
Im Dezember 2018 einigten sich die verschiedenen Parteien, die maßgeblich im jemenitischen Konflikt beteiligt sind, unter der Führung der Vereinten Nationen auf eine weitgehende Waffenruhe: Die Stockholm-Vereinbarung war geboren. Jahre später verbleibt nur noch wenig von diesen internationalen Verträgen, die für Viele eine Hoffnung auf Frieden und das Ende der Hungersnot im vom Krieg geschundenen Land hindeutete, in vielen Teilen des Jemens kommt es wieder zu intensiven Gefechten zwischen der Exilregierung unter Präsident Mansour Hadi und den zaidisch-schiitischen Houthi-Rebellen. Nachdem Saudi-Arabien wieder zunehmend in den Konfliktherd interveniert, kündigen sie überraschend eine neue Waffenruhe an, wobei dieser Frieden keinem altruistischen Zweck entspringt: Die mit den Saudis verfeindeten Houthis können im Jemen wichtige militärische Erfolge vorzeigen und bedrohen mit Raketen und Drohnen zunehmend die wichtigste Einkommensquelle Saudi-Arabiens innerhalb ihres Territoriums, Erdöl.
In der am Montag veröffentlichten Stellungnahme Saudi-Arabiens wird ein Vorschlag zur Beendigung des Krieges unterbreitet. Integraler Bestandteil dabei ist eine Waffenruhe, die unter Aufsicht der Vereinten Nationen stattfinden soll. Insgesamt ähnelt die Konzeption jener der Stockholm-Verträge, welche letztendlich nach mehreren Monaten und Jahren aufgerieben wurden. Zudem erklärt sich das nördliche Nachbarland zu kleineren Eingeständnissen bereit, z.B. soll der Flughafen in der Hauptstadt Sanaa und der wichtigste Hafen in al-Hudaydah wiedereröffnet werden, was die Lieferung von Nahrungsmitteln und Treibstoff in das Houthi-Territorium ermöglichen würde. Bisher zeigen sich die Houthis, offiziell unter dem Namen „Ansar Allah“ bekannt, jedoch wenig überzeugt und betonen, dass man zwar jederzeit zu Gesprächen bereit ist, derartige „Zugeständnisse“ jedoch als simples Menschenrecht und nicht als Verhandlungsbasis ansieht. Vor allem aber befinden sie sich die Aufständischen in einer besseren Position als Saudi-Arabien.
Denn das militärische Geschehen im jemenitischen Bürgerkrieg wird derzeit klar von den Houthis dominiert. Nur noch wenige Kilometer trennen das Territorium der Oppositionellen von der strategisch wichtigen Stadt Marib im Norden des Landes, welche von vielen Beobachtern als kriegsentscheidend betitelt wird, da sie für Ansar Allah das Tor zu den Erdöl- und Gasressourcen des Landes öffnen würde, zudem befindet sich in der Nähe der letzte Grenzübergang zwischen Saudi-Arabien und dem Gebiet der Regierung. Außerdem intensivierten die Houthis ihre Angriffsoperationen gegen militärische und ökonomische Ziele innerhalb des größten Golfstaates, Anfang des Monats kam es nahezu täglich zu Drohnenangriffen gegen Flughäfen oder Ölraffinerien, die in Folge dessen teilweise schwer beschädigt wurden. Saudi-Arabien versucht also entsprechend, einen möglichst konfliktfreien Austritt aus dem für sie seit sechs Jahren andauernden Krieg zu finden.
Seit mehreren Jahren ist Saudi-Arabien Raketen und Drohnenangriffen der jemenitischen Houthi-Rebellen ausgesetzt. Die quantitativ und qualitativ immer weiter zunehmenden Operationen beschränkten sich anfänglich auf die Grenzprovinzen und die Hauptstadt Riad, jedoch rücken mit den neuesten technologischen Entwicklungen auch weiter entfernte Ziele in den Vordergrund, unter anderem die wichtigen Aramco-Produktionsanlagen in Dammam oder Yanbu, welche relevant für die Verarbeitung von Rohöl und deren Export in die Welt sind. Doch auch fernab von Produktionsanlagen gibt es für die Houthis lukrative Orte, die regelmäßig das Ziel von Angriffen waren. Zu den Höhepunkten zählt beispielsweise der Angriff auf den 1400 Kilometer vom Jemen entfernten Internationalen Khalid-Flughafen der Vereinigten Arabischen Emirate, ein Jahr später wurden Kameraaufnahmen veröffentlicht, welche die Zerstörung mehrerer LKWs auf dem Flughafengelände zeigen. Weitere nennenswerte Drohnenoperationen war ein Angriff auf das noch in Bau befindliche Atomkraftwerk in den VAE und auf Aramco-Anlagen in Khurais 2019, die die Produktion von Rohstoffen unterbrach und zu erhöhten Ölpreisen auf den globalen Handelsmarkt führte. Die „Drohnenflotte“ der jemenitischen Aufständische entwickelt sich zunehmend zur gefährlichsten Waffe im Kampf gegen die Mitglieder der Arabischen Koalition im jemenitischen Konflikt, welche vor allem auf die Technologie des Irans und Chinas aufbauen kann, die Houthis als quasi-funktionierender Staat auch auf eigene Waffenprogramme zurückgreifen kann.