Der immerwährende Aufstand in Südsyrien

In Südsyrien, der Geburtsregion der „syrischen Revolution“, regt sich der Widerstand gegen die syrische Regierung weiterhin. Trotz der seit über drei Jahren andauernden Kontrolle über das Gebiet kommt es regelmäßig zu Anschlägen, Überfällen und Gefechten zwischen der Armee und verschiedenen lokalen Kräften, die in Folge von russischen Verhandlungen weitgehende Autonomie und Waffenbesitz zugesprochen bekamen. Diese folgenschwere Entscheidung führt zur gegenwärtigen Situation, in der Guerillakämpfer Armeekonvois zerstören und ranghohe Anhänger der Regierung entführen oder töten. Die syrische Regierung könnte jederzeit mit der Eliminierung dieser Aufstandsnester beginnen, jedoch geschieht dies auf russischem Druck nicht, welche eigene Interessen in Südsyrien verfolgen und ihre eigene Miliz aufstellen. Höchst wahrscheinlich spielt Israel hier auch eine Rolle, welche eine gemeinsame Grenze mit Südsyrien teilen.

Der neueste Höhepunkt der Eskalationen fand vor über einer Woche westlich der Provinzhauptstadt Daraa statt, als lokale Kräfte einen Konvoi der 4. Division überfielen und dabei mehrere Fahrzeuge zerstörten und über 20 Soldaten töteten. Damit handelt es sich um den tödlichsten Tag in der Region seit 2018. Auch die darauffolgende Tage waren von Angriffen und Anschlägen geprägt, darunter auf mehrere Kommandanten und Geheimdienstmitarbeiter. Insbesondere ehemalige Rebellen, welche sich in Folge des Amnestieprogramms der Regierung der Armee beigetreten sind, sind immer wieder das Ziel von Attentaten, alleine in den letzten Tagen wurden drei solcher Ex-Oppositioneller ermordet. Die Regierung kann dagegen nur bedingt vorgehen bzw. lediglich gegen die Angriffe reagieren, aber selten agieren.

Dara’a gilt als  der Geburtsort der „Revolution“ und versteht sich damit auch als Hochburg des Widerstandes gegen die syrische Regierung, während andere Landesteile fest unter Regierungskontrolle stehen und es dort fast nie zum erwähnenswerten Widerstand kommt. Der wohl primäre Grund des Aufstandes ist neben der regulären Unzufriedenheit aber in den Friedensverhandlungen zu finden, die nach der erfolgreichen Offensive der syrischen Armee durchgeführt wurden um weiteres Blutvergießen aus dieser für die Opposition aussichtslosen Situation zu vermeiden. Diese Operation spaltete das Territorium der Aufständischen in zwei Teile: Einen völlig umkreisten Ostteil rund um Dara’a und weiter westlich die Provinz Quneitra, die bisher nahezu unberührt von den Gefechten war und zumindest teilweise von Israel unterstützt wurden.

Während der Osten eine „reguläre Kapitulation“ akzeptieren musste (sprich: Generalamnestie für alle Kämpfer, Freiwillige können nach Idlib transportiert werden und die Regierung kehrt als Administrator zurück), sah es in Quneitra wesentlich besser für die Opposition aus: Auf Intervention Russlands konnte man einen sehr großzügigen Frieden schließen. Die Regierung wird zunächst nur rudimentär in die Region zurückkehren, Ex-Rebellen werden weiterhin die Verwaltung der Gebiete übernehmen und können sogar weiterhin ihre Waffen behalten. Ebenso wird die syrische Armee nicht zurückkehren, lediglich die russische Militärpolizei wird sporadisch Patrouillen fahren. Wie man heute weiß, war diese zugesprochene Autonomie verheerend für die gesamte Region, die Gründe für so weitgehende Rechte unbekannt. Möglicherweise hat Israel hier eine Vermittlung mit Russland gesucht, welche beide ein gemeinsames Interesse am einem verminderten Einfluss des Irans an der syrisch-israelischen Grenze besitzen. Aufgrund dessen übernehmen einen Großteil der Sicherheitsaufgaben das 5. Korps, welches Russland und nicht der syrischen Regierung untersteht.

Das 5. Korps besteht in erster Linie aus ehemaligen Oppositionellen, die im Zuge des „Rehabilitierungsprogramms“ die Waffen niederlegten, sich der Armee anschlossen und dadurch eine Generalamnestie erhielten. Unter ihnen befinden sich weiterhin Sympathisanten der syrischen Revolution, die teilweise überliefen oder eben aufgrund ihres Hintergrundes als „neutrale Fraktion“ zu Verhandlungen geschickt werden. Das 5. Korps wurde dabei in erster Linie durch Russland aufgebaut und finanziert, einigen Gerüchten zufolge auch auf Druck Israels (welches nur wenige Kilometer von der Provinz Daraa entfernt liegt), um den Einfluss syrischer Loyalisten oder schiitischer Kämpfer aus dem Ausland an der syrisch-israelischen Grenze zu einzuschränken und diese Beeinflussung durch eine Russische, pro-israelische zu ersetzen.

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