
Seit nun drei Jahren befinden sich die südsyrische Provinz Dara’a unter Kontrolle der syrischen Regierung. Seit drei Jahren kommt es regelmäßig in jener Region zu Aufständen und Anschlägen, in der vor einem Jahrzehnt der syrische Bürgerkrieg startete. Ursache für den anhaltenden Widerstand sind die damaligen Friedensverhandlungen, die unter russischer Obhut den Ex-Rebellen weitgehende Autonomie und Waffenbesitz zusprach. Die syrische Regierung versucht nun der bestehenden Anomie ein Ende setzen zu wollen, nachdem vor einem Monat eine Belagerung auf die gleichnamige Provinzhauptstadt auferlegt wurde und am Dienstag schwere Gefechte zwischen den verfeindeten Fraktionen ausgebrochen ist.
Die Gefechte beschränken sich derzeit auf die südliche Hälfte der Großstadt Daraa, welche jahrelang von Aufständischen kontrolliert wurde und den Namen „Daraa al-Balad“ trägt. Mehrere Videos, welche am Dienstag veröffentlicht wurden, zeige schwere Feuergefechte und den Einsatz von Scharfschützen und Artillerie. Die genauen Umstände für den Ausbruch der Gewalt sind unbekannt, wahrscheinlich aber starteten die syrischen Streitkräfte die lange von ihnen geplante Operation von selbst. Es ist davon auszugehen, dass die Kämpfe maximal wenige Tage andauern werden und die Regierung ihre Forderung zur Entwaffnung und der Gefangennahme diverser Personen durchsetzen wird.
Der Operation vorausgegangen war eine rund einen Monat lange Belagerung, die aber wohl nur den Individualverkehr und Schmuggel unterbinden sollte, die Bevölkerung also weiterhin Zugang zu Lebensmitteln etc. hatte. In diesem Zeitraum zog die syrische Regierung viele Armeeeinheiten in die Region zusammen, darunter auch „Elitestreitkräfte“ wie die 4. Division. Auch die Hisbollah soll mit ihrer „Abu Turab“-Einheit involviert sein. Auf bisherigen Bildern sieht man, dass die syrische Armee wohl in der Bewaffnung und Ausrüstung investiert hat, den flächenmäßige Einsatz von Schutzhelmen z.B. galt über viele Jahre hinweg als verpönt und zu teuer.
Während der Osten Südsyriens eine „reguläre Kapitulation“ akzeptieren musste (sprich: Generalamnestie für alle Kämpfer, Freiwillige können nach Idlib transportiert werden und die Regierung kehrt als Administrator zurück), sah es westlich von Daraa wesentlich besser für die Opposition aus: Auf Intervention Russlands konnte man einen sehr großzügigen Frieden schließen. Die Regierung wird zunächst nur rudimentär in die Region zurückkehren, Ex-Rebellen werden weiterhin die Verwaltung der Gebiete übernehmen und können sogar weiterhin ihre Waffen behalten. Ebenso wird die syrische Armee nicht zurückkehren, lediglich die russische Militärpolizei wird sporadisch Patrouillen fahren. Wie man heute weiß, war diese zugesprochene Autonomie verheerend für die gesamte Region.
Denn seit Jahren dauert der Konflikt zwischen Ex-Rebellen, die sich teils eigenständig und teils unter der russischen Schirmherrschaft innerhalb des „5. Korps“ organisieren, und syrischem Militär an. Aufständische sorgen regelmäßig für Attentate und Angriffe auf isolierte Kontrollpunkte oder Militärkonvois, meist kann der Eingriff Russlands schlimmeres verhindern. Langsam aber endet auch die Geduld der russischen Präsenz im Land, denn die ehemaligen Rebellen verschaffen sich selbst immer mehr Autonomie, rekrutieren eigenhändig Kämpfer und handeln mit Waffen. Mit dieser Zuspitzung ist selbst Russland unzufrieden, die bisher ihre schützende Hand über sie gelegt hatten.
Dara’a gilt als der Geburtsort der „Revolution“ und versteht sich damit auch als Hochburg des Widerstandes gegen die syrische Regierung, während andere Landesteile fest unter Regierungskontrolle stehen und es dort fast nie zum erwähnenswerten Widerstand kommt. Der wohl primäre Grund des Aufstandes ist neben der regulären Unzufriedenheit aber in den Friedensverhandlungen zu finden, die nach der erfolgreichen Offensive der syrischen Armee durchgeführt wurden um weiteres Blutvergießen aus dieser für die Opposition aussichtslosen Situation zu vermeiden. Diese Operation spaltete das Territorium der Aufständischen in zwei Teile: Einen völlig umkreisten Ostteil rund um Dara’a und weiter westlich die Provinz Quneitra, die bisher nahezu unberührt von den Gefechten war und zumindest teilweise von Israel unterstützt wurden.