Selbst der Süden scheitert

Auch das Ende der dritten Kriegswoche verspricht keine Hoffnung auf Frieden in der Ukraine, nachdem das Land Ende Februar das Ziel einer groß angelegten Militäroffensive Russlands geworden ist. Trotz der optimistischen Haltung der Diplomaten beider Länder befindet sich keine Waffenruhe in Aussicht, stattdessen ist der Alltag der Ukraine weiterhin von Zerstörung und Gewalt geprägt. Nachdem der russischen Armee Tag für Tag die offensiven Kapazitäten schwinden und man sogar in der einst aussichtsreichen Südfront in die Defensive gezwungen wird, scheint das russische Militär stattdessen in neue Taktiken überzugehen: Zermürbung und Demoralisierung mithilfe von schweren Artillerie-, Flughafen und Raketensalven sollen die bisher verteidigen Städte zur Aufgabe zwingen. Russische Reserveeinheiten werden dafür aus dem ganzen Land zusammengezogen.

Auch das Ende der dritten Woche ist von schweren Gefechten an allen Frontabschnitten geprägt, auch weiterhin können die russischen Streitkräfte kaum neue Territorien erobern. In den nordwestlichen und nordöstlichen Vororten von Kiew gibt es brutale Kämpfe zwischen den beiden Seiten, die bisher von keiner Fraktion für sich entschieden werden konnten. In den nordöstlichen Städten der Ukraine wie Tschernigow, Sumy und Charkiw können die teilweise eingeschlossenen ukrainischen Soldaten ihre Städte halten, auch wenn Russland zunehmend Raketenartillerie und Luftbombardements einsetzt. Sogar im Süden, wo zu Beginn russische Truppen ihre größten Erfolge feiern und neben einer Verbindung zwischen dem Donbass und der Krim auch die Kontrolle über den Oblast Kherson herstellen konnte, gibt es kaum noch Fortschritte. Westliche Geheimdienste vertreten sogar die Ansicht, dass aufgrund der innerhalb von zwei Wochen erlittenen Verluste Russland kaum noch offensive Kapazitäten besitzt und dementsprechend zu einem defensiveren Modus wechseln wird, wo der Einsatz von Raketen, Artillerie etc. einen noch höheren Stellenwert einnehmen wird.

Bisher beißt sich die russische Armee weiterhin an dem 70 Kilometer von Kherson entfernten Hafenstadt Nikolajew aus, welches zumindest zeitweise versucht wurde weiter nördlich zu umgehen und sich damit in keine urbanen Häuserkämpfe einzulassen. Jedoch scheint dieser Plan nicht aufgegangen zu sein, denn ukrainische Einheiten rückten in den letzten Tagen wohl näher an Kherson wieder heran, zumindest nahe genug, um mithilfe von Artillerie den örtlichen Flughafen zu beschießen. Innerhalb von zwei Wochen wurden auf diesem Flugfeld bis zu 15 Kampfhubschrauber der russischen Luftstreitkräfte zerstört oder zumindest beschädigt, wie diverse Satellitenbilder beweisen. Aufgrund der schieren Masse an Equipment auf derart kleinem Raum muss Russland jedes mögliche Flugfeld für ihre Operation nutzen, selbst wenn es wie hier scheinbar in Schussreichweite der Ukraine steht. Das markiert einen herben Verlust, immerhin wurde die Anzahl der zerstörten Helikopter dadurch verdoppelt.

Mikolajew ist dahingehend wichtig, da es das letzte urbane Hindernis auf dem Weg nach Odessa, der drittgrößten Stadt der Ukraine, darstellt. In den letzten Tagen wurden vermehrt russische Schlacht- und Landungsschiffe vor der Küste der Region gesichtet, lokale Behörden gehen von einer baldigen russischen Angriff vom Schwarzen Meer aus. Ohne einen Durchbruch in Mikolajew erscheint ein Erfolg dieser Operation aber äußerst unwahrscheinlich. Mariupol ist weiterhin die am stärksten umkämpfte Stadt im gesamten Land. Der einst 400.000 Einwohner zählende Ort ist das letzte Puzzleteil für die effektive Landverbindung zwischen der Donbassregion und der Krim, ein wichtiger Etappenerfolg für Russland und eventuelle Verhandlungsmasse für die andauernden Gespräche zwischen Russland und der Ukraine.

