
Der Dezembermonat markiert eine besonders blutige Phase des Ukrainekrieges, welche es seit dem Juli nicht mehr gab. Die Ukraine und Russland erleiden beide tagtäglich Verluste im dreistelligen Bereich in der Schlacht um Bachmut, wo die russische Armee derzeit ihr sämtliches offensives Potential einsetzt. Trotz kleinerer Geländegewinne hält dort aber die ukrainische Verteidigung all den Angriffen seit fünf Monaten zum Trotz, während anderswo Vorbereitungen für eine neue Gegenoffensive andauern. Ukrainische Drohnen trafen zudem erstmals russische Luftwaffenstützpunkte, welche mehrere hundert Kilometer von Kriegsgebiet entfernt liegen. Derartige Militärschläge sind im unmittelbaren Grenzgebiet wie der Krim oder den Grenzprovinzen keine Seltenheit, dies jedoch stellt ein Novum dar. Getroffen wurden dabei das 400km entfernte Flugfeld bei Engels und des 600km entfernte Stützpunkt bei Rjasan. Insbesondere der Angriff auf den letzteren Ort zeigt auf, dass selbst Moskau damit in Zielreichweite ukrainischer Waffen liegt.
Was einst Kherson oder Kiew war, ist heute Bachmut. Die einst 80.000 Einwohner zählende Stadt im Oblast Donezk ist seit fünf Monaten russischen Angriffen und dem Kommando der Privatarmee Wagner ausgesetzt, doch noch nie waren diese Erstürmungsversuche so intensiv wie in den letzten Wochen. Die eingesetzten Ressourcen und Verluste stehen in keinerlei Verhältnis zu der Bedeutung der Stadt, welche momentan als Verkehrskreuz für den Ort Sewersk weiter nördlich fungiert und zumindest entlang der östlichen Stoßrichtung die letzte größere Stadt auf dem Weg nach Slowjansk und den damit verbundenen Ortschaften steht, das letzte urbane Zentrum des Oblast Donezk unter ukrainischer Kontrolle. Bis September war dies eine reelle Chance, da Russland im Osten von Bachmut und im Norden von Lyman und Izium einen Zangenangriff hätte durchführen können. Inzwischen aber befinden sich die nördlichen Gebiete wieder unter ukrainischer Kontrolle, weshalb der Nutzen von Bachmut nur begrenzt ist.
Nichtsdestotrotz konzentrieren sich derzeit fast sämtliche offensiven Einheiten der russischen Streitkräfte in dieser Stadt und der Umgebung. Russland hofft, durch Geländegewinne im Norden und Süden Bachmut einzukreisen und damit die verteidigenden Ukrainer zum Rückzug zu zwingen. Seit Monaten scheitert das im Norden aber an den Städten Soledar und Bachmutske, während man im Süden erst vor kurzen mehrere Dörfer sichern konnte, welche aber immer noch mehrere Kilometer vom westlichen und südlichen Stadteingang entfernt liegen. Parallel dazu versucht man es ebenso mit Frontalangriffen, welche mit dem entsprechenden Ergebnissen konfrontiert sind. Wagner soll dabei die rekrutierten Insassen aus russischen Gefängnissen als Stoßtruppen einsetzen, ohne Rücksicht auf Verluste.
Pro-russischen Berichten zufolge konnte man im Osten nach der Sicherung des Industrieviertels die ersten Wohnblöcke erobern, wofür es aber noch keine Belege gibt. Aktuell kontrollieren ukrainische Soldaten noch einen bewaldeten Hügel im Nordosten, welcher als ideale Defensivstellung fungiert. Bei deren Verlust könnte man sich hinter den Fluss zurückziehen, welcher Bachmut in zwei Teile teilt. Damit würde die zweite Phase im Kampf um die Stadt beginnen, welcher bisher nahezu außerhalb stattfand. Verschiedene Schätzungen sprechen von bis zu 200 getöteten oder verletzten Soldaten auf ukrainischer Seite pro Tag. Russland ist dahingehend wesentlich intransparenter, aufgrund ihrer Angreiferrolle und den regelmäßig veröffentlichten Drohnenaufnahmen, wo tote Soldaten auf freien Feldern liegen, sollte die Anzahl um ein mehrfaches höher sein.
Insbesondere die Witterungsbedingungen machen es auf russischer Seite schwer, erfolgreiche Operationen durchführen zu können. Die ohnehin schlechte Versorgungslage ist durch die einkehrende Kälte des Dezembers nochmal verschlimmert. Ukrainische und pro-russische Kanäle vermelden vermehrte Todesfälle durch Unterkühlung, was gerade auf einem Schlachtfeld wie Bachmut besonders verlustreich ist. Der russischen Regierung zufolge sind inzwischen über 150.000 Reservisten der insgesamt 300.000 Mobilisierten in der Ukraine aktiv, dennoch ist Russland nur zu einer lokal beschränkten Militäroffensive fähig. Ukrainische Soldaten an der Front berichten zudem, dass die Frequenz russischer Artillerieangriffe erheblich abgenommen haben soll.

