
Zum Jahresende kam es in der syrischen Wüste zu einem ungewöhnlichen Vorfall, als Guerillakämpfer des Islamischen Staates einen Militärkonvoi der syrischen Streitkräfte auf dem Weg nach Ostsyrien überfielen und dabei Dutzende Soldaten töteten. Damit handelt es sich wohl um den tödlichsten Angriff der Terrormiliz seit Jahren, zumindest seitdem der IS seine Territorien verloren hat. Bei der Operation wurden drei Busse vollkommen zerstört, mindestens 31 Soldaten wurden getötet während etliche Weitere verletzt wurden. Dieser Vorfall ist eine Erinnerung daran, dass der Islamische Staat in dem wüstenreichen Osten des Landes, welches zugleich ihr Kerngebiet zusammen mit dem Westirak darstellt, weiterhin präsent ist und die Kapazitäten besitzt, den jeweiligen Herrschenden schwere Verluste zuzufügen. Die syrische Regierung stößt dabei auf erhebliche Probleme, die Wüste trotz etlicher „Säuberungsoperationen“ sicher zu halten und scheint dieses Problem trotz russischer Unterstützung nicht in den Griff bekommen.
Der Überfall fand auf der Straße in Richtung Deir ez-Zor statt, der größten Stadt in Ostsyrien. Diese wird mit auf direktem Wege mit Westsyrien nur auf der M7-Autobahn verbunden, welche quer durch die syrische Wüste (auch als Badia al-Sham bekannt) verläuft und dementsprechend leicht anzugreifen ist. Nahe dem Dorf Shoula auf dem Weg gab es bereits in den Wochen zuvor erhebliche Sicherheitsprobleme, da der IS dort mehrfach Positionen der örtlichen Milizen attackiert hat und man dementsprechend Verstärkung entsandte. Dennoch bewahrte das keinen Angriff auf den Militärkonvoi der 4. Division, welche zu den effektivsten Einheiten der syrischen Armee zählt. Das Vorgehen folgte dabei altbewährten Taktiken: Zunächst wurde eine Sprengstoffvorrichtung (IED) gezündet, gefolgt von einem „regulären“ Angriff durch IS-Kämpfer.
Der IS besitzt im Norden und Osten des Landes weiterhin eine große Präsenz, obwohl der offiziell aus dem Land vertrieben wurde. Schläferzellen erstrecken sich quasi über das gesamte Gebiet, welches von ihnen einst kontrolliert wurde und nährt sich teilweise aus der Unterstützung der lokalen, arabischen Bevölkerung. Inzwischen wird der Islamische Staat mutiger und dringt immer tiefer in Syrien hinein, zuletzt verübten sie Angriffe im Osten der Provinz Hama oder im Süden von Raqqah, wo sich der IS seit Jahren nicht mehr zeigte. Die UN schätzt die Anzahl der verbliebenen IS-Kämpfer in Syrien und Irak auf 10.000, wobei eine Mehrheit davon im Irak aktiv ist.
Die Wüste zwischen Syrien und Irak (Badia al-Sham) ist Operationsbasis und Rückzugsgebiet der versprengten IS-Kräfte in Syrien. Aufgrund des ungünstigen Terrains und kaum existenter Infrastruktur können sich die mobilen IS-Kämpfer ungehindert bewegen und damit den ständigen Säuberungskampagnen der kurdisch-arabischen „Syrischen Demokratischen Kräfte“, der syrischen Armee oder irakischer Streitkräfte entfliehen. Zwar starten alle Fraktionen immer wieder Säuberungskampagnen in der Wüste, jedoch gibt es stets ernsthafte Zweifel am Erfolg derartiger Operationen, da bereits in der Vergangenheit die erhoffte Wirkung ausblieb und man stattdessen nach kurzer Zeit wieder mit den üblichen Überfällen zu kämpfen hatte. Aufgrund der Präsenz islamistischer Aufständische in anderen Teilen Syriens ist es der syrischen Regierung auch nicht möglich, einen Großteil ihrer Kräfte und Kapazitäten auf die Bekämpfung des Islamischen Staates zu konzentrieren.