
Die lang erwartete Befürchtung scheint nun Realität geworden zu sein: Russische Streitkräfte starteten im Osten der Ukraine ihre große Militäroffensive auf breiter Front, die nach nach zwei Monaten Krieg somit die 2. Phase dieses Konfliktes einläutet in der russischen Hoffnung, durch eine regionale Schwerpunktsetzung diesmal größere Erfolge erzielen zu können. Dies wurde zuerst von der ukrainischen Regierung berichtet, Russland zog kurz daraufhin nach. Russische Einheiten scheinen nicht nennenswert vorgerückt zu sein, stattdessen aber haben die russischen Artillerie-, Luft- und Raketenangriffe erheblich zugenommen. Unter den Zielen der ersten Salven scheinen offenbar vor allem Bereiche in den Städten wie Mikolajew und Charkiw zu liegen, fernab militärischer Basen.
Die ukrainische Regierung verkündete zuerst in der Nacht zum Dienstag die Nachricht, dass die russische Operation gestartet hätte. Einen Tag später zog ebenfalls der russische Außenminister Lawrow mit der Ankündigung nach, dass die zweite Phase der russischen Militäroffensive starten würde. Auch wenn es bereits in den Wochen und Tagen zuvor zu schweren Gefechten zwischen ukrainischen Soldaten, russischen Einheiten und den pro-russischen Verbündeten in der Donbass-Region gekommen ist, waren die Kämpfe und Angriffe der vergangenen Nacht von einer nochmals besonderen Intensität geprägt. Hunderte Raketen, Artilleriegeschosse und Luftschläge trafen die ukrainischen Verteidigungsstellungen, das destruktive Ausmaß ungewiss.
Besonders schwer getroffen wurde auch die südukrainische Hafenstadt Mikolajew, welche etwa 50 Kilometer von den Frontlinien von Kherson entfernt liegt. Videos von dort zeigen insbesondere Angriffe auf Wohnviertel der Stadt, getroffene militärische Ziele sind nicht bekannt, könnten aber in den kommenden Tagen veröffentlicht werden. Ein chronisches Problem der russischen Kriegsführung ist die geringe Menge an Präzisionswaffen, die über einen solch großen und längeren Konflikt genutzt werden könnten. Dies führte bereits mehrmals dazu, dass eigentlich angepeilte Ziele verfehlt wurden. Ähnlichen Artilleriesalven waren weite Frontabschnitte im Donbass ausgesetzt, wie Soldaten an der Front mitteilen.
Unklar ist, wie lange dieser exzessive Einsatz von Raketen etc. von Seiten Russlands andauern wird. Es entspricht der üblichen Strategie, zunächst die feindlichen Stellungen damit zu zermürben und daraufhin in die Erstürmung überzugehen, jedoch sind viele der dafür notwendigen Parameter unbekannt: Sowohl über das vorhandene russische Arsenal wie z.B. Raketensysteme als auch die Kapazitäten von Bodeneinheiten, die ja erst vor kurzem und ohne Pause von der Nordukraine in den Osten gebracht wurden. Höhergestelltes Ziel ist für Russland dabei die Eroberung des Donbass, also den von den ostukrainischen Volksrepubliken beanspruchten Territorien, und die Umkreisung großer ukrainischer Militärverbände. Während das erste Ziel möglich ist, würde die zweite Priorität eine besondere Menge an eingesetztem Material bedeuten, die möglicherweise Russland nicht mal mehr besitzt.
Allgemein wird angenommen, dass diese zweite Phase des Ukrainekrieges für beide Seite besonders blutreich und von einzigartiger Brutalität geprägt sein wird, da sich das Gros der jeweiligen Streitkräfte dort konzentriert hat und es allgemein als eine kriegsentscheidende Schlacht angesehen wird. Inwiefern sich aber dieses Szenario bewahrheiten wird lässt sich nur durch die Zukunft beantworten.

Dass die Situation in der Ukraine im Monat Februar erneut eskalieren würde, war bereits früh abzusehen. In den Monaten zuvor verlegte Russland einen Großteil seiner mobilen Streitkräfte an die ukrainisch-russische Grenze. Dies wurde mit den alljährlichen Trainingsmanövern begründet, jedoch war diese Entwicklung äußerst ungewöhnlich: Übungen werden normalerweise mit den vorhandenen Truppen innerhalb der insgesamt fünf Militärbezirke durchgeführt, in diesem Falle wurden jedoch russische Soldaten aus dem ganzen Land zusammengezogen, vor allem auch aus Sibirien. Mindestens 200.000 Soldaten sind daran laut dem OSZE beteiligt, darunter auch einige Einheiten der Nationalgarde wie tschetschenische Gruppierungen rund um den Verbündeten Ramsan Kadyrow. Zudem wurden die Truppenverlegungen auf Belarus und die Krim erweitert, wo sie in behelfsmäßig errichteten Militärquartiere unweit der Ukraine stationiert wurden, wie Satellitenbilder beweisen.
Das russische Verteidigungsministerium berichtete zwar, das nach dem Ende der Truppenübungen die involvierten Streitkräfte wieder abgezogen und zu ihren Heimatbasen zurückkehren sollte. In Wirklichkeit geschah jedoch das Gegenteil: Ununterbrochen wurden weitere Truppenverbände in die Nähe der Ukraine gebracht, zudem wurden zwar die für die „Übungen“ errichteten Militärbasen teilweise verlassen, Militärverbände stattdessen aber nur näher an die Grenze transportiert. Insbesondere in der Region um Belgorod und Kursk gab es erhebliche Truppenbewegungen zu verzeichnen. Dieses Szenario ähnelt dem Georgienkrieg im Jahre 2008, wo fünf Tage vor Anbeginn des Konfliktes Russland ebenfalls verkündete, in Folge eines abgeschlossenen Trainings ihre Soldaten abziehen zu wollen.
Im Donbass folgten daraufhin eine Reihe von False-Flag-Aktionen durch die Volksrepubliken, die bei der russischen und lokalen Bevölkerung die Motivation für weitere Eskalationen und den Krieg heben sollten. Diese wurden auch entsprechend dankbar von medialen Narrativen übernommen, obwohl darunter sehr offensichtliche Inszenierungen waren: Über die polnischen Spezialeinheiten die ein Ammoniaklager sprengen wollten, über Videobeweise die bereits zehn Tage vor der Tat aufgenommen wurden, ukrainische Selbstmordattentäter im Zentrum von Donezk oder ukrainische Einheiten, die problemlos separatistische Gebiete durchqueren konnten, nur um dann russisches Territorium zu betreten und dort getötet zu werden geht die Liste lang. Auch hier gilt wie in jedem Krieg: Die Wahrheit stirbt zuerst.