9. Mai als letzte Rettung?

Der Krieg in der Ostukraine geht unvermindert weiter, seit Tagen und Wochen versuchen russische Streitkräfte durch eine regionale Schwerpunktsetzung einen militärischen Durchbruch in der Donbass-Region zu erringen, bisher mit überschaubarem Erfolg. Trotz der Eroberung kleinerer Dörfer, die nur unter erheblichen Verlusten erfolgen, ist die Moral auf ukrainischer Seite ungebrochen, der Großteil der seit acht Jahren errichteten Verteidigungsanlagen können den ständigen Erstürmungsversuchen standhalten. Es ist unklar über welche offensiven Kapazitäten Russland noch verfügt, zumindest schwinden sie Tag für Tag zunehmend. Deswegen gibt es Gerüchte über Massemobilisierungen und Kriegserklärungen am 9. Mai, dem Großen Tag des Sieges, die nicht nur die Ukraine betreffen könnten.

Dir Konzentration der russischen und ukrainischen Kräfte liegt weiterhin in den Territorien des Lughansker und Donezker Oblast, die weiterhin von der ukrainischen Regierung kontrolliert werden. Ein großer Teil davon in und um der Stadt Izium, welche von Russland vor etwa zwei Wochen erobert und dessen Sicherung seitdem nur spärlich für weitere Eroberungszüge genutzt werden konnte in der Umgebung. Gerade in den letzten Tagen blieben neue russische Gewinne aus, auch wenn sich dies jederzeit ändern kann. Weiter östlich verläuft die Frontlinie weiterhin durch und an den Orten Rubischne und Sievierdonetsk, dort haben sich ukrainische Einheiten von Lyman hinter den Fluss zurückgezogen, wodurch sie über bessere Abwehrstellungen verfügen. Die Zangenbewegung im Süden, wodurch die Ukraine im Donbass eingekreist werden könnten, hat sich seit jeher nicht bewegt.

Ukrainische Kräfte rücken weiterhin um die Millionenstadt Charkiw vor und können dort weitere Dörfer auf dem Weg zur russischen Grenze zurückerobern. Durch diese Gegenoffensive ist Russland gezwungen, wahlweise weitere Territorium um Charkiw zu verlieren oder stattdessen Truppen von Izium und dem Donbass in die Region zu verlegen, wodurch die ohnehin schon stockende Großoffensive der russischen Armee noch weiter in ihren Erfolgsaussichten zurückgeworfen wird. Parallel dazu intensiviert die Ukraine überterritoriale Angriffe auf Russland, immer wieder werden in den Grenzgebieten von Kursk und Belgorod Treibstofflager, Eisenbahngleise und Munitionslager zerstört. Das führt auch zu vermehrten Abschüssen ukrainischer Drohnen im Gebiet. Ein Zeichen dafür, dass das ukrainische Militär höhere Risiken eingeht und damit über ein ausreichendes Arsenal an Angriffsdrohnen verfügt, konträr zu russischen Darstellungen.

Jedoch ist das nur eine Theorie, für Russland und die Ukraine gibt es kaum Informationen über das noch verfügbare Arsenal. Die Ukraine erhält dafür immer größere Waffen- und Fahrzeuglieferungen aus dem Westen und den Nachbarländern, während Russland auf die riesigen, aber teilweise wohl kaum funktionsfähigen Reserven setzen kann. Mit insgesamt über 3.300 visuell bestätigten Verlusten an Kriegsgerät auf russischer und 950 auf ukrainischer Seite handelt es sich für beide Länder um immense Einbuße. Die USA schätzt, dass Russland nur noch über 70% der anfänglichen Kampfstärke verfügt, ab 20% Verlusten gelten Einheiten als kriegsuntauglich. Die russischen Reserven dabei basieren auf reinen Mutmaßungen, zumindest aber haben sie bereits seit Anfang an ihr modernstes Equipment aufgeben müssen, Tag für Tag werden die russischen Streitkräfte also entsprechend schwächer auf den Schlachtfeldern.

