In der letzten, noch von islamistischen Kräften kontrollierten Provinz Idlib dominiert seit Jahren die dschihadistische Organisation „Hayat Tahrir al-Sham“ (HTS) das Geschehen, mit türkischer Unterstützung konnten sie ihr Einflussgebiet erheblich ausweiten und z.B. den gesamten Wirtschaftssektor der Region kontrollieren. Seit neuestem versucht der ehemalige al-Qaida-Ableger aber, seine Geltung auf andere oppositionelle Territorien in Syrien auszuweiten und damit in direkter Konkurrenz zu türkischen Stellvertretern zu treten, die mit schrumpfenden Einfluss aufgrund ausbleibender Bezahlungen durch die Türkei zu kämpfen haben. Diese Maßnahme ist Bestandteil des neuen Reformprogramms von Tahrir al-Sham, in dem man sich unter anderem auch als „moderate Kraft“ innerhalb der Opposition inszenieren und dadurch vom Westen Unterstützung erfahren möchte.
Einheiten der Syrisch-Arabischen Armee unter dem Kommando der „Tiger Forces“ konnten am Montag Nachmittag Ma’ardes und das weiter südlich gelegene Iskandrayiah erneut unter ihre Kontrolle bringen. Ma’ardes war eines der ersten Städte (neben Souran), die innerhalb der Offensive in die Hand der Opposition gefallen sind, dabei wurden auch mehrere Selbstmordattentäter im Kampf gegen heimische NDF-Milizen eingesetzt. Der Ort galt ein Punkt der Hauptverteidigungslinien in Nord-Hama, der aber am ersten Tag gefallen ist. Dies stellt die zweite Rückeroberung des Ortes dar, da zuvor man Ma’ardes 2 Tage nach seiner Eroberung wieder im Kampf gegen Elitetruppen von Tahrir al-Sham aufgegeben musste (siehe Video).
Mit der Einnahme von Souran würden alle Eroberungen der oppositionelle Offensive komplett revidiert werden, die Operation würde eine totale Niederlage bedeuten. Unklar ist weiterhin, ob die dortig stationierten Einheiten der SAA etc. weiterhin in Richtung Norden operieren werden und gar Boden erobern kann. Ein attraktives Ziel danach könnte Taybat al-Imam direkt westlich von Ma’ardes und Souran sein.
Die ersten Tage der Offensive begannen mit einer Blitzoffensive auf die an der Front liegenden Städte: Schwere Kämpfe in Souran und Kawkab dauerten bis in die Nacht hinein an, letzten Endes konnten die Ortschaften aber problemlos erobert werden. Wie inzwischen üblich begann man die Offensive mit schwerem Artilleriebeschuss und 2 Selbstmordattentätern (SVBIED), die für die größten Verluste sorgten und Löcher in den Verteidigungspositionen aufriss. Diese wurden dann geschickt ausgenutzt und die Moral der Soldaten gebrochen. Kurz nach dem Fall von Souran konnte man die umliegenden Städte (u.a. Ma’ardes) ebenfalls unter seine Kontrolle bringen. Nach Angaben von Tahrir al-Sham (ehemals bekannt als Jabhat Fateh al-Sham, oder Jabhat al-Nusra) handelte es sich bei den zwei Städten um die Hauptverteidigungslinie der Syrisch-Arabischen Armee (SAA) bzw. NDF, Milizen die dazu dienen ihre Heimatorte zu verteidigen. Später fielen alle Städte bis nach Arzeh (siehe oben).
Auf Seiten der Opposition ist Tahrir al-Sham die antreibende Kraft. Diese wird unterstützt von Jaish al-Izza, Jaysh al-Nasr, Ajnad al-Sham, Ajnad al-Kavkaz, Turkmen Islamic Party, Ahrar al-Sham, Faylaq al-Sham und Free Idlib Army (FSA).
Auf Seiten der Regierung sind hingegen die Syrisch-Arabische Armee, Qalamoun Shield Forces, Harakat al-Nujaba, NDF, Ba’ath-Brigaden, Tiger Forces, Cheetah Forces, Leopard Homs, Hisbollah und Revolutionsgarden präsent.
In der südsyrischen Stadt Dara’a nahe der jordanischen Grenze kam es nach monatelanger Ruhe zu schweren Gefechten. Tahrir al-Sham (ehemals bekannt als Jabhat Fateh al-Sham bzw. Jabhat al-Nusra) startete mit lokalen FSA-Milizen die sogenannte Operation „Tod oder/vor Demütigung“, welche Eroberungen innerhalb der Stadt zum Ziel sieht. Dafür wurde ein Großangriff auf das südlich gelegene al-Manshiya-Viertel gestartet, wobei auch mehrere Selbstmordattentäter und Tunnel genutzt worden, die unter den Gebäuden und Armeepositionen gesprengt wurden. Auf der Seite der syrischen Regierung kämpfen in Dara’a vor allem örtliche NDF-Milizen, die Syrisch-Arabische Armee ist in der gesamten Region relativ unterrepräsentiert, da es bis auf zwei Ausnahmen nie zu schweren Kämpfen kam seit Anfang 2016.
Die militärische Situation ist relativ unübersichtlich, nach einstimmigen Berichten aber konnte die Opposition in den Gebieten ein wenig vorrücken, wo auch die Selbstmordattentäter genutzt wurden. Diese Bereiche betreffen den sogenannten al-Najar-Distrikt. Aktuelle Quellen sprechen derzeit aber darüber (u.a. die NDF), dass sämtliche Offensiven zurückgestoßen wurden und das gesamte al-Manshiya-Viertel wieder unter Kontrolle ist.
Die sogenannte „Southern Front“ im Süden Syriens ist die inzwischen wohl ruhigste, aktive Front im gesamten Konflikt. Sie ist mehrheitlich von der FSA dominiert, Islamisten erhalten aber immer mehr Zulauf, desto länger ein faktischer Frieden zwischen FSA und der Regierung dort anhält. Seit den äußerst verlustreichen Offensiven im Jahre 2015 in Richtung Quneitra und schweren Kämpfen in der Stadt Sheikh Masheen fehlt er den dortigen Einheiten an offensiven Kapazitäten. Dara’a selber ist seit Anbeginn des Krieges in zwei Teile geteilt.