
Während die Angriffe der russischen Streitkräfte in den ukrainischen Städten Kiew, Charkiw und Schytomir zunehmen und inzwischen sogar gezielt zivile Infrastruktur ins Visier genommen werden, wie die neuesten Raketenschläge auf die Kiewer Fernsehturm beweisen, bahnt sich von Belarus eine neue Gefahr für die Hauptstadt heran: Auf Satellitenaufnahmen ist ein über 60 Kilometer langer Militärkonvoi der russischen Armee gesichtet worden, welcher sich auf Kiew zubewegt. Während man über eine mögliche Erstürmung der Millionenstadt oder „nur“ über ein Umkreisung debattiert, scheint die Militärkolonne das Schicksal der übrigen russischen Truppen zu teilen, dank einem Mix aus fehlendem Nachschub, schlechter Moral und Treibstoffmangel scheinen sie nicht mal ihr Ziel erreichen zu können, ganz zu schweigen davon militärisch aktiv zu werden. Trotzdem hängt die Gefahr weiterer russischer Offensiven über der Ukraine wie ein Damoklesschwert, denn im Süden macht Russland weiterhin Boden gut.
Wie Sattelitenaufnahmen verraten, befindet sich der ungefähr 64 Kilometer lange Militärkonvoi auf halber Strecke zwischen Kiew und der ukrainisch-weißrussischen Grenze. Die größtenteils aus Truppentransportern bestehende Kolonne erscheint aufgrund ihrer schieren Größe einschüchternd, da es zu keinerlei Tarnungsmaßnahmen kommt steckt dahinter sicherlich auch eine Warnung und Drohung gegenüber der ukrainischen Regierung. Denn sollte sich der Konvoi tatsächlich in Bewegung setzen, wird er wohl weniger Kiew betreten sondern stattdessen einen Belagerungsring um die Millionenstadt legen, zumindest auf der westlichen Hälfte. So lautet zumindest die optimistische Planung, es gibt auch viel was dagegen spricht.
Jedoch gibt es zwei entscheidende Faktoren die diesen Plan zerstören können: Erstens gibt es Meldungen von einer unzureichenden Nahrungs- und Treibstoffversorgung für den Konvoi, bereits die unzähligen regulären Einheiten in der Ukraine haben mit diesem Problem zu kämpfen, wodurch entsprechend viel Kriegsgerät einfach an den Straßen mit leerem Tank abgestellt wird. US-Geheimdiensten zufolge bewegt sich der Konvoi nur wenige Kilometer am Tag aus diesem Grund, mit etwa 40 Kilometern bis Kiew wären das ungefähr zwei Wochen, bis das Ziel erreicht wird. Zudem sind bisherige Versuche Russlands, die Stadt weiter zu umkreisen kolossal gescheitert. In den letzten zwei Tagen konnten russische Soldaten nach blutigen Gefechten und Scharmützeln aus den westlich von Kiew gelegenen Städten Makariw und Borodjanka vertrieben werden, in letzterem Ort kam es zur Eliminierung eines ganzen russischen Konvois.
Eine weitere Komponente sind die regelmäßigen Überfälle und Angriffe auf russische Militärkonvois, vor allem durch türkische Angriffsdrohnen, die insbesondere Nachschublinien ins Visier nehmen. Diese Drohnen des Typs „Bayraktar-2B“ sind bereits durch ihre teilweise kriegsentscheidende Rolle in Libyen, Syrien oder Armenien berühmt und berüchtigt auf Gegnerseite, ursprünglich behauptete Russland aber einen Großteil der ukrainischen Drohnenflotte zerstört und Lufthoheit errungen zu haben. Die zwei Tage nach der Invasion veröffentlichten Drohnenvideos widersprechen jedoch diesem Narrativ. Am Dienstag wurde zuletzt eine Sammlung neuer Drohnenschläge veröffentlicht, die Meisten davon aktuell und auf die Nachschublinien und Luftabwehrsysteme konzentriert, die eigentlich für die Zerstörung von Angriffsdrohnen zuständig sind. Ein Ausschnitt zeigt sogar einen Angriff auf einen Transportzug, welcher auf der Krim lokalisiert werden konnte.
