
Die letzten Tage der jemenitischen Hauptstadt Sanaa waren von Wut und Zerstörung geprägt, nachdem die Luftwaffe Saudi-Arabiens in einer überraschenden Nacht-und-Nebel-Aktion die schwersten Militärschläge auf die Region seit Jahren ausgeübt hatte. Bei den schweren Luftangriffen auf mehrere Ziele in der seit dem Ausbruch des Bürgerkrieges von den zaidisch-schiitischen Houthi-Rebellen gehaltene Millionenstadt kamen etliche Zivilisten ums Leben, zudem wurde die letzte Außenverbindung zum Rest der Welt vollkommen zerstört: Der Internationale Flughafen von Sanaa ist neben dem oftmals blockierten Hafen von al-Hudaydah für den Norden des Landes die einzige Möglichkeit, humanitäre Hilfsgüter zu erhalten und Waren zu importieren. Die Belagerung des Jemens intensiviert sich damit weiter.
Videos und Bilder vor Ort zeigen vollkommen ruinierte Anlagen auf dem Flughafengelände, insbesondere die etlichen Gebäude wurden aus nicht näher erklärten Gründen fast vollkommen zerstört. 20 Minuten zuvor warnte Saudi-Arabien vor kommenden Angriffen auf den Flughafen, eine viel zu kurze Zeitspanne um Personen vor Ort zu evakuieren, weshalb es Berichte von drei getöteten Zivilisten gibt. Der Arabischen Koalition unter der Führung Saudi-Arabiens zufolge soll es sich bei den angegriffenen Zielen um Ausbildungsgebäude und Lagerhallen für bewaffnete Drohnen gehandelt haben, zudem wurden weitere Produktionsstätten in der Hauptstadt Sanaa ebenfalls bombardiert. Beweise für diese seitens der Koalition veröffentlichten Behauptungen existieren hingegen nicht.
Noch einen Tag zuvor verwehrte der nördliche Nachbarstaat des Jemens die Evakuierung bzw. den Abflug des iranischen Botschafters, Hassan Erlo, über den Internationalen Flughafen von Sanaa, da sich seine gesundheitliche Situation in den letzten Tagen massiv verschlechterte. Der Botschafter war auf inoffiziellen Wege in das Bürgerkriegsland geschmuggelt worden, da kein anderer Staat die Houthis als die legitime Regierung des Staates betrachten und Saudi-Arabien ihn festgenommen hätte. Am Dienstag verstarb er dann in Folge einer Covid-19-Infektion. Noch kurz zuvor gab es Gerüchte darüber, dass die Ausweisung des iranischen Botschafters durch die Rebellen Ausdruck eines wachsenden Unmutes zwischen den zwei Verbündeten wäre, welche sich nun nicht bewahrheitet haben.
Die genauen Auswirkungen dieses Angriffes sind bisher nicht abschätzbar, zumindest aber wird das von den Houthis, offiziell unter dem Organisationsnamen „Ansar Allah“ bekannt, kontrollierte Territorium zunehmend isoliert werden, parallel zu der bereits bestehenden Belagerungstaktik Saudi-Arabiens, die über den offiziellen Landweg und Seeweg bereits sämtlichen Handel blockiert. Zwar wurde der Flughafen seit langem aufgrund der Lufthoheit Saudi-Arabiens nicht genutzt, war er immer wieder Aufschlagplatz von humanitären Gütern internationaler Hilfsorganisationen, die ebenfalls zum Zeitpunkt der saudischen Luftschläge vor Ort präsent waren. Außerdem war die Wiedereröffnung immer wieder Bestandteil der Friedensverhandlungen zwischen Houthis und Saudi-Arabien, welche jetzt aber wohl endgültig begraben wurden.
Es wäre wenig überraschend, wenn es in den kommenden Tagen Vergeltungsschläge durch die schiitischen Aufständischen geben wird. Immerhin praktizieren sie seit rund einem Jahr eine solche Militärdoktrin: Direkte Angriffe Saudi-Arabiens werden mit Raketen- und Drohnenangriffe auf Städte und militärische Ziele im gesamten Golfstaat vergolten. Seit mehreren Jahren ist Saudi-Arabien Raketen und Drohnenangriffen der jemenitischen Houthi-Rebellen ausgesetzt. Die quantitativ und qualitativ immer weiter zunehmenden Operationen beschränkten sich anfänglich auf die Grenzprovinzen und die Hauptstadt Riad, jedoch rücken mit der neuesten Technologie auch weiter entfernte Ziele in den Vordergrund, unter anderem die wichtigen Aramco-Produktionsanlagen in Dammam oder Yanbu, welche relevant für die Verarbeitung von Rohöl und deren Export in die Welt sind. Doch auch fernab von Produktionsanlagen gibt es für die Houthis lukrative Orte, die regelmäßig das Ziel von Angriffen waren.
Zu den Höhepunkten zählt beispielsweise der Angriff auf den 1400 Kilometer vom Jemen entfernten Internationalen Khalid-Flughafen der Vereinigten Arabischen Emirate, ein Jahr später wurden Kameraaufnahmen veröffentlicht, welche die Zerstörung mehrerer LKWs auf dem Flughafengelände zeigen. Weitere nennenswerte Drohnenoperationen war ein Angriff auf das noch in Bau befindliche Atomkraftwerk in den VAE und auf Aramco-Anlagen in Abqaiq 2019, die die Produktion von Rohstoffen unterbrach und zu erhöhten Ölpreisen auf den globalen Handelsmarkt führte. Die „Drohnenflotte“ der jemenitischen Aufständische entwickelt sich zunehmend zur gefährlichsten Waffe im Kampf gegen die Mitglieder der Arabischen Koalition im jemenitischen Konflikt, welche vor allem auf die Technologie des Irans und Chinas aufbauen kann, die Houthis als quasi-funktionierender Staat auch auf eigene Waffenprogramme zurückgreifen kann.