Erster US-Luftschlag auf Syrien unter Biden

Der Anblick von Drohnen und Kampfjets über dem Himmel der letzten, noch von islamistischen Kräften kontrollierten Provinz Idlib im Nordwesten Syriens ist kein seltener Anblick, in dem akuten Kriegsgebiet versuchen immerhin die syrische Regierung, der Iran, Türkei und Russland um Macht und Einfluss zu kämpfen. Nach einer einjährigen Abwesenheit gesellt sich nun auch die USA wieder hinzu, die in unregelmäßigen Abständen versuchen, hochrangige Ziele der islamistischen Führungsriege auszulöschen. Dies geschah nun wieder in der vergangenen Nacht, als eine US-Kampfdrohne ein Fahrzeug zerstörte, welches einen tunesischen und jemenitischen Kommandanten der syrischen al-Qaida-Ablegers transportierte. Damit handelt es sich um die erste direkte Militärintervention der USA unter dem neuen Präsidenten Joe Biden.

Unweit der syrischen Stadt Binnish wurde mithilfe einer amerikanischen „MQ-9B“-Angriffsdrohne ein Fahrzeug zerstört, welches von mehreren Kommandanten der islamistisch-dschihadistischen Gruppierung „Hurras al-Din“ gefahren wurde, dem syrischen Ableger von al-Qaida. Dabei wurden angeblich die al-Qaida-Anhänger Abu al-Bara al-Tunisi und Abu Hamza al-Yamani getötet, wobei einige Medien von nur einer getöteten Person sprechen. Ersterer überlebte ein Attentatsversuch im März letzten Jahres, während al-Yamani bei einem US-Luftangriff vor einem Jahr schwer verletzt wurde. Bereits in den Stunden vor dem Angriff kreisten etliche Aufklärungsdrohnen über dem Himmel von Idlib, viele Bewohner sagten zunächst einen russischen Tathintergrund nach, da das Land in den letzten Wochen wieder zunehmend aktiver feindliche Stellungen und Ziele bombardiert.

Der Angriff auf al-Yamani war zugleich der letzte direkte US-Luftangriff in Idlib bzw. Syrien, damals im September 2020. Weitere Beispiele sind die Angriffe auf Abi Yahya al-Uzbeki oder Ahmed al-Davis. Vor 15 Monaten wurde al-Uzbeki nahe der Stadt Samada in der Provinz Idlib durch einen amerikanischen Luftangriff getötet, welcher jedoch offiziell kein Mitglied von Hurras al-Din war. Stattdessen soll er mehrere dschihadistische Organisationen trainiert und ausgebildet haben. Dies zeigt zugleich, dass die USA auch immer breiter aufgestellte Ziele ins Visier nimmt, nicht nur direkte Mitglieder verschiedener Terrormilizen. Ahmed al-Davis wurde wiederum nahe al-Bab ermordet, also nicht in Idlib, sondern im Norden der Provinz Aleppo. Das Territorium dort steht fest unter der Kontrolle der „Syrischen Nationalarmee“, ein von der Türkei finanziertes und aufgebautes Milizenbündnis, welches faktisch der türkischen Regierung untersteht. Nichtsdestotrotz ist die USA auch in türkischen Schutzgebieten aktiv, wo sie allerlei Mitglieder des Islamischen Staates töten können.

Ahmed al-Davis ist Einer davon. Er war unter dem Islamischen Staat jahrelang Gouverneur der Provinz Raqqah im Norden des Landes. Nach der militärischen Niederlage gegen die USA und die von ihnen unterstützten kurdisch-arabischen „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) floh er in das türkische Schutzgebiet, wo er bis vor kurzem unbehelligt leben konnte. Das Schicksal teilt er mit anderen, so wurde z.B. vor über einem Jahr Abu Zaki Taybani getötet, welcher der militärische Kommandant für den Islamischen Staat in der zentralsyrischen Provinz Hama war. Insgesamt hat sich die Region unter dem Schutz der Türkei oder Idlib zu einem Rückzugsgebiet für etliche Dschihadisten entwickelt, zu den bekanntesten gehört der ehemalige IS-Kalif Abu Bakr al-Baghdadi. Demnach soll sich der wohl am meisten gesuchte Terroristenführer nur wenige Kilometer von der türkischen Grenze in einem Dorf nahe der Stadt Barisha versteckt haben.

Diese Aktionen der USA offenbart das Scheitern der eigenen Syrien-Politik. Fraktionen, die man vor Jahren noch mit Waffen und Training direkt unterstützte in der Hoffnung, die syrische Regierung stürzen zu können, sind inzwischen Teil von Gruppierungen wie Tahrir al-Sham oder Hurras al-Din geworden oder kooperieren zumindest mit ihnen. Dies geschieht unter der Obhut und Aufsicht des NATO-Partners der Türkei, welcher in Idlib und Nord-Aleppo militärisch präsent ist und damit die Islamisten vor Übergriffen schützt. Dementsprechend wenig überraschend ist es auch, etliche Mitglieder von al-Qaida oder dem Islamischen Staat im Nordwesten Syriens anzutreffen.

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