Niederlagen im Osten, Siege im Süden

Die ukrainischen Kräfte müssen im Donbass eine herbe Niederlage einfahren: Die Großstadt Sievierodonetsk fällt in den gegenwärtigen Stunden nahezu kampflos an die russischen Truppen, nachdem man sich selber auf bessere Verteidigungspositionen weiter südlich zurückgezogen hat. Damit kontrolliert die Ukraine nur noch drei Prozent des ostukrainischen Oblast Luhansk und damit nur eine größere Stadt, Lyssychansk. Auch diese gerät aktuell in Gefahr, in den kommenden Wochen durch Russland erobert oder zumindest zerstört zu werden. Im Kontrast dazu verdichten sich im Süden des Landes die Meldungen, dass das ukrainische Militär eine Gegenoffensive gestartet haben soll, die bereits die ersten Früchte trägt. Das genaue Ausmaß dieser Operation ist bisher aber ungeklärt.

Die Lage im Donbass bleibt für die ukrainische Seite weiterhin angespannt und bisweilen auch kritisch. Die ukrainischen Streitkräfte haben sich inzwischen weitgehend aus der einst 100.000 Einwohner zählenden Großstadt Sievierodonetsk im Oblast Luhansk zurückgezogen, der Ort fiel dabei nahezu kampflos. Die ukrainischen Einheiten wurden hier vor der schwierigen Situation gestellt, den urbanen und damit den Verteidiger bevorzugenden Häuserkampf zu suchen, während man von drei Seiten umzingelt und vollständig in der Reichweite russischer Artillerie ist, oder sich stattdessen hinter den Fluss Donets auf die am anderen Ufer liegende Stadt Lyssychansk zurückzuziehen. Offenbar wurde die zweite Option gewählt, immerhin konzentriert sich ein Großteil der regulären russischen Armee auf dieses Gebiet.

Damit kontrolliert die Ukraine nur noch 3% des Oblast Luhansk bzw. die ebenfalls 100.000 Einwohner zählende Stadt Lyssychansk, die in den kommenden Tagen und Wochen wohl das nächste Ziel russischer Begierde sein wird. Dies können sie durch zwei Optionen erreichen: Entweder ähnlich wie bei Lyssychansk durch eine direkte Erstürmung respektive ein Überqueren des Donets, oder eine Einkesselung des Ortes. Die Grundbedingungen dafür sind zumindest gegeben, die letzte Versorgungsroute ist in Reichweite russischer Artillerie. Durch einige Gegenoperationen ukrainischen Truppen konnten sie dort aber schlimmeres verhindern und den Gegner sogar wenige Kilometer zurückdrängen. In beiden Fällen ist der Fall von Lyssychansk aber nur eine Frage der Zeit, dort stationierte Soldaten melden immer wieder eine unzureichende Versorgung mit schweren Waffen und Artilleriegeschossen, sodass man sich dort kaum zur Wehr setzen kann.

Im südukrainischen Oblast Kherson scheint nun die Ukraine eine Gegenoffensive gestartet zu haben, nachdem es über die vergangenen Monaten immer wieder Gerüchte und irreführende Berichte darüber gab. Das Ausmaß dieser Operation ist ungewiss, bisher aber scheint es vielmehr eine lokal beschränkte Offensive darzustellen, die in den letzten zwei Tagen die Dörfer Mikolajew und Bilosowje wiedererobern konnten. Es ist eher unwahrscheinlich, dass es sich um eine groß angelegte Militäroperation handelt, die die gleichnamige Provinzhauptstadt Kherson wiedererobern soll. Vielmehr wird wohl die Pufferzone um die Großstadt Kriviy Rih erweitert, welche etwa 50 Kilometer von den feindlichen Positionen entfernt liegt. Das zeugt davon, dass die Ukraine auch außerhalb des Donbass dazu fähig ist, weiterhin eigene Operationen durchführen zu können.

