Kämpfe an iranisch-afghanischer Grenze

Am vergangenen Mittwoch brachen an der iranisch-afghanischen Grenze überraschend Gefechte zwischen den jeweiligen Sicherheitskräften aus. Bei dem Zwischenfall kam es unter anderem zum Einsatz von Artillerie und Schützenpanzern auf iranischer Seite, nachdem vereinzelt Taliban-Kämpfer Verteidigungsstellungen des iranischen Grenzschutzes angegriffen und übernommen hätten. Nach der kurzen Eskalation lenkten auf beiden Seiten höhere politische Kräfte ein, die nach weniger als 24 Stunden auf ein Ende der Scharmützel einwirken konnten, wodurch es wohl vorerst ein isolierter Vorfall bleibt. Offiziell soll es zu Unklarheiten bezüglich des Grenzverlaufes gekommen sein, was von afghanischer Seite als Provokation aufgefasst wurde. Trotz der schnellen Befriedung ist die Situation eine Erinnerung an die angespannte Lage und das schwierige Verhältnis zwischen iranischer Regierung und den Taliban vor Ort, was vor 20 Jahren fast zu einem Einmarsch in Afghanistan geführt hätte. Zukünftige Vorfälle sind nicht auszuschließen.

Unweit der iranischen Stadt Zabol brachen am Mittwoch Vormittag plötzlich Schusswechsel zwischen dutzenden Taliban-Kämpfern und der iranischen Grenzpolizei aus. Die genaue Ursache dafür ist ungeklärt, iranischen Medienberichten zufolge schossen unbekannte Täter im Grenzgebiet auf iranische Landwirte und Traktoren, was wiederum zum Gegenbeschuss durch den Iran führte. Eine andere Darstellung, wonach Taliban-Kämpfer einen bis mehrere Grenzposten erobert hätten, wird hingegen vom Iran widersprochen. Ähnlich unklar sind wohl die Verluste auf beiden Seiten, offiziell kam es zu keinen Toten oder Verletzten, Taliban-nahe Quellen sprechen hingegen von elf getöteten Iranern und drei toten Afghanen. Beide Seiten bestätigen aber, dass die Situation das Ergebnis von mangelnder Kommunikation war, Schuldzuweisungen gibt es also nicht. Einzig sicher ist, dass nach der Intervention höherrangiger Bediensteten der Status Quo im afghanisch-iranischen Grenzgebiet wiederhergestellt wurde, damit wird dieser Mittwoch wohl vorerst ein isolierter Zwischenfall bleiben.

Das Verhältnis zwischen dem Iran und den Taliban war in den letzten Jahrzehnten von ständigen Zerwürfnissen und allgemein von einem ambivalenten Verhältnis geprägt. Im Jahre 1998 drangen Anhänger der Taliban in das iranische Konsulat in der nordafghanischen Stadt Mazar i-Sharif ein, wo sie den Gebäudekomplex plünderten und elf Mitarbeiter töteten. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, wo sich Afghanistan in einem Bürgerkrieg zwischen Taliban und den Widerstandskämpfern der „Northern Alliance“ befinden, wobei Letztere vom Iran unterstützt wurden. Dieser Zwischenfall, welcher mit der Unterstützung der Vereinten Nationen deeskaliert werden konnte, führte innerhalb der iranischen Bevölkerung zu derartigen Unruhen, dass mutmaßlich über eine mögliche militärische Intervention im östlichen Nachbarland debattiert wurde.

Ein jähes Ende der Verfeindung fand mit der amerikanischen bzw. internationalen Intervention in Afghanistan statt. Nachdem der Iran vom damaligen US-Präsidenten George Bush zum Teil der „Achse des Bösen“ designiert wurde, fand die vorherige Kooperation gegen die Taliban ein Ende, obwohl die USA und der Iran noch kurz zuvor Geheimdienstinformationen und Kontakte bezüglich Afghanistan austauschten. Seitdem war es mehr oder minder ein Zweckbündnis zwischen den Taliban und der iranischen Führung, einzig vereint durch die gemeinsame anti-amerikanische Haltung. Wirkliche Unterstützung blieb aber gegenseitig aus, aktuell sieht sich Iran einer immer größer werdenden Flüchtlingswelle aus Afghanistan ausgesetzt, bereits Hunderttausende suchen im Land Schutz vor den Taliban. Auch ein nicht zu unterschätzender Teil der afghanischen Armee desertierte in den letzten Tagen der Republik zum Iran, mitsamt ihrer Ausrüstung. Wie sich die zwischenstaatlichen Beziehungen noch entwickeln werden ist derzeit unklar, zumindest die Taliban suchen nach jeder Möglichkeit zur internationalen Anerkennung, während der Iran sich vor allem um die Sicherheit und den Schutz der schiitischen Hazara-Minderheit bemüht ist, die unter den Taliban ständiger Unterdrückung ausgesetzt waren.

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