Huthi-Rebellen erobern zentraljemenitische Provinz

Lange waren die Frontlinien im Jemen erstarrt, die miteinander verfeindeten zaidisch-schiitischen Houthi-Rebellen und Anhänger der Exilregierung konnten nur vereinzelt jeweils Bodengewinne verzeichnen und mittelfristig neue Territorien erobern. Nun aber konnten die Houthis, deren offizieller Titel „Ansar Allah“ lautet, die komplette Provinz al-Bayda in Zentraljemen innerhalb weniger Tage sichern, was vielmehr das Resultat diplomatischer Verhandlungen als militärischer Auseinandersetzungen war. Damit rückt auch wieder die strategisch wichtige Stadt Marib in das Fadenkreuz der schiitischen Aufständischen, auf dessen südlicher Flanke sie ähnlich große Geländegewinne erzielen konnten.

Ein etwa 2500 Quadratkilometer großes Gebiet konnte innerhalb von 72 Stunden bei der Operation „Fajr al-Hurriya“ von den Houthis erobert werden, der größte Teil davon auf der östlichen Hälfte der al-Bayda-Provinz. Nahezu kampflos wurde ein Großteil der Territorien aufgegeben, die Houthis sollen mehrere erfolgreiche Gespräche mit verschiedenen Stämmen der Regionen geführt haben, die seit mehreren Jahren mit der unzureichenden Versorgung und Unterstützung der Exilregierung konfrontiert sind. Damit kontrollieren die Rebellen eine Provinz, die zuletzt 2015 unter ihrer Kontrolle stand, kurz vor der militärischen Intervention Saudi-Arabiens. Neben Anhängern der Regierung und der südjemenitischen Unabhängigkeitsbewegung besitzen auch Terrorzellen von al-Qaida (AQAP) und des Islamischen Staates eine Präsenz in der Region, die von den Houthis vertrieben werden konnten.

Parallel dazu kam es zu einem Vorstoß in der direkt nördlich gelegenen Provinz Marib. Mit der Eroberung der Städte Harib, Bayhan und Nuqub konnten nicht nur administrative Zentren bzw. Bezirke gesichert werden, sondern auch die südliche Versorgungsstraße zwischen der gleichnamigen Provinzhauptstadt und dem restlichen Territorien der jemenitischen Regierung durchtrennt werden, was sämtliche Gebiete südlich von Marib von einer Einkreisung gefährdet. Hier gab es ähnliche Resultate: Nahezu kampflos wurde ein über 2000 Quadratkilometer großes Gebiet vom Gegner aufgegeben, der Druck auf die Stadt Marib wächst.

Marib kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, besonders im jemenitischen Konflikt nahm er eine besondere Rolle ein. Denn eigentlich besitzt die Stad lediglich 20.000 Einwohner. Diese Bevölkerungszahl konnte sich aber in Folge des Krieges vervielfachen, einigen Schätzungen zufolge halten sich zwei Millionen Flüchtlinge in der Provinz auf. Grund hierfür ist die Herrschaft der Islah-Partei, dem inoffiziellen jemenitischen Ableger der Muslimbruderschaft. Diese konnte bisher relativ erfolgreich ihre Territorien aus den Gefechten heraushalten, auch wenn sie offiziell die Exilregierung unter Präsident Mansour Hadi unterstützen und von Saudi-Arabien und Katar finanziert werden. Die Islah-Partei musste jedoch enorm an Einfluss einbüßen, insbesondere seit Anbeginn der Houthi-Offensive und wird allgemein als Buhmann innerhalb der Regierungskoalition gesehen, viele Jemeniten sehen die Muslimbruderschaft als heimliche Unterstützer der Houthis, obwohl es hierfür keine Beweise gibt.

Die Eroberung von Marib würde viele neue Fronten eröffnen, darunter ein Angriff auf den letzten jemenitischen Grenzübergang zu Saudi-Arabien, al-Wadiah. Zudem liegen dort viele Bohrtürme und Raffinerien, welches eine der letzten Einnahmequellen für die jementische Regierung darstellt. Gerade in der Wüste im Osten des Jemens wäre es aufgrund der schieren Größe nahezu unmöglich, dauerhafte Verteidigungen und Patrouillen einzusetzen und somit wichtige Ressourcen von den aktiven Frontlinien im Südwesten des Landes abzuziehen, auch wenn die Houthi-Rebellen in der Vergangenheit wenig effektiv in diesem Terrain waren. Bereits heute soll es in der Wüste feste Schmugglerringe geben, die beispielsweise Waren und Waffen von der omanischen Grenze zu den Houthi-Gebieten schaffen. Stattdessen würden kleinere Verbände an Houthi-Kämpfern die Grenzstädte zur Wüste attackieren, ähnlich den asymmetrischen Taktiken des Islamischen Staates in Syrien und dem Irak. Vor allem aber wäre es auch eine Botschaft an die Golfstaaten, welche vor inzwischen sechs Jahren in den Konflikt auf Seiten der Regierung eingriffen. Die Eroberung von Marib wäre eine Rückkehr nach 2014, weite Erfolge der Golfstaaten-Intervention würden damit zunichte werden.

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