Parallel dazu konzentriert die ukrainische Armee seine Einheiten entlang von zwei Fronten: Im Norden, im Oblast Luhansk, und auf die südukrainische Provinz Saporischschja im Süden. Eher sekundär ist dabei die Front im Norden, wo die ukrainische Armee Probeangriffe durchführt und nur langsam vorrückt, unter anderen auch aufgrund erheblichen Widerstandes. Unbestätigten Berichten des ukrainischen Verteidigungsministeriums zufolge befnden sich seit wenigen Tagen die Dörfer Tscherwonopowiwka und Holykowne unter eigener Kontrolle. Beide Orte liegen auf der Verbindungsstraße zwischen Swatowe und Kreminna, welche dadurch gekappt wäre. Kreminna könnte dabei das erste Ziel ukrainischer Begierde sein, welches derzeit vom Westen und Süden angegriffen und vom Norden zur Außenwelt getrennt ist. Dessen Wiedereroberung würde Tür und Tor zu dem Städtedreieck Rubischne, Sievierodonetsk und Lyssychansk öffnen, welches Russland in Folge schwerer Kämpfe im Spätsommer erobern konnte.
Das Hauptaugenmerk liegt ab weiter südlich in Saporischschja, ein ebenfalls von Russland offiziell annektierter Oblast. Dort kam es in den letzten Tagen zu auffällig vielen Sabotageakten und Raketenangriffen. Bei Melitopol, ein strategisch wichtiges Verkehrskreuz und neben Mariupol die inzwischen größte von Russland eroberte Stadt, kam es zur Detonation einer Autobahnbrücke, inmitten eines stark überwachten Gebietes. Noch existiert eine Umgehungsstraße, doch dies könnte nur eine Frage der Zeit sein. In der gleichen Stadt wurden Barracken und Hauptquartiere russischer und tschetschenischer Einheiten bombardiert, die Verlustzahlen sollen im dreistelligen Bereich liegen.
All dies sind Vorbereitungen, um die militärische Situation präventiv zum eigenen Gunsten zu entwickeln und darauf aufbauend eine Militäroffensive durchzuführen sind. Zumindest scheint das ukrainische Militär dahingehend recht transparent zu sein, denn Ende Dezember oder Januar könnte eine derartige Operation im Raum stehen. Ebenfalls spricht dafür die wieder gestiegenen Waffenlieferungen aus den Westen und insbesondere den USA, welche eine wesentlich höhere Menge an Artilleriegeschossen bereitstellt.
Währenddessen weitete Kiew ihr Operationsgebiet erstmals auf russische Luftwaffenstützpunkte in hunderten Kilometern Entfernung aus. Getroffen wurden dabei das 400km entfernte Flugfeld bei Engels und des 600km entfernte Stützpunkt bei Rjasan. Letzterer beweist, dass das ebenfalls in der gleichen Entfernung liegende Moskau von ukrainischen Drohnen heimgesucht werden könnte, insofern der Wille dazu besteht. Engels und Rjasan sind dabei Heimatbasen russischer Langstreckenbomber, mitunter auch des damit verbundenen Atomarsenals des Landes. Von dort aus operieren mit einer monatlichen Taktung Bomber, die ukrainische Städte und die Infrastruktur im ganzen Land attackieren. Offiziellen Angaben zufolge wurden dabei zwei solcher Bomber beschädigt und vier russische Soldaten getötet.
Der Zeitpunkt dieses Angriffes war sicherlich nicht zufällig, denn nicht mal 24 Stunden später kam es zu einem größeren Luftangriff auf zentralukrainische Städte, nachdem das ukrainische Verteidigungsministerium kurz zuvor vor derartigen Militärschlägen warnte. Entgegen ersten Meldungen und Vermutungen wurden dabei kein neuer Drohnentyp eingesetzt, sondern stattdessen die alten sowjetischen Tu-141-Aufklärungsdrohnen, welche kurzerhand umfunktioniert wurden. Diese tonnenschweren und überdimensionalen Ungetüme für Drohnenverhältnisse konnten also unentdeckt bis in das Herz Russlands vordringen, ein weiteres Debakel für die russische Luftabwehr. Diese könnte nun im ganzen Land verstärkt werden, dafür müssten jedoch Kapazitäten von der Ukrainefront entfernt werden. Wenige Tage später kam es zu zwei aufeinanderfolgenden Angriffen auf das näher gelegene Kursk-Flugfeld, wodurch eine Raffinerieanlage zerstört wurde.