Im Osten wenig Neues

Der Ukrainekrieg geht in den dritten Monat. Zu Anbeginn haben sich nur die Wenigsten vorstellen können, dass ein Konflikt zwischen der Ukraine und der vermeintlich militärischen Weltmacht Russland derart lange dauern würde, geschweige ein solcher Krieg einen solchen Verlauf nehmen würde, bei dem sich die Ukraine derart erfolgreich schlagen kann. Auch in diesen Tagen ist dies nicht anders, trotz diverser militärischer Erfolge für Russland, dank der russischen Schwerpunktsetzung im Donbass, kann die ukrainische Verteidigung in und an den vitalen Orten halten. In keinem vorteilhaften Verhältnis stehen die russischen Verluste, welche inzwischen die sowjetischen Statistiken in ihrer zehnjährigen Auslandsmission in Afghanistan überschreiten, mit den durchaus existenten Geländegewinnen, ein Sieg liegt damit auch weiterhin in weiter Ferne.

Die Situation in dem nordwestukrainischen Oblast Charkiw ist grundsätzlich als stabil zu bezeichnen. Nach der erfolgreichen ukrainischen Gegenoffensive, die die russischen Truppen weitgehend bis zur ukrainisch-russischen Grenze zurücktreiben konnte, gibt es dort von beiden Seiten wenig Meldungen von weiteren Manövern. Unbestätigten Berichten zufolge errichteten ukrainische Verbände einen Brückenkopf über den Oskilsker Stausee und konnten dort mehrere Dörfer sichern. Auf der anderen Seite des Stausees befindet sich eine wichtige russische Nachschubroute in Richtung der Stadt Izium, einem einstigen wichtigen Ausgangspunkt für einen russischen Zangen- und Kesselversuch für den gesamten Donbass, welcher aber nach ausbleibenden Erfolgen zumindest pausiert wurde. Das britische Verteidigungsministerium vergleicht die russischen Verlustzahlen mit den Sowjetischen in ihrer Afghanistanintervention. Damals starben innerhalb von zehn Jahren 15.000 Soldaten, 50.000 Weitere wurden verletzt. Überprüfbar ist diese Behauptung aber nicht.

Weiter östlich im Donbass, den Oblasten Donezk und Luhansk, finden derzeit wie in den letzten Wochen und Monaten der Großteil der brutalen Gefechte statt. Seit dem Durchbruch bei Popasna konnte das russische Militär nur teilweise diesen Erfolg in neues Kapital ummünzen, sprich weitere Gebiete dort erobern und den Kessel um die östlichsten Frontstädte Lyschansk und Sievierodonetsk abschließen. Stattdessen können russische Einheiten einige weitere Dörfer im Umkreis ohne nennenswerten Widerstand erobern, da sie wahlweise von zwei bis drei Seiten umschlossen waren, wie z.B. Myronivski oder Toshkivka. Am Stadtrand von Sievierodonetsk soll es bereits schwere Gefechte um die Stadt geben, auch wenn die letzte Nachschublinie weiterhin frei scheint.

Ukrainische Kräfte konnten dagegen mehrere Angriffe wie z.B. auf Lyman, Avdiivka oder Sjatowirsk abwehren. Russische Soldaten starteten ebenfalls mehrere Militärschläge in der Grenzregion zum Oblast Sumy in der Nordukraine, wo es zuletzt eigentlich seit dem russischen Truppenabzug ruhig geblieben ist. Diese Attacken dienen aber wahrscheinlich eher dem Zweck, auch langfristig ukrainische Truppen an die eigentlich befriedeten Gebiete zu binden und sie somit von der aktiven Kriegsfront fernzuhalten. Beide Seiten setzen ihre jeweiligen Luftkomponente wie Kampfjets und Hubschrauber nur stark eingeschränkt ein, zu groß ist die Gefahr vor den feindlichen Luftabwehrsystemen. Westliches Kriegsgerät wie die amerikanischen M777-Artilleriehaubitzen sind inzwischen auf ukrainischer Seite breitflächig und prominent im Einsatz. Aufgrund ihrer effektiven Reichweite und gepaart mit Aufklärungsdrohnen für eine direkte Korrektur und Beobachtung der Artillerieschläge ergibt sich für die russischen Frontsoldaten eine ernsthafte Gefahr, vor allem werden aber auch regelmäßig Videos von attackierten Munitionsdepots und Fuhrparks veröffentlicht.

