Ukrainische Gegenoffensive im Süden zeigt erste Erfolge

Ob bei Kherson im Süden oder bei Charkiw im Norden der Ukraine: Überall kommt es derzeit zu schweren Gefechten zwischen den jeweiligen Soldaten der ukrainischen und russischen Streitkräfte. Beide Seiten erhoffen sich durch wiederaufgenommene oder weiterhin andauernde Militäroffensiven neue Geländegewinne und somit den Konflikt weiter zum eigenen Vorteil zu drehen. Unweit der Krim kann die ukrainische Gegenoffensive erste Erfolge verzeichnen, während innerhalb der von Russland kontrollierten Gebiete der Widerstand wächst. Der Hauptteil der Gefechte konzentriert sich aber weiterhin auf den Donbass, wo beide Länder erhebliche Verluste erleiden und Russland sehr langsam vorrücken kann.

Im Donbass gab es wenige Veränderungen. Russische Truppen rücken weiter in der Umgebung der Stadt Sievierodonetsk vor, wo auch inmitten des Zentrums Gefechte andauern. Ukrainische Einheiten sollen noch etwa 30% des Ortes kontrollieren, in der Woche zuvor war es etwa die Hälfte. Mittelfristig werden sich die verbliebenen ukrainischen Verteidiger hinter den Fluss Donets zurückziehen und den urbanen Häuserkampf in der Schwesterstadt Lyssychansk weiterführen, was sich zudem auf einer Erhöhung befindet und zugleich die letzte, noch vollständig von der Ukraine kontrollierte Stadt im Oblast Luhansk darstellt. Dafür sollen ukrainische Verbände wieder die Verbindungsstraße zwischen Bakhmut und Lyssychansk wiedererobert haben, welche zuletzt unter hoher Gefahr war. In näherer Zeit könnten russische Verbände ihre Offensive von Izium und Lyman im Norden des Donbass wiederaufnehmen, immerhin befindet sich die Stadt Slowiansk nur etwa 20 Kilometer von dort entfernt.

In der Südukraine ist die ukrainische Gegenoffensive in vollem Gange, zumindest laut pro-ukrainischen Medien. Territorial gab es relativ wenig Veränderungen seit der Landung am anderen Ufer des Inhulets-Flusses bei Davydiv Brid, anderswo konnte man weitere Dörfer sichern und damit die eigene Ausgangsposition verbessern. Es soll inzwischen mehrere Achsen der Vorstöße geben, namentlich im Süden entlang der Küste, dem direkten Weg zwischen Mikolajew und der Provinzhauptstadt Kherson, von dem derzeit schwer umkämpften Snihurivka und weiter nördlich von Krivyj Rih aus. Das Hauptziel darin liegt die Eroberung der bereits erwähnten Stadt Kherson, die in den ersten Tagen des Krieges an Russland gefallen ist und der größte Ort darstellt, den russische Soldaten erobern konnten (neben dem zerstörten Mariupol). Die Operation entlang mehrerer Achsen fußt auf die Hoffnung, die russischen Verteidiger damit zu überrumpeln, da sie sich außerhalb des Donbass nur spärlich mobilisiert sind bzw. eher drittklassige Reservisten die Frontaufgaben übernehmen.

Die Großstadt spiegelt zusammen mit anderen größeren Orten unter russischer Kontrolle den Mikrokosmos russischer Herrschaft in der Ukraine wieder. Zumindest dort, wo Russland auch das langfristige Interesse besitzt, die Gebiete zu annektieren und dementsprechend weniger brutal gegen die lokale Bevölkerung vorgeht, auch wenn sich Entführungen und Einschüchterungen von pro-ukrainischen Stimmen auch dort an der Tagesordnung befinden. Ein Großteil der ursprünglichen Einwohner ist geflüchtet, ein anderer Teil blieb eine Flucht aus ökonomischen oder technischen Gründen, also z.B. der Blockade von Fluchtrouten durch das russische Militär, verwehrt. In den ersten Wochen und Monaten kam es noch regelmäßig zu pro-ukrainischen Kundgebungen von Tausenden, die aber nach der gewaltsamen Niederschlagung beendeten. Stattdessen nahmen Attentate auf pro-ukrainische Abgeordnete, Beamte oder Journalisten zu, immer wieder gibt es auch Meldungen von Sabotageakten.

