
Seit fast drei Monaten herrscht Krieg in der Ukraine, seit fast drei Monaten ist die östliche Hälfte des Landes von brutalen Gefechten und großer Zerstörung geprägt. Aktuell können die Ukraine und Russland beiderseits territoriale Verluste und Erfolge vorweisen, jedoch bleibt von der einst großangekündigten 2. Phase der „Demilitarisierungs-“ und „Denazifizierungsoperation“ wenig übrig, der Teilerfolg von der Eroberung der Donbass-Region liegt in weiter Ferne, stattdessen herrscht ein brutaler Abnutzungskrieg. Nun tauchen auch immer mehr Videos auf, die die Zerstörung russischen Equipments zeigen, welche unmöglich zu kompensieren sind. Ein langfristiger Erfolg scheint immer unwahrscheinlicher, auch wenn Russland erhebliche Reserven vorweisen kann.
Die Intensität der Gefechte in der Ostukraine lässt sich auch zuletzt an der Anzahl an Videos und Bildern belegen, die insbesondere in den letzten Tagen erheblich zugenommen haben. Darin ist zu sehen, wie man mithilfe schwerer Artillerie, neuerdings auch westliche Waffensysteme wie die aus den USA gelieferten M777-Haubitzen, Panzerabwehrwaffen und Drohnen Konvois und Fahrzeuge des russischen Militärs vernichtet. An einem Tag können dabei 30 bis 50 zerstörte Fahrzeuge visuell bestätigt werden, ein nicht zu unterschätzender Teil davon meistens Panzer und Truppentransporter. Das sind selbstverständlich keine Zahlen, die Russland mittelfristig kompensieren kann. Russland selber kann zumindest propagandistisch nicht annähernd solche Zahlen vorweisen, ohnehin hält sich die russische Seite mit Videos von zerstörten ukrainischen Fahrzeugen etc. auffällig zurück. Daraus ist ein gewisser Trend abzulesen.
Zuletzt rückt auch wieder Izium in den Mittelpunkt. Der Durchbruch dort wird weiter von Russland verfestigt, auch wenn seit Wochen keine nennenswerten Erfolge oder Bodengewinne verzeichnet werden konnten. Nun konnten sie das Dorf Velyka Komyschuwacha nach schweren Gefechten erobern. Westlich und östlich der Stadt Izium selber scheint die Ukraine sich in einem Zangengriff auf die Stadt zu versuchen, um die ganzen weiter südlichen stationierten Russen einzukreisen. Izium fungiert als ein Flaschenhals in der Region, flankiert von riesigen Wäldern, in denen die Ukraine derzeit versucht vorzustoßen, ist es die einzige asphaltierte Route entlang der Nord-Süd-Achse in einem größeren Umkreis. Weiter nordwestlich bei Charkiw trennen das von der Ukraine wiedereroberte Gebiet und die russisch-ukrainische Staatsgrenze nur noch zehn Kilometer, zuletzt konnte man den Ort Rubischne dort am Fluss Donets wiedererobern.
Die Donbassfront ist weiterhin von zwei Faktoren geprägt: Abnutzungskrieg und starren Frontlinien. Im nördlichen Abschnitt konnten ukrainische Streitkräfte weitere Dörfer nördlich von Charkiw wiedererobern, während man auf den Flaschenhals Izium vorrückt, das Ausmaß und die Erfolgsaussichten der Gegenoffensive in diesem Gebiet ist noch unklar. Der größte russische Gewinn ist aber weiter südlich in der Frontstadt Popasna, welche nach monatelangen Gefechten nun vollständig unter Kontrolle pro-russischer Separatisten und der russischen Armee steht. An der Eroberung beteiligt waren auch Söldner der Wagner-Privatarmee und tschetschenische Kämpfer, die diese strategisch wichtige Stadt sichern konnten, die sich auf einem Hügel befindet, welcher etwa 200 Meter über den Rest des Gebiet ragt. Dem ukrainischen Militär zufolge zog man sich nach der vollständigen Zerstörung des Ortes auf bessere Verteidigungspositionen in der Umgebung zurück, aufgrund der Topographie ist aber der tatsächliche Wert der neuen Defensivstellungen unklar.