Diese sollen bisher von relativ wenig Fortschritten gekrönt sein, auch wenn sowohl Präsident Zelensky als auch der russische Außenminister Lawrow immer wieder von „Annäherungen“ und „optimistischen Schritten“ berichten, ohne aber konkreter zu werden. Aktuell soll das österreichische/schwedische Modell in Gespräch gewesen sein, was die Ukraine zu einer Neutralität im Zusammenhang mit Militärbündnissen zwingen würde, ansonsten aber ihre souveränen Rechte wie einem stehenden Militär oder dem EU-Beitritt beibehalten würde. Dies wurde kurzerhand von der Ukraine aber abgelehnt. Zumindest aber offenbart das erhebliche Eingeständnisse von russischer Seite, welches zu Beginn des Krieges der Ukraine jegliches Existenzrecht absprachen und die Ziele einer „Entnazifizierung“ und „Entmilitarisierung“ verfolgte.

Ein ähnliches Bild ergibt sich auch fernab der Hinterzimmergespräche und Frontlinien. Obwohl ein Großteil der (westlichen) sozialen Medien in Russland inzwischen blockiert sind, gibt es wieder neu veröffentlichte Videos von russischen Truppentransporten im gesamten Land. In Alagir, Saratow oder dem Kaukasus wurden neue Militärkonvois gesichtet, die an Bilder des vergangenen Dezember und Januar erinnern, wenn auch nicht auf solch einer hohen Frequenz. Dass sogar die separatistischen Einheiten aus Südossetien bei Georgien bewegt werden, erregt dabei den Eindruck einer „Reservistenmobilisierung“, da sie über wenig modernes Equipment verfügen. Bisher war die Annahme, dass Russland eine große Mehrheit seines Militärs für Offensivkapazitäten bereits einsetzen würde.

Dass die Situation in der Ukraine im Monat Februar erneut eskalieren würde, war bereits früh abzusehen. In den Monaten zuvor verlegte Russland einen Großteil seiner mobilen Streitkräfte an die ukrainisch-russische Grenze. Dies wurde mit den alljährlichen Trainingsmanövern begründet, jedoch war diese Entwicklung äußerst ungewöhnlich: Übungen werden normalerweise mit den vorhandenen Truppen innerhalb der insgesamt fünf Militärbezirke durchgeführt, in diesem Falle wurden jedoch russische Soldaten aus dem ganzen Land zusammengezogen, vor allem auch aus Sibirien. Mindestens 200.000 Soldaten sind daran laut dem OSZE beteiligt, darunter auch einige Einheiten der Nationalgarde wie tschetschenische Gruppierungen rund um den Verbündeten Ramsan Kadyrow. Zudem wurden die Truppenverlegungen auf Belarus und die Krim erweitert, wo sie in behelfsmäßig errichteten Militärquartiere unweit der Ukraine stationiert wurden, wie Satellitenbilder beweisen.

Das russische Verteidigungsministerium berichtete zwar, das nach dem Ende der Truppenübungen die involvierten Streitkräfte wieder abgezogen und zu ihren Heimatbasen zurückkehren sollte. In Wirklichkeit geschah jedoch das Gegenteil: Ununterbrochen wurden weitere Truppenverbände in die Nähe der Ukraine gebracht, zudem wurden zwar die für die „Übungen“ errichteten Militärbasen teilweise verlassen, Militärverbände stattdessen aber nur näher an die Grenze transportiert. Insbesondere in der Region um Belgorod und Kursk gab es erhebliche Truppenbewegungen zu verzeichnen. Dieses Szenario ähnelt dem Georgienkrieg im Jahre 2008, wo fünf Tage vor Anbeginn des Konfliktes Russland ebenfalls verkündete, in Folge eines abgeschlossenen Trainings ihre Soldaten abziehen zu wollen.

Im Donbass folgten daraufhin eine Reihe von False-Flag-Aktionen durch die Volksrepubliken, die bei der russischen und lokalen Bevölkerung die Motivation für weitere Eskalationen und den Krieg heben sollten. Diese wurden auch entsprechend dankbar von medialen Narrativen übernommen, obwohl darunter sehr offensichtliche Inszenierungen waren: Über die polnischen Spezialeinheiten die ein Ammoniaklager sprengen wollten, über Videobeweise die bereits zehn Tage vor der Tat aufgenommen wurden, ukrainische Selbstmordattentäter im Zentrum von Donezk oder ukrainische Einheiten, die problemlos separatistische Gebiete durchqueren konnten, nur um dann russisches Territorium zu betreten und dort getötet zu werden geht die Liste lang. Auch hier gilt wie in jedem Krieg: Die Wahrheit stirbt zuerst.

Ein Gedanke zu „Selbst der Süden scheitert“

  1. OK….ex. Flutterbareer kommt jetzt in die Tonne…..obwohl es mir wirklich schwer fällt, wenn ich bedenke wie LANGE ich hier schon lese.
    Eine gewisse/r Einäugigkeit/Doppelstandart ist völlig in Ordnung.
    Aber hier ist jetzt mehrfach eine Grenze zur Propaganda überschritten worden.

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