrische Armee einsetzte. Berichte über Tote und Verletzte sind dabei nicht bekannt.

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Jaish al-Islam

Jaish al-Islam ist ohne Frage die wichtigste Fraktion in Ost-Ghouta, welches auch ihre Hochburg darstellt. Seit dem Tode ihres Anführers Zahran Alloush durch einen russischen Luftangriff zu Weihnachten 2015 mussten sie an Einfluss einbußen, dennoch ist ihr Machtmonopol in weiten Teilen Ghoutas ungebrochen. Der bereits erwähnte Zahran Alloush war ebenfalls der Gründer und galt im Westen lange Zeit als der potientielle Nachfolger Assads, sollte die Opposition in Syrien gewinnen. In einem veröffentlichten Interview bezeichnete er Schiiten und Alawiten als Ungläubige und dasss die Mujahideen [Jaish al-Islam] das Levante (dabei bezieht er sich vor allem auf Syrien und den Libanon) von diesen Ungläubigen säubern werde.

Ideologisch befindet sich Jaish al-Islam auf einem ähnlichen Niveau wie Ahrar al-Sham, sind also als salafistisch einzustufen und setzen sich für einen sunnitischen Gotteststaat ein.

Besonders berüchtigt sind sie für den Einsatz von menschlichen Schutzschilden vor russischen und syrischen Luftschlägen. Dafür nutzten sie gefangen genommene Zivilisten (vor allem Alawiten), die sie in Käfige einsperrten und daraufhin auf Dächern positionierten. Weitere Vorfälle beinhalten den Beschuss von Demonstranten am 30. April 2017 und den Einsatz von Giftgas, wie ein Pressesprecher der Gruppe indirekt bestätigte. Bei Kämpfen in Aleppo setzte Jaish al-Islam demnach Chlorgas auf das kurdische Viertel Sheikh Maqsoud ein, wodurch es zu mehreren Verletzten kam. Das Rote Kreuz bestätigte diese Meldungen und der Pressesprecher gab zu, dass es zum Einsatz von „unerlaubten Waffen“ gekommen ist, was nicht hätte passieren sollen.

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