
Zum einjährigen Jubiläum der Ermordung des iranischen Anführers der Quds-Brigaden Qassem Soleimani und des irakischen Kommandanten Abu Mahdi al-Muhandis spitzt sich die Lage im Mittleren und Nahen Osten wieder erheblich zu. Während zehntausende Menschen in Ländern wie dem Libanon, Syrien, dem Irak oder Iran auf die Straßen gehen, den Opfern des „US-Imperialismus“ gedenken und Rache schwören, zieht die USA vermehrt Truppen in die Region bzw. verlängert die bestehende Truppenpräsenz vor Ort. Es gibt immer wieder Gerüchte von möglichen Vergeltungs- und Eskalationsschlägen durch die USA, den Iran oder Israel, jedoch scheint es sich bisher dabei nur um unbestätigte Meldungen zu handeln. Erst vor wenigen Stunden kaperten die iranischen Revolutionsgarden im Persischen Golf einen südkoreanischen Tanker, welcher angeblich Umweltauflagen verletzt und deswegen zum Festland zurückkehren muss. Kurz zuvor intensivierte der Iran ihr Urananreicherungsprogramm.
Am 3. Januar verstarben Soleimani und al-Muhandis bei einer gemeinsamen Fahrt nahe dem Flughafen der Hauptstadt Bagdad, nachdem eine amerikanische Angriffsdrohne sie traf. Soleimani sollte diplomatische Verhandlungen mit der irakischen Regierung führen, wurde auf dem Weg dahin jedoch ermordet. Als Anführer der Quds-Brigade war er für spezielle Militäreinsätze im Ausland zuständig, welche dem iranischen Interesse dienen. Darunter gehörte zuletzt die Bekämpfung des Islamischen Staates, Formierung pro-iranischer Milizen im Irak (angeführt unter der Ägide von al-Muhandis) oder der Unterstützung der Hisbollah oder der syrischen Regierung. Dementsprechend war er der USA und ihren Partnern in der Region ein Dorn im Auge, vor allem da er einen berühmt-berüchtigten Ruf des unsichtbaren Schattens hatte und als äußerst kompetent und effektiv galt. Sein „Märtyrertod“ konnte am ersten Jahrestag erfolgreich zehntausende bis hunderttausende Menschen im Nahen Osten mobilisieren, von der Hisbollah im Libanon bis zu den Hashd al-Shaabi im Irak, insbesondere im Iran pilgerten Millionen zur seiner Todesstätte.

Ähnlich angespannt ist die geopolitische Lage zwischen den zwei Machtblöcken des Iran und der USA. Am Montag nahmen iranische Revolutionsgarden einen koreanischen Frachter im Persischen Golf fest, nachdem dieser laut iranischen Angaben Umweltauflagen verletzte und Chemikalien in das Wasser ließ. Das Schiff selber soll Chemikalien und andere Werkstoffe von Saudi-Arabien zu den Vereinigten Arabischen Emiraten transportieren, als es vom Iran gekapert und an einen iranischen Hafen gebracht wird. Das Frachtschiff „HANKUK CHEMI“ gehört zu Südkorea, welches mit der iranischen Regierung seit zwei Jahren einen schweren Disput über die Freigabe finanzieller Mittel hat. Demnach liegen Milliarden US-Dollar auf koreanischen Banken, welche aber in Folge neuer amerikanischer Sanktionen eingefroren wurden. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Iran auf derartige Methoden zurückgreift: Das Debüt machte das Kapern eines iranischen Tankers auf dem Weg nach Syrien, welches von britischen Spezialeinheiten durchgeführt wurde. Als Reaktion darauf kaperte der Iran einen britischen Tanker, was relativ schnell in einen Tauschhandel mündete.
Es ist bereits der zweite Vorfall im Zusammenhang mit Schiffen im Persischen Golf. Vor wenigen Tagen wurde an einem irakischen Tanker unter liberischer Flagge eine Haftmine gefunden, welche aber nicht detoniert ist. Private Sicherheitsunternehmen entdeckten die Mine an der Außenhülle des Bootes, als es gerade im Irak zu Anker ging. Der Tanker selber gehört einem irakischen Raffinerieunternehmen. Bisher ist der Ursprung der Haftmine unbekannt, jedoch werden iranische Spezialeinheiten als mögliche Täter gehandelt. Ebenso möglich sind externe Gruppierungen, die an einer möglichen Eskalation des iranisch-amerikanischen Konfliktes interessiert sind und die derzeitige Lage auch entsprechend für einen solchen Plan nutzen. Zumindest die USA scheint daran interessiert zu sein, immerhin verlegten sie mehrere Fliegergeschwader und Flotten in den Persischen Golf und Umgebung und verlängerten u.a. den Einsatz eines Flugzeugträgers vor Ort. Derzeit existieren Befürchtungen darüber, dass Israel im Libanon oder Syrien neue Luftangriffe fliegen könnte, um die Lage noch stärker eskalieren zu lassen. Von einer tatsächlichen Kriegsgefahr befindet man sich bisher jedoch weit entfernt, erst recht im Vergleich zu jener Situation von vor einem Jahr.