
Fast drei Monate bereits herrscht ein Krieg in der Ukraine, welcher sich immer weiter in Richtung Osten des Landes und darüber hinaus bewegt. Mit dem ukrainischen Sieg bei Charkiw öffnen sich für beide Seiten neue Möglichkeiten zur Verschiebung der eigenen Kräfte im Donbass, wo weiterhin schwere Gefechte stattfinden und Russland seit Monaten erfolglos versucht, ukrainische Einheiten zu umkreisen bzw. einzuschließen. Stattdessen scheinen die russischen Kriegsziele immer weiter zusammenzuschrumpfen, vor einem Monat existierte noch das formulierte Kriegsziel von der Eroberung der Donbass-Region, inzwischen scheint Russland immense Probleme damit zu haben, allein die ostukrainische Provinz Luhansk zu erobern.
Die russischen Ambitionen in der Ukraine scheinen immer weiter reduziert zu werden. Zu Anbeginn der „Zweiten Phase der russischen Spezialoperation“ war das ursprünglich formulierte Ziel, die gesamte Donbass-Region, also die Oblaste Luhansk und Donezk, zu erobern und darauf aufbauend eine Waffenruhe zu ersuchen. Nach den ausbleibenden militärischen Erfolgen unter hohen Verlusten wurden diese Hoffnung auf einen Kessel zwischen den Zangenvorstößen von Izium und Horliwka umgestellt, effektiv würde dies die Eroberung der urbanen Zentren wie Kramatorsk oder Slowjansk bedeuten. Nun scheint es eine erneute Korrektur zu geben, diesmal scheint man hingegen nur die Sicherung von Sievierodonetsk und Lysychansk anzustreben, effektiv bedeutet dies die Eroberung der Provinz Luhansk, während Donezk außen vor gelassen wird.
Denn seit der Eroberung der Frontstadt Popasna im Süden und den ständigen Landungsversuchen beim Dorf Bilohorivka im Norden gibt es eindeutige Anzeichen von einem versuchten Einkesselungsversuch mithilfe von zwei Vorstößen, die sich jeweils hinter den ukrainischen Frontlinien von Sievierodonetsk befinden. Popasna markiert in der Umgebung eine Erhöhung von mehreren hundert Metern, weshalb bereits jetzt schon russische Einheiten weiter nördlich davon vorrücken und die letzte Verbindung nach außen bedrohen, auch wenn sie seit Monaten von den ukrainischen Streitkräften erfolgreich gehalten werden konnte. Bilohorivka markiert hingegen das größte militärische Fiasko für Russland seit der Zerstörung des Moskwa-Raketenkreuzers. Veröffentlichte Drohnenaufnahmen zeigen inzwischen bis zu 80 zerstörte Militärfahrzeuge der russischen Armee und insgesamt drei zerstörte Versuche zur Errichtung eines Brückenkopfes über den Fluss Donets, der eine natürliche Verteidigungsbarriere für die Ukraine darstellt.
Solange Russland dort kein Durchbruch gelingt, wird die Situation für die ukrainischen Soldaten in der Region Luhansk relativ stabil bleiben, auch wenn es immer wieder Berichte von unzureichender Versorgung in Form von Munition, Kriegsgerät und Treibstoff so nahe an der Front gibt. Zuletzt konnten russische Truppen nach mehrfacher Ankündigung innerhalb von drei Wochen die Nachbarstadt von Sievierodonetsk, Rubischne, erobern und damit die Verteidiger zu den Stadttoren von Sievierodonetsk zurückwerfen. Der Ort ist nun von drei Seiten in Angriffsreichweite Russlands, es ist unklar wie lange sich die ukrainischen Einheiten vor Ort verteidigen können. Zumindest hatten sie Monate und Jahre Zeit, sich dort weiter zu verschanzen, immerhin befinden sich die Frontlinien von 2014 nicht weit davon entfernt.
