
Einen Monat seit der russischen Offensive in der Ukraine können beide Seiten noch weiterhin beachtliche Kräfte entlang der gesamten, weite Teile des Landes umschließende Frontabschnitte mobilisieren und somit diesen Krieg ungemindert weiterführen. Erstmals beginnen die ukrainischen Streitkräfte derweil mit lokal begrenzten Gegenoffensiven im Norden und Süden des Landes, dort wo Russland bereits erhebliche Verluste erlitten hat und vermehrt verbündeten Gruppierungen einsetzt. Diese sind bisher eher kleinerer Natur, jedoch beweisen sie die immer noch vorhandenen Militärkapazitäten auf ukrainischer Seite, nachdem Russland behauptete, die Ukraine innerhalb weniger Tage „demilitarisiert“ zu haben. Diese Gegenangriffe können bisher bereits erste Erfolge vorweisen, unklar sind jedoch die tatsächlichen Erfolgsaussichten.
Die Gegenoffensiven der ukrainischen Armee hatten in den letzten Tagen ihren Schwerpunkt in der nordöstlichen Region von Charkiw, Sumy und im Süden bei Kherson, der größten, derzeit unter russischer Kontrolle stehenden Stadt. Bei Sumy wurde offenbar die Belagerung der Stadt aufgehoben, indem die Orte Trostjanets, Boromolja und Krasnopolja erobert wurden. Dabei konnten die ukrainischen Kräfte dutzende Fahrzeuge der russischen Armee erbeuten. Auch Grenzdörfer wie Slavgorod oder Porozok konnten gesichert werden, wodurch nun in der Region die international anerkannte russisch-ukrainische Grenze wiederhergestellt wurde. Bei Charkiw ergab sich ein ähnliches Ergebnis, durch die Wiedereroberung umliegender Orte befindet sie sich nun teilweise nicht mehr in Artilleriereichweite, welcher die Millionenstadt seit einem Monat ausgesetzt war.
Auffällig sind hierbei die Meldungen, wonach im Norden des Landes nun vermehrt Kämpfer der ostukrainischen Volksrepubliken, also Luhansk und Donetzk, gesichtet wurden und das Gros der militärischen Aktionen von den Russen übernommen haben. Sollte sich dies bewahrheiten, dann deutet das auf die veränderten Interessen Russlands hin, die bereits vor mehreren Tagen angekündigt haben, sich eher auf den Osten des Landes zu konzentrieren. Die separatistischen Milizen sind wesentlich schlechter ausgerüstet, ausgebildet und von eher niedriger Moral geprägt, weshalb die ukrainischen Einheiten wenig Probleme mit ihnen selber haben würden.
Auch fernab des Nordostens gibt es von ukrainischer Seite einige Fortschritte zu vermerken. Im Süden befindet man sich etwa 20 Kilometer von der gleichnamigen Provinzhauptstadt Kherson entfernt, nachdem alle russischen Offensiven auf die weiter nördlich gelegene Hafenstadt Mikolajew erfolgreich abgewehrt werden konnten. Kherson liegt nördlich des Flusses Dnepr und ist dementsprechend einfach für die Ukraine angreifbar, vor allem weil es regelmäßig in dem Ort zu größeren Protesten der Bevölkerung gegen die russische Besatzung kommt. Die Situation um Kiew ist wesentlich unklarer, da die russischen Truppen am Montag ihre Offensive auf die Hauptstadt wiederaufgenommen hat, vom Nordwesten und Osten. Ukrainische Berichte von einer erfolgreichen Umkreisung im Nordwesten erweisen sich dadurch als falsch.
Russland kann aber ebenfalls eigene Erfolge vorweisen. In der Ostukraine und Mariupol kann man langsam aber stetig vorrücken, Mariupol befindet sich nur noch zu etwa 30% unter ukrainischer Kontrolle. Ein Teil der Verteidiger soll nur noch in isolierten Exklaven ausharren, wodurch sie leichter zu eliminieren sind. Zudem konnte man die Schlacht um Izium im Oblast Charkiw für sich entscheiden, nachdem der Ort tagelang den Besitzer wechselte. Die Stadt ist für die ukrainische Versorgung an der östlichen Front von besonderer Bedeutung, die Befürchtungen eines Kessels dort ist dadurch wahrscheinlicher geworden, auch wenn dies weit entfernt bleibt. Derzeit sollen Vorbereitungen für eine Offensive auf Sievierdonezk laufen, die letzte von der Ukraine gehaltene Stadt in der Provinz Luhansk.

Dass die Situation in der Ukraine im Monat Februar erneut eskalieren würde, war bereits früh abzusehen. In den Monaten zuvor verlegte Russland einen Großteil seiner mobilen Streitkräfte an die ukrainisch-russische Grenze. Dies wurde mit den alljährlichen Trainingsmanövern begründet, jedoch war diese Entwicklung äußerst ungewöhnlich: Übungen werden normalerweise mit den vorhandenen Truppen innerhalb der insgesamt fünf Militärbezirke durchgeführt, in diesem Falle wurden jedoch russische Soldaten aus dem ganzen Land zusammengezogen, vor allem auch aus Sibirien. Mindestens 200.000 Soldaten sind daran laut dem OSZE beteiligt, darunter auch einige Einheiten der Nationalgarde wie tschetschenische Gruppierungen rund um den Verbündeten Ramsan Kadyrow. Zudem wurden die Truppenverlegungen auf Belarus und die Krim erweitert, wo sie in behelfsmäßig errichteten Militärquartiere unweit der Ukraine stationiert wurden, wie Satellitenbilder beweisen.
Das russische Verteidigungsministerium berichtete zwar, das nach dem Ende der Truppenübungen die involvierten Streitkräfte wieder abgezogen und zu ihren Heimatbasen zurückkehren sollte. In Wirklichkeit geschah jedoch das Gegenteil: Ununterbrochen wurden weitere Truppenverbände in die Nähe der Ukraine gebracht, zudem wurden zwar die für die „Übungen“ errichteten Militärbasen teilweise verlassen, Militärverbände stattdessen aber nur näher an die Grenze transportiert. Insbesondere in der Region um Belgorod und Kursk gab es erhebliche Truppenbewegungen zu verzeichnen. Dieses Szenario ähnelt dem Georgienkrieg im Jahre 2008, wo fünf Tage vor Anbeginn des Konfliktes Russland ebenfalls verkündete, in Folge eines abgeschlossenen Trainings ihre Soldaten abziehen zu wollen.
Im Donbass folgten daraufhin eine Reihe von False-Flag-Aktionen durch die Volksrepubliken, die bei der russischen und lokalen Bevölkerung die Motivation für weitere Eskalationen und den Krieg heben sollten. Diese wurden auch entsprechend dankbar von medialen Narrativen übernommen, obwohl darunter sehr offensichtliche Inszenierungen waren: Über die polnischen Spezialeinheiten die ein Ammoniaklager sprengen wollten, über Videobeweise die bereits zehn Tage vor der Tat aufgenommen wurden, ukrainische Selbstmordattentäter im Zentrum von Donezk oder ukrainische Einheiten, die problemlos separatistische Gebiete durchqueren konnten, nur um dann russisches Territorium zu betreten und dort getötet zu werden geht die Liste lang. Auch hier gilt wie in jedem Krieg: Die Wahrheit stirbt zuerst.