Ukraine versenkt russisches Flaggschiff

Hohe Wellen schlägt die Zerstörung des russischen Raketenkreuzers „Moskwa“ im Schwarzen Meer, der Verlust des eigenen Flaggschiffes inmitten einer geglaubten Seehoheit wird nicht einfach zu ignorieren sein. Nachdem die letzten Tage im Ukrainekrieg vergleichsweise ruhig waren, brechen mehrere Ereignisse zugleich diese Funkstelle: Der Verlust des Flaggschiffes, ukrainische Raketenangriffe auf russisches Territorium und Erfolge Russlands in der seit fast seit zwei Monaten umkämpften Hafenstadt Mariupol prägen aktuell das Geschehen, welches sich im Osten und Süden des Landes ereignet. Aufgrund der erheblichen und immer schwerer versteckbaren Verluste Russlands in diesem Konflikt verstärken sich die Gerüchte, wonach die russische Regierung nun auch offiziell von ihrem Narrativ einer „Spezialoperation“ abrücken und einen Krieg verkündigen wird.

Der Verlust des Raketenkreuzers Moskwa, das Flaggschiff der russischen Flottille des Schwarzen Meeres, ist zweifelsohne eine herbe Niederlage. Die Moskwa wurde von zwei Neptun-Antischiffsraketen getroffen worden sein, die von der Ukraine selber entwickelt und produziert wurden. Eigentlich galten sie noch nicht als einsatzbereit, was sich aber als falsch herausgestellt hat. Unterstützung erhielten die Ukrainer dabei von einer Bayraktar-Angriffsdrohne aus türkischer Produktion, die den Kreuzer abgelenkt haben soll. Russland zufolge kam es zu keiner Fremdeinwirkung, vielmehr sei ein Munitionslager explodiert, während die Moskwa letzten Endes bei der Abschleppung aufgrund des stürmischen Wetters untergegangen ist. Das Schicksal der 500 Personen zählenden Besatzung ist unklar.

Sowohl militärisch als auch symbolisch war das Schiff von besonderer Bedeutung, immerhin war es der größte und wichtigste Kreuzer für Russland vor Ort, wobei er vor allem eine passable Luftabwehr für den Rest der russischen Boote bot. Sein Verlust schwächt damit nicht nur die Verteidigung im Schwarzen Meer und der Krim, sondern macht auch amphibische Landungen in der Umgebung von Odessa unwahrscheinlicher, da den Landungsbooten ein entscheidender Teil der Luftabwehr fehlt und die Ukraine bewiesen hat, ihre Küsten verteidigen zu können. Aufgrund der ausbleibenden militärischen Erfolge am Land ist eine Landung entlang der verbliebenen ukrainischen Küste ohnehin äußerst unwahrscheinlich gewesen, erlaubt aber nun die Verlagerung ukrainischer Verbände von z.B. Odessa in den Osten des Landes.

Symbolisch ist das Senken eines Flagschiffes selbsterklärend von besonderer Bedeutung, gerade wenn es den Namen der eigenen Hauptstadt trägt. Selbst auf dem Seeweg, wo der Großteil der ukrainischen Marine zerstört oder seeuntauglich ist, kann die Ukraine gegenüber den überlegen scheinenden Gegner schwere Verluste zufügen. Mit der Ausnahme des Falklandkrieges wurde seit dem Ende des 2. Weltkrieges kein derart großes Kriegsschiff versenkt. Zudem war die Moskwa bei dem Angriff auf die Schlangeninsel beteiligt, bei der angeblich dutzende ukrainische Soldaten eine Kapitulation trotz aussichtsloser Situation ablehnten und stattdessen von u.a. diesem Schiff bombardiert wurden. Es gibt zwar erhebliche Zweifel an dieser ukrainischen Darstellung, nichtsdestotrotz ist dieser Narrativ in der ukrainischen Heldenerzählung fest verankert. Für Russland ist eine solche Niederlage schwer zu verstecken.

Die Moskwa ist dabei kein Einzelfall. In der russischen Grenzregion Belgorod scheint es inzwischen vereinzelt Kämpfe und Angriffe bis tief in das russische Territorium hinein zu geben, nachdem russische Truppen der Nordukraine den Rücken kehrten und dort somit die regulären Grenzen zwischen den zwei Staaten wiederhergestellt wurden. Diese neue Situation scheint von der Ukraine unlängst genutzt zu werden, um zumindest Raketenangriffe auf den gleichnamigen Oblast zu starten. In der letzten Nacht wurde womöglich ein weiteres Treibstofflager getroffen, Anwohner berichten von riesigen Flammenherden in der Provinzhauptstadt Belgorod. Am Tag zuvor wurde die lokale Raketenabwehr aktiviert, welche womöglich mehrere ukrainische Projektile zerstören konnte. Das Grenzdorf Zhuravlevka wurde lokalen Behörden zufolge von ukrainischer Artillerie angegriffen. Auch wenn die Ukraine den Krieg sukzessive nach Russland treibt, bleibt es auf einem niedrigen Intensitätsniveau und es wird wohl zu keinen territorialen Eroberungen kommen, da dies eine Vollmobilisierung Russlands zur Folge haben könnte.

In der Vergangenheit attackierte die Ukraine bereits mindestens drei Mal Ziele in dem gleichnamigen Oblast von Belgorod. Ende März detonierte ein Munitionslager in einem Dorf unweit der Stadt, der genaue Hintergrund dafür ist aber unklar. Eine Woche später kam es zu einem spektakulären Flugmanöver von zwei ukrainischen Kampfhubschraubern, welche möglichst tief flogen um von den feindlichen Radaren unentdeckt zu bleiben, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Treibstofflager inmitten der 70 Kilometer von der Ukraine entfernten Stadt zerstörten. Zwar bekannte sich die Ukraine bis heute nicht dazu, jedoch sprechen alle Indikatoren dafür. Zuletzt wurde eine Eisenbahnbrücke am Montag schwer beschädigt, die den Gleisverkehr in der Umgebung entsprechend vorerst lahmlegen wird.

Ein Blick auf die Frontlinien zeigt wenig Veränderungen. In der Südukraine konnten ukrainische Einheiten näher an die Oblasthauptstadt Kherson vorrücken, sodass der Ort nun in Artilleriereichweite sein soll. Zum wiederholten Male wurde der Flughafen der Stadt angegriffen, auf dem früher russische Helikopter stationiert wurden. Kherson mit seinen 300.000 Einwohnern liegt nördlich des Dnepr, dem zentralen Fluss durch die Ukraine. Durch ihn ergibt sich eine natürliche Barriere im Süden, die für die Ukraine und Russland zum Vorteil ist, je nachdem wer den Verteidiger bildet. Eine Eroberung der Stadt wäre also entsprechend möglich für die Ukraine, ein weiteres Vorrücken in Richtung Süden jedoch nicht. Nur zwei Straßen- und eine Eisenbahnbrücke überqueren in der Region den Fluss. In Mariupol konnten russische Einheiten den Asowstal-Industriekomplex komplett sichern, wodurch das Gebiet der ukrainischen Verteidiger nur noch auf ein sehr kleines Areal entlang der Küste zusammengeschrumpft ist. Ein russischer Sieg rückt damit immer näher vor Ort.

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