
Nach dem erfolgreichen Einsatz syrischer Islamisten in Konfliktgebieten wie Libyen oder dem Bergkarabach durch die Türkei könnte sich nun ein neues Land in die Reihe internationaler Operationen eingliedern: Afghanistan. Nach dem Abzug westlicher Truppen entsteht auf Seiten der afghanischen Regierung ein Machtvakuum, dessen Füllung die Türkei unter Präsident Erdogan als ein mögliches Sprungbrett für weiteren Einfluss in Zentralasien betrachtet und dementsprechend gewinnmaximierend ausnutzen will. Sollten sich derartige Pläne bewahrheiten, würde im Gegensatz zu den vorherigen Missionen aber die Rekrutierung von Syrern durch private Sicherheitsfirmen erfolgen, um der Türkei eine „glaubhafte Bestreitbarkeit“ in dem ganzen Vorfall zu ermöglichen.
Bisherige Indizien sind wenig, in erster Linie existieren Berichte syrischer Medienhäuser, die entweder der Opposition oder den kurdisch-arabischen Kampfverbänden im Nordosten des Landes nahestehen und dementsprechend mit der Türkei rivalisieren. Demnach sucht die „Syrische Nationalarmee“ (SNA), ein Milizenbündnis pro-türkischer Organisationen, bis zu 2.000 potentielle Kämpfer, die für einen Monatsgehalt von bis zu 3.000 US-Dollar in Afghanistan Aufgaben übernehmen sollen. Primär sollen die syrischen Söldner dann wichtige Regierungsinstitutionen und den Flughafen von Kabul überwachen, was bisher internationale Truppen, darunter auch die Türkei mit 650 Soldaten, übernommen haben.
Eine Besonderheit liegt dabei darin, dass diese Söldner über offizielle Kanäle in türkischen Sicherheitsunternehmen und Privatarmeen angestellt werden sollen. Im Gegensatz zu den vorherigen Auslandseinsätzen würde damit eine tatsächliche Legitimation erreicht werden, nachdem die Türkei erst nach mehreren Monaten den Einsatz von Syrern in Libyen zugab und den gleichen Fall im Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan trotz gegenteiliger Beweise bis heute bestreitet. Ähnlich ungewöhnlich ist der wohl tatsächliche Einsatz der syrischen Islamisten, welche aufgrund der Übermacht der Taliban wohl in keinem militärischen Kontext eingesetzt werden, sondern wie bereits erwähnt zunächst Überwachungsaufgaben übernehmen werden. Primär ist es wohl eher der Versuch, einerseits gute Beziehungen mit den westlichen Partnern als Verbündete zu sichern, andererseits den Einfluss in Zentralasien auszubauen, wo einige Regierungskreise innerhalb der Türkei weiterhin von einem pan-türkischen Staat träumen, der von der Ägäis bis nach Sibirien reicht.
Die Söldner werden in erster Linie im Norden Syrien aus den Reihen der sogenannten „Syrischen Nationalarmee“ (SNA) rekrutiert, welche von der Türkei als Milizenbündnis erschaffen wurde. Mithilfe jahrelangen Trainings, Waffenlieferungen und direkter Unterstützung halfen sie dabei, die Region von al-Bab vom Islamischen Staat und die Gebiete um Afrin und Tel Abyad von den Kurden zu erobern und zu ihrem eigenen Kernterritorium auszubauen. In diesen Gebieten können sie relativ frei regieren, insofern sie nicht den Herrschaftsanspruch der Türkei in Frage stellen. Die Kontrolle der SNA drückt sich in ausufernder Korruption, Anomie und ständigen Entführungen aus, welche dann von den Milizen wenig später für ein Lösegeld wieder befreit werden. Aufgrund dessen flohen Hunderttausende der ursprünglichen Einwohner aus der Region, während die Türkei sie durch syrische Flüchtlinge aus der Türkei ersetzt und damit einen demographischen Wandel hinweg einer kurdischen Mehrheit in der Grenzregion vorantreibt.
Der Einsatz syrischer Söldner in anderen Konfliktherden hat bei der Türkei inzwischen Konjunktur und wird zu einem integralen Bestandteil der Sicherheitspolitik. Die Türkei transportierte per Flugzeug Tausende Islamisten nach Libyen, wo sie die von der Türkei unterstützte westlibysche Einheitsregierung mit Mannstärke zum Sieg gegen die ostlibysche Tobruk-Regierung verhelfen. Gerade der libysche Konflikt ist von einem relativen Mangel an Truppenstärke geprägt, weshalb syrische Kämpfer ein wichtiger Faktor darstellen. Insbesondere bei der Schlacht um Tripolis waren sie für mehrere Frontabschnitte zuständig. Die Kämpfer erhalten im Gegenzug einen monatlichen Gehalt von etwa 2.000 US-Dollar, was für syrische Gehälter eine enorme Menge darstellt. Dennoch versuchten bereits vereinzelt Syrer, über den Umweg von Libyen nach Europa zu fliehen.