Weiter nördlich errichteten russische Streitkräfte mindestens zwei Ponton-Brücken über den Fluss Donets und versuchten das Dorf Bilohoriwka zu erobern, welches aber ersten Berichten zufolge abgewehrt werden konnte. Zudem wurden die nur maximal drei Tage stehenden provisorischen Brücken über den Donets vernichtet wie Satellitenaufnahmen zeigen, wodurch russische Verbände südlich des Flusses gestrandet und isoliert waren, so zumindest berichtet Kiew. Zusammen mit dem Vorstoß bei Propasna scheint das nächstgrößere Ziel der russischen Kriegsführung die Eroberung bzw. Umkreisung von Siewierodonetsk und Lysychansk zu sein, was sich seit Anbeginn des Krieges als uneinnehmbare, urbane Festungen herausgestellt haben. Zudem würde damit der Oblast Luhansk vollständig unter russischer bzw. separatistischer Kontrolle fallen, Eines der öffentlich kommunizierten Ziele Russlands.

Dass die Situation in der Ukraine im Monat Februar erneut eskalieren würde, war bereits früh abzusehen. In den Monaten zuvor verlegte Russland einen Großteil seiner mobilen Streitkräfte an die ukrainisch-russische Grenze. Dies wurde mit den alljährlichen Trainingsmanövern begründet, jedoch war diese Entwicklung äußerst ungewöhnlich: Übungen werden normalerweise mit den vorhandenen Truppen innerhalb der insgesamt fünf Militärbezirke durchgeführt, in diesem Falle wurden jedoch russische Soldaten aus dem ganzen Land zusammengezogen, vor allem auch aus Sibirien. Mindestens 200.000 Soldaten sind daran laut dem OSZE beteiligt, darunter auch einige Einheiten der Nationalgarde wie tschetschenische Gruppierungen rund um den Verbündeten Ramsan Kadyrow. Zudem wurden die Truppenverlegungen auf Belarus und die Krim erweitert, wo sie in behelfsmäßig errichteten Militärquartiere unweit der Ukraine stationiert wurden, wie Satellitenbilder beweisen.
Das russische Verteidigungsministerium berichtete zwar, das nach dem Ende der Truppenübungen die involvierten Streitkräfte wieder abgezogen und zu ihren Heimatbasen zurückkehren sollte. In Wirklichkeit geschah jedoch das Gegenteil: Ununterbrochen wurden weitere Truppenverbände in die Nähe der Ukraine gebracht, zudem wurden zwar die für die „Übungen“ errichteten Militärbasen teilweise verlassen, Militärverbände stattdessen aber nur näher an die Grenze transportiert. Insbesondere in der Region um Belgorod und Kursk gab es erhebliche Truppenbewegungen zu verzeichnen. Dieses Szenario ähnelt dem Georgienkrieg im Jahre 2008, wo fünf Tage vor Anbeginn des Konfliktes Russland ebenfalls verkündete, in Folge eines abgeschlossenen Trainings ihre Soldaten abziehen zu wollen.
Im Donbass folgten daraufhin eine Reihe von False-Flag-Aktionen durch die Volksrepubliken, die bei der russischen und lokalen Bevölkerung die Motivation für weitere Eskalationen und den Krieg heben sollten. Diese wurden auch entsprechend dankbar von medialen Narrativen übernommen, obwohl darunter sehr offensichtliche Inszenierungen waren: Über die polnischen Spezialeinheiten die ein Ammoniaklager sprengen wollten, über Videobeweise die bereits zehn Tage vor der Tat aufgenommen wurden, ukrainische Selbstmordattentäter im Zentrum von Donezk oder ukrainische Einheiten, die problemlos separatistische Gebiete durchqueren konnten, nur um dann russisches Territorium zu betreten und dort getötet zu werden geht die Liste lang. Auch hier gilt wie in jedem Krieg: Die Wahrheit stirbt zuerst.