Islamischer Staat erobert wichtige Stadt und Gasfelder in Mosambik

IS-Kämpfer vor dem Polizeihauptquartier in Mocimboa da Praia

Im äußersten Nordwesten des Mosambiks herrscht der Terror. Dort ergibt sich ein Szenario, welches global kaum bekannt ist und zugleich frappierend an das Geschehen in anderen Ländern erinnert: Der nationale bzw. regionale Ableger des Islamischen Staates herrscht seit zwei Jahren über ein Gebiet, welches neben mehreren Dörfern auch Luxusinseln, die größten Erdgasfelder des Kontinentes und nun auch eine wichtige Stadt umfasst. Der offiziell als „Islamische Staat Zentralafrika)“ (ISCA) bezeichnete Vertreter der Terrormiliz kann in dem mehrheitlich christlichen Mosambik von der Korruption, Brutalität und Marginalisierung der muslimischen Bevölkerung durch die Regierung profitieren und auf dessen Basis ein neues Kalifat errichten. Die Sicherheitskräfte sind mit der Situation überfordert, obwohl internationale Unterstützung in Form von US-Ausbildern oder russischen und südafrikanischen Söldnern gegeben ist. Die Eroberung der ersten größeren Stadt gilt als Hiobsbotschaft, von wo sich die Terrormiliz in Mosambik nur weiter expandieren kann.

Brutale Gefechte zwischen der mosambikischen Armee, ihren Verbündeten und dem Islamischen Staat dauern im äußersten Nordwesten des Landes an, die Provinz Cabo Delgado befindet sich inzwischen weitgehend unter der Kontrolle der Dschihadisten, darunter auch die vor einem halben Jahr gesicherte Provinzhauptstadt Mocimboa da Praia. Der neueste Erfolg für den Islamischen Staat wurde etwa 80 Kilometer weiter nördlich in der Hafenstadt Palma errungen, die einst etwa 70.000 Einwohner besessen haben soll. Nach koordinierten Angriffen auf wichtige Ziele innerhalb des Ortes, darunter ein Militärlager, die Zentralbank oder das Rathaus befindet sich Palma inzwischen vollständig unter IS-Kontrolle, ein Großteil der Gebäude soll zerstört worden sein. Inzwischen sind UN-Angaben zufolge 700.000 Menschen vor den Gefechten aus Cabo Delgado geflohen.

Viele der Einwohner konnten sich nur noch über den Seeweg aus der Stadt retten, unzählige Schiffer verschiedenster Größen und Nationen, von Öltankern bis zu normalen Fähren, konnten tausende Menschen vor dem Islamischen Staat retten. Eine Situation, die viele Beobachter mit dem Geschehen in Dünkirchen im 2. Weltkrieg verglichen haben. Infolge dessen konnte ISCA auch zwei Schiffe bis dato unbekannten Typs im Hafen erbeuten, die nicht früh genug fliehen konnten. Ebenso unklar ist das Schicksal mehrerer internationaler Unternehmer und Experten, die in das Amarula-Hotel nach den ersten Überfällen Schutz suchten. Bei ihnen handelt es sich um Mitarbeiter der Unternehmen Total und ExxonMobil, die vor Ort den Aufbau einer riesigen, milliardenschwere Gasverflüssigungsanlage überwachen soll. Ohnehin ist das Territorium im Nordwesten des Mosambiks dafür bekannt, enorme Mengen an Erdgas zu besitzen, vieles davon vor der Küste des Landes. Einigen Schätzungen zufolge handelt es sich sogar um die größten Felder in ganz Afrika.

Die mosambikischen Streitkräfte scheinen bisher unfähig zu sein, den Guerillataktiken und Überfällen der Dschihadisten etwas entgegensetzen zu können. Deswegen setzt Mosambik zunehmend auch auf Privatarmeen und afrikanische Sicherheitsorganisationen, beispielsweise die südafrikanische „Dyck Advisory Group“, welche in Folge der Gefechte bereits zwei Helikopter verloren haben. Unter den involvierten Gruppen soll sich auch die russische Wagner-Organisation befunden haben, welche im Falle von Afrika bereits in der Zentralafrikanischen Republik und Libyen aktiv war. Seit dem letzten Jahr kamen auch ukrainische Sicherheitsorganisationen hinzu. Insgesamt sind diese Organisationen nur teilweise gut ausgerüstet, beispielsweise kann Dyck mehrere Helikopter in Gefechte einsetzen, welche aber nur über kleinere Maschinengewehre oder Fassbomben als Waffenarsenal verfügen. Hinzu kommen noch etliche Fehler in der Kommunikation, die zu Kollateralschäden geführt haben. Demnach haben Wagner-Söldner nur leicht bewaffnet die Küstenstraßen patrouilliert, die immer wieder Opfer von Überfällen und Sprengstofffallen der IS-Kämpfer geworden sind. Zudem griffen ukrainische Söldner mehrmals versehentlich Militärkonvois der mosambikischen Armee an.

Der Ursprung in alledem ist in dem Jahre 2018 zu finden, als die mosambikische islamistische Gruppierung „Ahlu Sunnah Wal Jammah“ dem inzwischen verstorbenen Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi die Treue schwor und damit offiziell Teil des Islamischen Staates wurde. Zusammen mit anderen Milizen aus dem Kongo bildeten sie die „Wilayat (Provinz) Zentralafrika“, welche sich damit in den bestehenden Provinzmodell von Nordafrika, al-Sham (dem Levante) oder Khorasan (Afghanistan) einreiht. Die Führung ist größtenteils unbekannt, jedoch soll es sich um Dschihadisten mit Kampferfahrung aus Somalia und salafistische/wahabitische Prediger aus den Golfstaaten handeln. Das genaue Ausmaß der Kontakte mit anderen IS-Ablegern ist relativ unbekannt, z.B. ob sie Waffen oder Training aus Syrien oder dem Irak erhalten haben. Offizielle Medienkanäle und Nachrichtenagenturen des Islamischen Staates wie AMAQ oder al-Furat sind jedoch fester Bestandteil der ISCA-Propagandakampagne. Der Islamische Staat kann dabei zumindest teilweise auf die Unterstützung der muslimischen Bevölkerung vor Ort setzen, welche von der Regierung oftmals ignoriert und marginalisiert werden. Besonders bei den Jüngeren existiert kaum eine wirtschaftliche Perspektive, die Jugendarbeitslosigkeit ist sehr hoch. Zudem agiert die mosambikische Armee besonders repressiv, schlägt und verhaften gerade Menschen im muslimischen Norden, die oftmals für dumm oder primitiv gehalten werden. Erst vor einer Woche wurde ein Video veröffentlicht, welches zeigt, wie eine nackte Frau auf offener Straße von der Armee offenbar grundlos erschossen wurde. Derartige Vorfälle sind keine Einzelfälle sondern ein systematisches Vorgehen eines Staatsapparates, welches keine Gnade kennt.

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