Aktuell wird in ganz Russland der Russlandtag gefeiert, ebenso auch in den von Russland kontrollierten Gebieten der Ukraine. Die Größte davon findet aktuell in Kherson statt, wo in mehreren Parkanlagen und Plätzen dezentrale Konzerte, Kundgebungen und andere Festivitäten organisiert wurden. Dem gegenüber steht das tatsächliche Interesse der lokalen Bevölkerung, das auf einigen veröffentlichten Medien zu sehen ist: Nur spärlich scheint die Mobilisierung zu sein, die insgesamt wohl weit weg von einer vierstelligen Zahl scheint. In der südukrainischen Stadt Berdjansk wurde die lokale Energieinfrastruktur in Folge von mehreren Bränden, es gab auch unbestätigte Meldungen von Explosionen, zerstört. Bei Melitopol wurden zwei russische Soldaten auf eine Patrouille getötet, nachdem in der Stadt vermehrt Flugblätter auftauchen, die die russischen Besatzer warnen. Der ukrainische Widerstand scheint im Süden des Landes ungebrochen.

Dass die Situation in der Ukraine im Monat Februar erneut eskalieren würde, war bereits früh abzusehen. In den Monaten zuvor verlegte Russland einen Großteil seiner mobilen Streitkräfte an die ukrainisch-russische Grenze. Dies wurde mit den alljährlichen Trainingsmanövern begründet, jedoch war diese Entwicklung äußerst ungewöhnlich: Übungen werden normalerweise mit den vorhandenen Truppen innerhalb der insgesamt fünf Militärbezirke durchgeführt, in diesem Falle wurden jedoch russische Soldaten aus dem ganzen Land zusammengezogen, vor allem auch aus Sibirien. Mindestens 200.000 Soldaten sind daran laut dem OSZE beteiligt, darunter auch einige Einheiten der Nationalgarde wie tschetschenische Gruppierungen rund um den Verbündeten Ramsan Kadyrow. Zudem wurden die Truppenverlegungen auf Belarus und die Krim erweitert, wo sie in behelfsmäßig errichteten Militärquartiere unweit der Ukraine stationiert wurden, wie Satellitenbilder beweisen.

Das russische Verteidigungsministerium berichtete zwar, das nach dem Ende der Truppenübungen die involvierten Streitkräfte wieder abgezogen und zu ihren Heimatbasen zurückkehren sollte. In Wirklichkeit geschah jedoch das Gegenteil: Ununterbrochen wurden weitere Truppenverbände in die Nähe der Ukraine gebracht, zudem wurden zwar die für die „Übungen“ errichteten Militärbasen teilweise verlassen, Militärverbände stattdessen aber nur näher an die Grenze transportiert. Insbesondere in der Region um Belgorod und Kursk gab es erhebliche Truppenbewegungen zu verzeichnen. Dieses Szenario ähnelt dem Georgienkrieg im Jahre 2008, wo fünf Tage vor Anbeginn des Konfliktes Russland ebenfalls verkündete, in Folge eines abgeschlossenen Trainings ihre Soldaten abziehen zu wollen.

Im Donbass folgten daraufhin eine Reihe von False-Flag-Aktionen durch die Volksrepubliken, die bei der russischen und lokalen Bevölkerung die Motivation für weitere Eskalationen und den Krieg heben sollten. Diese wurden auch entsprechend dankbar von medialen Narrativen übernommen, obwohl darunter sehr offensichtliche Inszenierungen waren: Über die polnischen Spezialeinheiten die ein Ammoniaklager sprengen wollten, über Videobeweise die bereits zehn Tage vor der Tat aufgenommen wurden, ukrainische Selbstmordattentäter im Zentrum von Donezk oder ukrainische Einheiten, die problemlos separatistische Gebiete durchqueren konnten, nur um dann russisches Territorium zu betreten und dort getötet zu werden geht die Liste lang. Auch hier gilt wie in jedem Krieg: Die Wahrheit stirbt zuerst.

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