
Nach wochenlangem Zögern reagiert die USA nun erstmals auf die zunehmenden Angriffe von irakisch-schiitischen Gruppierungen auf US-Soldaten in Syrien und dem Irak mit einem eigenen Luftschlag auf einen Logistik-Konvoi unweit der syrisch-irakischen Grenze. Anlass für den neuesten amerikanischen Militärschlag waren die in den letzten Wochen enorm zunehmenden Anschläge auf US-Militärbasen in den zwei Nachbarländern, zeitweise kam es innerhalb von 24 Stunden zu Angriffen auf drei Stützpunkte. Da der Vergeltungsschlag der USA nur derart gering ausgefallen ist, gibt es erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Abschreckungswirkung, neue Angriffe auf US-Truppen könnten nur eine Frage der Zeit sein, bestärkt durch ausbleibende Reaktionen und dem Drang, die „Besetzung“ ihres Landes zu beenden.
Der US-Angriff soll sich unweit der Grenzstadt al-Bukamal in Syrien ereignet haben, welche seit der Wiedereroberung vom Islamischen Staat zum wichtigsten Grenzübergang zwischen Syrien und Irak ausgebaut wurde, vor allem da es der einzige Weg darstellt, der das Territorium der syrischen und irakischen Regierung miteinander verbindet. Aufgrund dieser Umstände ist auch die Präsenz schiitischer Milizen aus verschiedenen Ländern erheblich, die mit iranischer Unterstützung einen zweiten Grenzübergang wenige Kilometer weiter südlich errichtet haben und eine Landverbindung zwischen dem Iran und dem Libanon sichert, diese Route von den USA oder Israel oftmals als „schiitischer Halbmond“ beschrieben. Dementsprechend oft bombardierte Israel bereits in der Umgebung von al-Bukamal, um Waffenlieferungen etc. vom Iran an die Hisbollah zu verhindern.
Dem bisherigen Stand der Informationen zufolge kam es lediglich zu einem Luftschlag auf ein Fahrzeug, welches in einem Militärkonvoi vom Irak nach Syrien unterwegs war. Dieser LKW soll Waffen und/oder Munition transportiert haben, hierzu existieren kaum Details. Ein Munitionstransport würde auch die verhältnismäßig große Explosion erklären, die Anwohner gehört und gesehen haben wollen. Keine Personen wurden dabei getötet oder verletzt. Zuletzt kam es vor einer Woche zu einem Zwischenfall in den weiter nördlich liegenden Conoco-Ölfeldern, die von amerikanischen Streitkräften zusammen mit lokalen kurdisch-arabischen Kämpfern kontrolliert werden. Demnach schlug eine Mörsergranate unweit einer Militärbasis ein, ohne Schaden anzurichten. Auch davor kam es vermehrt zu Attacken auf die dortige Militärpräsenz der USA.
Weshalb die Situation sich in den letzten Tagen derart zugespitzt hat ist nicht ganz ersichtlich, noch kurz zuvor kündigte US-Präsident Joe Biden in einer Rede an, weitere Angriffe auf US-Truppen als „rote Linie“ zu bezeichnen und man selbst dann zurückschlagen werde, wenn kein amerikanisches Personal verletzt oder getötet wurde, was der bisherigen Militärdoktrin im Irak widerspricht. Möglicherweise versuchen die pro-iranischen Milizen wie Kataib Hisbollah oder Sayyid al-Shuhada, welche oftmals an vorderster Front gegen die US-Präsenz in ihrem Heimatland kämpfen, nun die Geduld der USA zu testen und provozieren. Das ist beispielhaft an dem Angriff vom 7. Juli auf die al-Asad-Militärbasis bemerkbar, welche mitten am Tag mit einem relativ modernen und neuen Raketenwerfer stattfand. Nun kam es endlich zu einer Reaktion, welche aber in ihrer Intensität und Qualität kaum bemerkenswert ist und eher zu weiteren Provokationen führen wird.
Die Milizen Kataib Hisbollah und Sayyid al-Shuhada sind im Irak ein integraler Bestandteil der „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMF/PMU), eine Teileinheit der irakischen Streitkräfte und genießen dementsprechend weitgehend Immunität gegenüber anti-amerikanischen Aktionen. Jedoch agieren sie auch teilweise in Syrien, welches im Kontrast zum Irak einen eher „rechtsfreien Raum“ darstellt, in dem die USA bedenkenlos agieren können, weshalb regelmäßige Vergeltungsschläge auch im westlichen Nachbarland und nicht im Ursprungsland Irak durchgeführt werden. Dort konnten sie mit anderen Milizen und Organisationen ein großes Netzwerk und eine wichtige Basis etablieren, welches primär der Unterstützung der syrischen Regierung und der Bekämpfung des Islamischen Staates gilt. Jedoch nutzt der Iran diese Gebiete auch, um seinen Einfluss weiter auszubauen und relativ problemlos Waffen bis an die Hisbollah im Libanon zu transportieren, so konnten sie beispielsweise einen eigenen Grenzübergang wenige Kilometer südlich vom Offiziellen errichten und nur für militärische Güter etc. nutzbar machen.