Ansonsten gab es wenige Veränderungen zu verzeichnen. Die ukrainischen Kräfte konnten nun vollständig die russischen Soldaten bei der Millionenstadt Charkiw bis zu den internationalen Grenzen der zwei Staaten zurückdrängen, sodass die Großstadt nicht mehr im Visier russischer Artillerie ist. Einige Kämpfer der ostukrainischen Volksrepubliken sind deswegen im Niemandsland zwischen der Ukraine und Russland gefangen, da Russland ihnen den Zutritt verweigert aus unbekannten Gründen. Wegen der erfolgreichen Charkiw-Gegenoffensive soll Russland nun Teile ihrer Armee aus Izium zurückgezogen haben, wo sich ein großer Teil der am Ukrainekrieg beteiligten Einheiten befindet. Auf der anderen Seite des Grenzgebietes, bei dem russischen Ort Belgorod, wurden russische Luftabwehrsysteme in der letzten Nacht aktiviert, was auf einen ukrainischen Einsatz in der Region hindeutet. Bereits in der Vergangenheit war Belgorod regelmäßiges Ziel von Helikopter- und Drohnenangriffen auf vitale Infrastruktur wie Nachschubdepots oder Munitionslager, aber auch Sabotageakte wie die Zerstörung von Eisenbahnbrücken zählten dazu.

Dass die Situation in der Ukraine im Monat Februar erneut eskalieren würde, war bereits früh abzusehen. In den Monaten zuvor verlegte Russland einen Großteil seiner mobilen Streitkräfte an die ukrainisch-russische Grenze. Dies wurde mit den alljährlichen Trainingsmanövern begründet, jedoch war diese Entwicklung äußerst ungewöhnlich: Übungen werden normalerweise mit den vorhandenen Truppen innerhalb der insgesamt fünf Militärbezirke durchgeführt, in diesem Falle wurden jedoch russische Soldaten aus dem ganzen Land zusammengezogen, vor allem auch aus Sibirien. Mindestens 200.000 Soldaten sind daran laut dem OSZE beteiligt, darunter auch einige Einheiten der Nationalgarde wie tschetschenische Gruppierungen rund um den Verbündeten Ramsan Kadyrow. Zudem wurden die Truppenverlegungen auf Belarus und die Krim erweitert, wo sie in behelfsmäßig errichteten Militärquartiere unweit der Ukraine stationiert wurden, wie Satellitenbilder beweisen.
Das russische Verteidigungsministerium berichtete zwar, das nach dem Ende der Truppenübungen die involvierten Streitkräfte wieder abgezogen und zu ihren Heimatbasen zurückkehren sollte. In Wirklichkeit geschah jedoch das Gegenteil: Ununterbrochen wurden weitere Truppenverbände in die Nähe der Ukraine gebracht, zudem wurden zwar die für die „Übungen“ errichteten Militärbasen teilweise verlassen, Militärverbände stattdessen aber nur näher an die Grenze transportiert. Insbesondere in der Region um Belgorod und Kursk gab es erhebliche Truppenbewegungen zu verzeichnen. Dieses Szenario ähnelt dem Georgienkrieg im Jahre 2008, wo fünf Tage vor Anbeginn des Konfliktes Russland ebenfalls verkündete, in Folge eines abgeschlossenen Trainings ihre Soldaten abziehen zu wollen.
Im Donbass folgten daraufhin eine Reihe von False-Flag-Aktionen durch die Volksrepubliken, die bei der russischen und lokalen Bevölkerung die Motivation für weitere Eskalationen und den Krieg heben sollten. Diese wurden auch entsprechend dankbar von medialen Narrativen übernommen, obwohl darunter sehr offensichtliche Inszenierungen waren: Über die polnischen Spezialeinheiten die ein Ammoniaklager sprengen wollten, über Videobeweise die bereits zehn Tage vor der Tat aufgenommen wurden, ukrainische Selbstmordattentäter im Zentrum von Donezk oder ukrainische Einheiten, die problemlos separatistische Gebiete durchqueren konnten, nur um dann russisches Territorium zu betreten und dort getötet zu werden geht die Liste lang. Auch hier gilt wie in jedem Krieg: Die Wahrheit stirbt zuerst.