Kurden belagern Viertel unter Regierungskontrolle

Im Nordosten Syriens spitzt sich die Lage weiter zu, nachdem es zu kleineren Scharmützeln zwischen Sicherheitskräften der kurdisch-arabischen „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) und der syrischen Regierung gekommen ist. In den zwei größten Städten der Region, Hasakah und Qamishli, kontrolliert die syrische Armee weiterhin in Übereinstimmung mit den Kurden mehrere Exklaven bzw. einige wenige Viertel und Militärbasen, die vom Territorium der SDF umkreist sind. Nachdem die Situation nach weiterhin unbekannten Gründen zwischen den beiden Fraktionen eskalierte, wurde nun eine faktische Belagerung auf die Viertel unter Regierungskontrolle gestartet, was derzeit zu einer Nahrungsknappheit und Protesten von tausenden Menschen in den umzingelten Bezirken führt, die von der SDF gewaltsam aufgelöst werden. Der konfrontative Kurs könnte die ansonsten recht guten Beziehungen zwischen den beiden Seiten erheblich schaden.

Seit über einer Woche herrscht nun ein Konflikt in Nordostsyrien, welcher zunächst in Qamishli begann und sich kurz darauf auf Hasakah ausbreitete. Über die Ursache und den Anlass gibt es verschiedene Narrative, weitgehend Einheit gibt es aber darüber, dass wohl ein Milizionär der regierungsunterstützenden Miliz der „National Defense Forces“ (NDF) von kurdischen Polizeieinheiten (Asayish) außerhalb der Regierungsviertel aufgegriffen und festgenommen wurde. Die Regierung verlangte seine Entlassung, während Asayish ihn weiterhin gefangen nehmen wollte. Von dieser Ausgangssituation aus eskalierte wohl die Lage, man habe sich gegenseitig beschossen, Checkpoints wurden angegriffen und beide Seiten vermeldeten Verluste. Kurz daraufhin soll die SDF als Vergeltungsschlag eine Belagerung gestartet haben, die bis heute anhält. Faktisch bedeutet das: Kein Waren- und Personenverkehr zwischen den zwei Gebieten, die Nahrungs- und Wasserversorgung für die eingeschlossenen Menschen soll kaum noch vorhanden sein.

Als Reaktion gingen Tausende der Menschen auf die Straße, wo sie dann von Asayish-Kräften blockiert und die Demonstration durch Luftschüsse aufgelöst wurde. Russland versucht derzeit zwischen Regierung und Kurden zu verhandeln, angeblich fordern Letztere dabei eine bessere Versorgung der aus Afrin geflüchteten Kurden in der Region von Tel Rifaat, welche gemeinsam von der Regierung und der SDF verwaltet wird und nur über das Regierungsterritorium zugänglich ist. Angeblich wird auch das kurdische Viertel Sheikh Maqsoud in Aleppo belagert, jedoch gibt es dafür keine Beweise. Insgesamt scheint die Situation weiterhin undurchsichtig zu sein, welche sich in Folge verschiedener Interessenkonflikte von einem einfachen und öfters vorkommenden Vorfall zu einer seit Jahren nicht mehr wahrgewordenen Spirale an Gewalt eskalierte.

Es kam in den vergangenen Jahren immer wieder zu derartigen Situationen, welche oftmals in noch größerem Blutvergießen endeten. Vor fast drei Jahren kam es zu einem ähnlichen Ereignis, in dessen Folge 18 Kämpfer von beiden Seiten ihr Leben nahmen. Als Anlass werden immer Unstimmigkeiten bei den Checkpoints genannt, so werden entweder Sicherheitsmaßnahmen der anderen Seite ignoriert oder man versucht Rekrutierungskampagnen im anderen Territorium durchzuführen. Einigen Berichten nach werden diese Konflikte aktiv von den USA unterstützt, da sie die derzeit andauernden Friedensverhandlungen zwischen SDF und syrischer Regierung behindern und dies ein Einflussverlust für die USA in Syrien bedeuten würde.

Die Stadt al-Qamishli ist seit jeher in zwei Teile geteilt: Während die Kurden den Großteil der Großstadt beherrscht, kontrolliert die syrische Regierung weiterhin das Zentrum mitsamt syrisch-türkischen Grenzübergang, viele christliche Viertel und den großen Flughafen vor Ort. Im Gegensatz zur weiter südlich gelegenen Stadt al-Hasakah kam es hier bisher aber nur zu vereinzelten, isolierten Vorfällen von Gefechten. Dort intervenierte vor zwei Jahren sogar die syrische Luftwaffe, letzten Endes wurden die Regierungseinheiten jedoch aus dem Großteil der Stadt al-Hasakah verbannt und darf nach langwierigen Verhandlungen nur noch eine administrative Präsenz vor Ort besitzen, während sie weiterhin eine Militärbasis außerhalb der Stadt kontrollieren.

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