Türkei droht mit neuer Militäroffensive in Syrien

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drohte kürzlich mit militärischen Vergeltungsaktionen gegenüber dem arabisch-kurdischen Milizenbündnis der „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) in Syrien, welche immer wieder für regelmäßige Angriffe und Anschläge auf türkische Truppen im Norden des Landes verantwortlich sind, gerade in jenen Gebieten, die von der Türkei mit der Unterstützung ihrer islamistischen Verbündeten von der SDF erobert und mit ethnischen Säuberungen der Kurden verbunden waren. Dagegen regt sich erheblicher Widerstand, der unter anderem aktive Unterstützung durch die syrische Regierung erfährt. Derartige rhetorische Drohgebärde sind von Seiten der Türkei nicht ungewöhnlich, nichtsdestotrotz besteht eine tatsächliche Gefahr einer neuen Großoffensive. Die Drohungen von Erdogan folgten relativ zeitnah auf das Verhandlungstreffen zwischen der Türkei und Russland, wo unter anderem auch die Situation in Syrien besprochen wurde.

Erdogan zufolge hat die Türkei ihre Geduld verloren gegenüber den ständigen Angriffen kurdischer Kräfte und werde demnach die nötigen Schritte einleiten, die zur Beendigung ebendieser Attacken führen werden. Anlass für diese Aussage war der erneute Tod zweier türkischer Soldaten im Norden Aleppos, nachdem ihr Panzerfahrzeug von einer Rakete vermutlicher SDF-Kämpfer getroffen und dabei zerstört wurde. Zudem kommt es im Nordosten des Landes zu immer heftiger werdenden Scharmützeln in der Umgebung der Stadt Tel Tamr, die auf beiden Seiten zu Verlusten und einer Massenvertreibung der Bevölkerung führte. Außerdem hat Erdogan mit innenpolitischen Problemen zu kämpfen, auf den Absturz der türkischen Lira folgen auch gesunkene Umfragewerte. Außenpolitische Militärabenteuer wären eine gelungene Ablenkung.

Die Situation im Norden Aleppos ist komplex: Einst herrschte die SDF bzw. die kurdischen Selbstverteidigungseinheiten der YPG über das Kanton Afrin im Nordwesten Syriens, ein Teil davon befand sich aber ebenfalls in der Region um der Stadt Tel Rifaat, die nach der Eroberung Afrins durch die Türkei als eine Exklave fungiert. Mit der Ausnahme des Südens liegt Tel Rifaat von islamistischen Kräften umzingelt, entsprechend rational wurde ein Bündnis mit dem letzten verbliebenen Anrainergebiet, jenes der syrischen Regierung im Süden, eingegangen. Dies sieht eine gemeinsame Verwaltung und die Präsenz syrischer und russischer Soldaten in der Region vor, um weiteren türkischen Angriffen vorzubeugen und zugleich das Einflussgebiet der Regierung auszuweiten. Gerade diese Region wird jedoch als Operationsbasis des kurdischen Widerstandes in Afrin genutzt, von dort aus starten regelmäßig Angriffe und Artillerieschläge (mit der Beteiligung der Armee). Dementsprechend lange ist das Gebiet der türkischen Regierung ein Dorn im Auge, welches aber seit jeher den Schutz Russlands und Syriens genießt.

In den al-Ghab-Feldern, eine nach jahrelangem Frieden wieder umkämpfte Region im Südwesten der Provinz Idlib, wurde in den vergangenen Tagen ein riesiger Militärkonvoi der türkischen Streitkräfte gesichtet, besteht aus mehreren Militärfahrzeugen und auch Kampfpanzern und Transporter dafür. In der Region besitzt die Türkei zwei Observierungspunkte, welche eigentlich die zwischen der Türkei und Russland ausgehandelte Waffenruhe beobachten und einhalten sollte. Diese inzwischen immer weiter ausgebauten Militärbasen wurden mehrmals von syrischer Artillerie angegriffen, mehrere türkische Soldaten wurden dabei verletzt oder getötet. Aufgrund dessen baut die Türkei in dem Gebiet seine Präsenz und Macht aus und droht bisweilen auch der syrischen Regierung mit Vergeltungsschlägen. Es wäre nicht überraschend wenn Erdogan nun den derzeit anhaltenden Gefechten von Nord-Hama und al-Ghab einen Riegel vorschieben und effektiv seinen Einflussbereich ausweiten würde.

Auf der anderen Seite steht das nordsyrische Grenzgebiet im Rampenlicht, immer wieder werden Militärkonvois der türkischen Armee in Richtung der Grenze zum südlichen Nachbarn gesichtet, welche vor allem aus Dutzenden Militärfahrzeugen bestehen. Nahe der Stadt Tel Abyad nahe der Grenze hat die türkische Armee mehrere Grenzmauern entfernt, was aber in der Vergangenheit öfters vorkam und kein Anzeichen für eine potentielle Offensive darstellt. Dabei würde das selbe Szenario wie damals in Afrin drohen, islamistische Kämpfer brandschatzen alle Wertgegenstände und Ressourcen der Region, unterdrücken die kurdischen Einwohner und bauen ein Regierungssystem auf, welches alleinig auf Korruption basiert.

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