Aktuell soll es wenige Kilometer südlich von den bereits erwähnten Dörfern schwere Gefechte geben. Die Situation um den Ort Davidiw Brid ist unklar, hier gibt es widersprüchliche Angaben: Laut russischen Angaben befindet sich die Siedlung weiterhin fest unter eigener Kontrolle, pro-ukrainische Medien berichten hingegen von der Einnahme. Es existieren Videos von ukrainischen Artillerie- und Drohnenangriffen auf den Ort, zudem wurde am Dienstag Morgen die dort befindliche Brücke über den Fluss Inguletz zerstört. Wie im Donbass mit dem Donets fungiert der Fluss als natürliche Barriere für die jeweiligen Verteidiger, gerade in den weiten Ebenen der Südukraine ist dies besonders effektiv. Während Russland bereits in den ersten Stunden der ukrainischen Offensive behauptet hat, den Angriff erfolgreich zurückgeschlagen zu haben, ist die Operation weiterhin in vollem Gange. Dabei muss die Ukraine aber auch einige Verluste verzeichnen. Die Frage ist, ob diese während der angespannten Situation im Donbass vertretbar sind.

Dass die Situation in der Ukraine im Monat Februar erneut eskalieren würde, war bereits früh abzusehen. In den Monaten zuvor verlegte Russland einen Großteil seiner mobilen Streitkräfte an die ukrainisch-russische Grenze. Dies wurde mit den alljährlichen Trainingsmanövern begründet, jedoch war diese Entwicklung äußerst ungewöhnlich: Übungen werden normalerweise mit den vorhandenen Truppen innerhalb der insgesamt fünf Militärbezirke durchgeführt, in diesem Falle wurden jedoch russische Soldaten aus dem ganzen Land zusammengezogen, vor allem auch aus Sibirien. Mindestens 200.000 Soldaten sind daran laut dem OSZE beteiligt, darunter auch einige Einheiten der Nationalgarde wie tschetschenische Gruppierungen rund um den Verbündeten Ramsan Kadyrow. Zudem wurden die Truppenverlegungen auf Belarus und die Krim erweitert, wo sie in behelfsmäßig errichteten Militärquartiere unweit der Ukraine stationiert wurden, wie Satellitenbilder beweisen.

Das russische Verteidigungsministerium berichtete zwar, das nach dem Ende der Truppenübungen die involvierten Streitkräfte wieder abgezogen und zu ihren Heimatbasen zurückkehren sollte. In Wirklichkeit geschah jedoch das Gegenteil: Ununterbrochen wurden weitere Truppenverbände in die Nähe der Ukraine gebracht, zudem wurden zwar die für die „Übungen“ errichteten Militärbasen teilweise verlassen, Militärverbände stattdessen aber nur näher an die Grenze transportiert. Insbesondere in der Region um Belgorod und Kursk gab es erhebliche Truppenbewegungen zu verzeichnen. Dieses Szenario ähnelt dem Georgienkrieg im Jahre 2008, wo fünf Tage vor Anbeginn des Konfliktes Russland ebenfalls verkündete, in Folge eines abgeschlossenen Trainings ihre Soldaten abziehen zu wollen.

Im Donbass folgten daraufhin eine Reihe von False-Flag-Aktionen durch die Volksrepubliken, die bei der russischen und lokalen Bevölkerung die Motivation für weitere Eskalationen und den Krieg heben sollten. Diese wurden auch entsprechend dankbar von medialen Narrativen übernommen, obwohl darunter sehr offensichtliche Inszenierungen waren: Über die polnischen Spezialeinheiten die ein Ammoniaklager sprengen wollten, über Videobeweise die bereits zehn Tage vor der Tat aufgenommen wurden, ukrainische Selbstmordattentäter im Zentrum von Donezk oder ukrainische Einheiten, die problemlos separatistische Gebiete durchqueren konnten, nur um dann russisches Territorium zu betreten und dort getötet zu werden geht die Liste lang. Auch hier gilt wie in jedem Krieg: Die Wahrheit stirbt zuerst.

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