Wegen dieser Zustände gehen die Meldungen um, dass propagandistisch und symbolisch wirksam eine Kriegserklärung und damit verbundene Mobilisierung der russischen Bevölkerung am 9. Mai, wo die Sowjetunion über das Dritte Reich triumphierte, von Wladimir Putin verkündet wird. Dieses Gerücht basiert einzig auf der Annahme, dass eine Mobilisierung die einzige logische Konsequenz für Russland wäre, um noch im Ukrainekrieg siegreich hervorgehen zu können, der neunte Mai wäre dafür der geeignetste Tag aus den genannten Gründen. Das bisherige Verhalten der russischen Regierung zeigt aber wesentlichen Widerstand gegen eine solche Maßnahme, welche politischer und wirtschaftlicher Selbstmord werden könnte. Bisher versuchte man, Freiwillige mithilfe üppiger Löhne zu rekrutieren, mit mäßigem Erfolg. Die existierenden Probleme wie schlechte Moral oder Logistikprobleme würden damit nur verschärft werden, historisch gingen solche Massenmobilisierungen für Russland nur selten gut aus.

Dass die Situation in der Ukraine im Monat Februar erneut eskalieren würde, war bereits früh abzusehen. In den Monaten zuvor verlegte Russland einen Großteil seiner mobilen Streitkräfte an die ukrainisch-russische Grenze. Dies wurde mit den alljährlichen Trainingsmanövern begründet, jedoch war diese Entwicklung äußerst ungewöhnlich: Übungen werden normalerweise mit den vorhandenen Truppen innerhalb der insgesamt fünf Militärbezirke durchgeführt, in diesem Falle wurden jedoch russische Soldaten aus dem ganzen Land zusammengezogen, vor allem auch aus Sibirien. Mindestens 200.000 Soldaten sind daran laut dem OSZE beteiligt, darunter auch einige Einheiten der Nationalgarde wie tschetschenische Gruppierungen rund um den Verbündeten Ramsan Kadyrow. Zudem wurden die Truppenverlegungen auf Belarus und die Krim erweitert, wo sie in behelfsmäßig errichteten Militärquartiere unweit der Ukraine stationiert wurden, wie Satellitenbilder beweisen.

Das russische Verteidigungsministerium berichtete zwar, das nach dem Ende der Truppenübungen die involvierten Streitkräfte wieder abgezogen und zu ihren Heimatbasen zurückkehren sollte. In Wirklichkeit geschah jedoch das Gegenteil: Ununterbrochen wurden weitere Truppenverbände in die Nähe der Ukraine gebracht, zudem wurden zwar die für die „Übungen“ errichteten Militärbasen teilweise verlassen, Militärverbände stattdessen aber nur näher an die Grenze transportiert. Insbesondere in der Region um Belgorod und Kursk gab es erhebliche Truppenbewegungen zu verzeichnen. Dieses Szenario ähnelt dem Georgienkrieg im Jahre 2008, wo fünf Tage vor Anbeginn des Konfliktes Russland ebenfalls verkündete, in Folge eines abgeschlossenen Trainings ihre Soldaten abziehen zu wollen.

Im Donbass folgten daraufhin eine Reihe von False-Flag-Aktionen durch die Volksrepubliken, die bei der russischen und lokalen Bevölkerung die Motivation für weitere Eskalationen und den Krieg heben sollten. Diese wurden auch entsprechend dankbar von medialen Narrativen übernommen, obwohl darunter sehr offensichtliche Inszenierungen waren: Über die polnischen Spezialeinheiten die ein Ammoniaklager sprengen wollten, über Videobeweise die bereits zehn Tage vor der Tat aufgenommen wurden, ukrainische Selbstmordattentäter im Zentrum von Donezk oder ukrainische Einheiten, die problemlos separatistische Gebiete durchqueren konnten, nur um dann russisches Territorium zu betreten und dort getötet zu werden geht die Liste lang. Auch hier gilt wie in jedem Krieg: Die Wahrheit stirbt zuerst.

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