Doch neben der Zerstörung von russischem Kriegsequipment können ukrainische Einheiten auch Einiges an Fahrzeugen erbeuten. Visuell bestätigt sind aktuell 131 erbeutete Panzer, Transporter, Minenfahrzeuge usw., darunter auch einige bemerkenswerte Waffen: Modernstes Equipment wie die erst vor acht Jahren in Dienst gestellten Luftabwehrpanzer Tor-M2, die aufgrund ihrer enormen Schlagkraft berüchtigten Mehrfachraketenwerfer TOS-1A oder das 9K33 Osa-Flugabwehrraketensystem, welches sogar von Zivilisten zuerst entdeckt und abgeschleppt wurde. Diese Liste ließe sich unendlich weiterführen, es ist wirklich außergewöhnlich wie viel modernstes Kriegsgerät nahezu kampflos von russischen Soldaten aufgegeben wurde.
Hinter den Frontlinien kommt es bei der ukrainischen Bevölkerung weiterhin zu Unruhen und Protesten. Nachdem es in der Hafenstadt Berdjansk zu Demonstrationen gekommen ist, ergab sich in anderen Siedlungen ein ähnliches Bild. In Kupyansk wurden Proteste mithilfe von Tränengas niedergeschlagen, nachdem die örtliche Bevölkerung die russischen Truppen dazu aufrief, das Land zu verlassen. In der größten, derzeit von russischen Streitkräften kontrollierten Stadt Melitopol werden Militärkonvois blockiert. Im Kontrast dazu gibt es an den militärischen Frontlinien hingegen leichte Fortschritte für Russland zu verzeichnen, wie die Südukraine verrät.
Denn die Schlinge im Süden zieht sich weiter zu, eine effektive Landverbindung zwischen der Krim und dem Donbass bzw. Rest-Russland ist nur noch eine Frage von Tagen. Über Dienstag Mittag wurde die am Asow’schen Meer gelegene Hafenstadt Mariupol von russischen Truppen umkreist werden, wobei sie Unterstützung von den ostukrainischen Volksrepubliken erhielten. Von westlicher und östlicher Stoßrichtung wurde die letzte Nachschublinie nach Norden gekappt, die einst 400.000 Einwohner zählende Großstadt ist damit eingeschlossen.
Da Mariupol seit acht Jahren Teil der Frontlinie war, ist der Ort entsprechend schwer gesichert. Eine unbekannte Anzahl an Verteidigern, darunter lokale Milizen und das faschistische Asow-Battalion befindet sich noch mit Zivilisten vor Ort, derzeit sind sie schweren Artillerie- und Luftschlägen ausgesetzt. Es ist unklar wie lange die Ukraine die Stadt noch halten kann, maximal ist es höchst wahrscheinlich eine Frage von Tagen. Für Russland wäre diese Landverbindung ein wichtiger Teilerfolg welcher als politisches Kapital in zukünftigen Verhandlungen genutzt werden könnte, die Ukraine verfügt dann nur noch mit Odessa über einen einzigen Hafen.
Abgesehen von Mariupol konnten russische Soldaten zunächst kampflos eine weitere Küstenstadt, Cherson, betreten und dabei einen Großteil der Stadt kontrollieren, nachdem es an den Randgebieten für mehrere Tage zu schweren Gefechten gekommen ist. Es sollen sich noch lokale Gruppen der „Territorialen Verteidigungskräfte“ in der Stadt aufhalten, welche aber erst in der Nacht aktiv wurden. Ob sie die russischen Soldaten wieder vertreiben konnten ist jedoch unklar. Die gleichen Verteidigungskräfte konnten weiter nördlich in Baschtanka aufreiben und in der Nähe russische Soldaten gefangen nehmen. Fernab des Südens rücken russische Soldaten langsam aber stetig in der Ostukraine vor, können aber keine nennenswerten Bodengewinne erzielen. Der Vorstoß auf Kiew bleibt gestoppt, um Charkiw kommt es zu schweren Kämpfen, wahrscheinlich will Russland erst die Stadt sturmreif schießen.