Die Geschichte von Mariupol ist inzwischen offiziell beendet. Auch die letzten Verteidiger des Industriekomplexes Asovstal legten ihre Waffen gegenüber der russischen Übermacht nieder, nachdem wenige Tage zuvor die erst 260 Kämpfer, darunter über 50 Verletzte, als Erste aufgaben. Ein großer Teil der verbliebenen Verteidiger stammten aus dem faschistischen Asow-Battalion, ein anderer Teil waren reguläre Soldaten. Offizielle Zahlen existieren nicht, Russland spricht von fast 1.000 Kriegsgefangenen durch Asovstal, während die Ukraine seit den ersten 260 Soldaten keine weiteren Informationen veröffentlichte. Während es für die russische Zahl keine Beweise gibt, wäre eine solche Ziffer über den gesamten Schlachtverlauf von Mariupol nicht unwahrscheinlich. Bereits in den Monaten zuvor kapitulierten immer wieder ukrainische Militärverbände. Somit befindet sich die gesamte Südukraine nun unter russischer Kontrolle.

Dass die Situation in der Ukraine im Monat Februar erneut eskalieren würde, war bereits früh abzusehen. In den Monaten zuvor verlegte Russland einen Großteil seiner mobilen Streitkräfte an die ukrainisch-russische Grenze. Dies wurde mit den alljährlichen Trainingsmanövern begründet, jedoch war diese Entwicklung äußerst ungewöhnlich: Übungen werden normalerweise mit den vorhandenen Truppen innerhalb der insgesamt fünf Militärbezirke durchgeführt, in diesem Falle wurden jedoch russische Soldaten aus dem ganzen Land zusammengezogen, vor allem auch aus Sibirien. Mindestens 200.000 Soldaten sind daran laut dem OSZE beteiligt, darunter auch einige Einheiten der Nationalgarde wie tschetschenische Gruppierungen rund um den Verbündeten Ramsan Kadyrow. Zudem wurden die Truppenverlegungen auf Belarus und die Krim erweitert, wo sie in behelfsmäßig errichteten Militärquartiere unweit der Ukraine stationiert wurden, wie Satellitenbilder beweisen.

Das russische Verteidigungsministerium berichtete zwar, das nach dem Ende der Truppenübungen die involvierten Streitkräfte wieder abgezogen und zu ihren Heimatbasen zurückkehren sollte. In Wirklichkeit geschah jedoch das Gegenteil: Ununterbrochen wurden weitere Truppenverbände in die Nähe der Ukraine gebracht, zudem wurden zwar die für die „Übungen“ errichteten Militärbasen teilweise verlassen, Militärverbände stattdessen aber nur näher an die Grenze transportiert. Insbesondere in der Region um Belgorod und Kursk gab es erhebliche Truppenbewegungen zu verzeichnen. Dieses Szenario ähnelt dem Georgienkrieg im Jahre 2008, wo fünf Tage vor Anbeginn des Konfliktes Russland ebenfalls verkündete, in Folge eines abgeschlossenen Trainings ihre Soldaten abziehen zu wollen.

Im Donbass folgten daraufhin eine Reihe von False-Flag-Aktionen durch die Volksrepubliken, die bei der russischen und lokalen Bevölkerung die Motivation für weitere Eskalationen und den Krieg heben sollten. Diese wurden auch entsprechend dankbar von medialen Narrativen übernommen, obwohl darunter sehr offensichtliche Inszenierungen waren: Über die polnischen Spezialeinheiten die ein Ammoniaklager sprengen wollten, über Videobeweise die bereits zehn Tage vor der Tat aufgenommen wurden, ukrainische Selbstmordattentäter im Zentrum von Donezk oder ukrainische Einheiten, die problemlos separatistische Gebiete durchqueren konnten, nur um dann russisches Territorium zu betreten und dort getötet zu werden geht die Liste lang. Auch hier gilt wie in jedem Krieg: Die Wahrheit stirbt zuerst.

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