
Am südlichen Ende der arabischen Halbinsel dauert der jemenitische Konflikt zwischen den zaidisch-schiitischen Houthi-Rebellen, verschiedenen Milizen und der Exilregierung unentwegt an. Erstere können insbesondere in der Nähe der Stadt Marib, die letzte Bastion der Regierung im Nordjemen, Erfolge vorweisen und unermüdlich weiter vorrücken, sodass sie nun auf zwei Seiten vor den Stadttoren stehen und es derzeit wohl Unterverhandlungen zur friedlichen Übergabe des Ortes kommt. Dabei gibt es auch Meldungen zum erstmaligen Einsatz eines Kampfhubschraubers unter der Flagge der Houthis – ein absolutes Novum. Zwar desertierten mit dem Beginn des Bürgerkrieges ein großer Teil der Armee und damit auch der Luftwaffe auf Seiten der Aufständischen, jedoch ging man von einer kompletten Vernichtung aller Kampfjets, Helikopter etc. durch die direkte Intervention Saudi-Arabiens aus. Außerdem konnten die Rebellen mehrere, unter anderem auch amerikanische, Drohnen eliminieren und einen saudischen Kampfjet beschädigen.
Nach tagelangen Gefechten konnten die Houthis erfolgreich die letzte natürliche Verteidigungsbarriere in Süd-Marib überwinden: Der Berg Balaq al-Sharqi. Aktuell kontrollieren sie die östliche Hälfte dieses langgezogenen Berges, während schwere Gefechte über den westlichen Abschnitt Balaq al-Awsat andauern. Dabei ist auch ein Video aufgetaucht, dass einen Helikopter im Einsatz gegen Regierungsanhänger zeigt. Nun gibt es unterschiedliche Meinungen und Meldungen wem dieser sowjetische Hubschrauber des Typs Mi-24 gehört, regierungsunterstützende Medien nennen den erstmaligen Einsatz einer „Houthi-Luftwaffe“ als Grund für den Verlust von Balaq al-Sharqi, während der offizielle Pressesprecher der Houthi-Rebellen diese Meldung dementiert.
Damit wird diese Geschichte wohl vorerst ein Mysterium bleiben, zumindest war vorab bekannt, dass die Houthis im Besitz einiger weniger Kampfjets und vermutlich auch Helikopter sind, diese aufgrund der akuten Abschussgefahr durch Saudi-Arabien und andere Golfstaaten aber nicht genutzt werden.
Die Stadt Marib rückt damit immer näher in das Fadenkreuz des Gegners, Raketen- und Artillerieangriffe haben erheblich zugenommen. Mit der Eroberung von Balaq al-Sharqi kontrollieren die Houthis bereits einen Punkt, über den man über die südliche Hälfte der Stadt blicken und damit auch die letzte Route zur Außenwelt bzw. dem restlichen Regierungsterritorium bedrohen kann. Es wäre wenig überraschend, wenn also bereits interne Verhandlungen bezüglich einer friedlichen Kapitulation stattfinden, so wie es in den Stammesgebieten südlich der Stadt bereits mehrfach geschehen ist. Nichtsdestotrotz ist die Situation dahingehend unklar, ebenso wann die Houthis einen „finalen“ Vorstoß starten werden.
Währenddessen konnten sie in den letzten Tagen mehrere Drohnen abschießen, darunter mindestens eine Wing-Loong-Aufklärungsdrohne aus chinesischer und eine ScanEagle-Drohne aus amerikanischer Produktion. Außerdem konnten sie am vergangenen Donnerstag einen F-15-Kampfjet Saudi-Arabiens erfolgreich in die Flucht schlagen, nachdem Dieser Angriffe über Marib flog. Mithilfe alter sowjetischer Luftabwehrsysteme konnte der Jet zwar getroffen, aber höchstwahrscheinlich nicht zerstört werden. Auf veröffentlichten Videos ist zu sehen, wie der Kampfjet vermutlich beschädigt nach Saudi-Arabien zurückfliegen konnte, was dennoch ein erfolgreicher Abschreckungsversuch darstellt. Seit der letzten Woche intensivierte Saudi-Arabien ihre Luftangriffe über Marib aber auch die Hauptstadt Sanaa, die sich unter der Kontrolle der Houthis befindet.
Marib kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, besonders im jemenitischen Konflikt nahm er eine besondere Rolle ein. Denn eigentlich besitzt die Stad lediglich 20.000 Einwohner. Diese Bevölkerungszahl konnte sich aber in Folge des Krieges vervielfachen, einigen Schätzungen zufolge halten sich zwei Millionen Flüchtlinge in der Provinz auf. Grund hierfür ist die Herrschaft der Islah-Partei, dem inoffiziellen jemenitischen Ableger der Muslimbruderschaft. Diese konnte bisher relativ erfolgreich ihre Territorien aus den Gefechten heraushalten, auch wenn sie offiziell die Exilregierung unter Präsident Mansour Hadi unterstützen und von Saudi-Arabien und Katar finanziert werden. Die Islah-Partei musste jedoch enorm an Einfluss einbüßen, insbesondere seit Anbeginn der Houthi-Offensive und wird allgemein als Buhmann innerhalb der Regierungskoalition gesehen, viele Jemeniten sehen die Muslimbruderschaft als heimliche Unterstützer der Houthis, obwohl es hierfür keine Beweise gibt.
Die Eroberung von Marib würde viele neue Fronten eröffnen, darunter ein Angriff auf den letzten jemenitischen Grenzübergang zu Saudi-Arabien, al-Wadiah. Zudem liegen dort viele Bohrtürme und Raffinerien, welches eine der letzten Einnahmequellen für die jementische Regierung darstellt. Gerade in der Wüste im Osten des Jemens wäre es aufgrund der schieren Größe nahezu unmöglich, dauerhafte Verteidigungen und Patrouillen einzusetzen und somit wichtige Ressourcen von den aktiven Frontlinien im Südwesten des Landes abzuziehen, auch wenn die Houthi-Rebellen in der Vergangenheit wenig effektiv in diesem Terrain waren. Bereits heute soll es in der Wüste feste Schmugglerringe geben, die beispielsweise Waren und Waffen von der omanischen Grenze zu den Houthi-Gebieten schaffen. Stattdessen würden kleinere Verbände an Houthi-Kämpfern die Grenzstädte zur Wüste attackieren, ähnlich den asymmetrischen Taktiken des Islamischen Staates in Syrien und dem Irak. Vor allem aber wäre es auch eine Botschaft an die Golfstaaten, welche vor inzwischen sechs Jahren in den Konflikt auf Seiten der Regierung eingriffen. Die Eroberung von Marib wäre eine Rückkehr nach 2014, weite Erfolge der Golfstaaten-Intervention würden damit zunichte werden.