Dass die Situation in der Ukraine im Monat Februar erneut eskalieren würde, war bereits früh abzusehen. In den Monaten zuvor verlegte Russland einen Großteil seiner mobilen Streitkräfte an die ukrainisch-russische Grenze. Dies wurde mit den alljährlichen Trainingsmanövern begründet, jedoch war diese Entwicklung äußerst ungewöhnlich: Übungen werden normalerweise mit den vorhandenen Truppen innerhalb der insgesamt fünf Militärbezirke durchgeführt, in diesem Falle wurden jedoch russische Soldaten aus dem ganzen Land zusammengezogen, vor allem auch aus Sibirien. Mindestens 190.000 Soldaten sind daran laut dem OSZE beteiligt, darunter auch einige Einheiten der Nationalgarde wie tschetschenische Gruppierungen rund um den Verbündeten Ramsan Kadyrow. Zudem wurden die Truppenverlegungen auf Belarus und die Krim erweitert, wo sie in behelfsmäßig errichteten Militärquartiere unweit der Ukraine stationiert wurden, wie Satellitenbilder beweisen.
Das russische Verteidigungsministerium berichtete zwar, das nach dem Ende der Truppenübungen die involvierten Streitkräfte wieder abgezogen und zu ihren Heimatbasen zurückkehren sollte. In Wirklichkeit geschah jedoch das Gegenteil: Ununterbrochen wurden weitere Truppenverbände in die Nähe der Ukraine gebracht, zudem wurden zwar die für die „Übungen“ errichteten Militärbasen teilweise verlassen, Militärverbände stattdessen aber nur näher an die Grenze transportiert. Insbesondere in der Region um Belgorod und Kursk gab es erhebliche Truppenbewegungen zu verzeichnen. Dieses Szenario ähnelt dem Georgienkrieg im Jahre 2008, wo fünf Tage vor Anbeginn des Konfliktes Russland ebenfalls verkündete, in Folge eines abgeschlossenen Trainings ihre Soldaten abziehen zu wollen.
Im Donbass folgten daraufhin eine Reihe von False-Flag-Aktionen durch die Volksrepubliken, die bei der russischen und lokalen Bevölkerung die Motivation für weitere Eskalationen und den Krieg heben sollten. Diese wurden auch entsprechend dankbar von medialen Narrativen übernommen, obwohl darunter sehr offensichtliche Inszenierungen waren: Über die polnischen Spezialeinheiten die ein Ammoniaklager sprengen wollten, über Videobeweise die bereits zehn Tage vor der Tat aufgenommen wurden, ukrainische Selbstmordattentäter im Zentrum von Donezk oder ukrainische Einheiten, die problemlos separatistische Gebiete durchqueren konnten, nur um dann russisches Territorium zu betreten und dort getötet zu werden geht die Liste lang. Auch hier gilt wie in jedem Krieg: Die Wahrheit stirbt zuerst.
Hallo,
was sind denn das für tendenzielle Berichte und Analysen hier?
Ich habe die Berichte und Analysen zum mittleren Osten und speziell zu Syrien immer sehr erhellend und informativ gefunden.
Wenn ich die aktuellen lese, glaub ich ich bin auf einer anderen Seite!
Hat man hier die „Fronten“ gewechselt?
Es geht nicht darum nur das lesen zu wollen, was ins eigene Weltbild passt, aber hier kann ich ja gleich den Schmirgel lesen.
Gruß
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Inhaltliche und stilistische Kritik nehme ich ja gerne entgegen, die müsste dann aber auch so formuliert werden 🙂
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