Armenische Kulturschätze werden systematisch vernichtet

In diesen Tagen findet das Abkommen zwischen dem besiegtem Armenien und dem siegreichen Aserbaidschan ihre Umsetzung, ein integraler Bestandteil dieses Vertrages ist die Übertragung weiter Teile der umkämpften und armenischen Region Bergkarabach an Aserbaidschan, welche das Gebiet de jure kontrollieren. Bereits innerhalb der ersten Tage sind Bilder und Videos aufgetaucht, die die Zerstörung jahrhundertealter armenischer Kulturschätze und Relikte belegen, von Kirchen bis einfachen Gräbern umfasst die aserbaidschanische Besatzungspolitik die Eliminierung alles Armenischen, selbst vor den armenischen Einwohnern macht man da keinen Halt. Das Ziel Aserbaidschans: Die Existenz Bergkarabachs zu vernichten. Die eigene Behauptung, dass Armenier und Aserbaidschaner in Bergkarabach friedlich koexistieren können, gleicht mit diesem Hintergrund dem politischen Zynismus.

Besonders schwer traf es bisher die Gebiete, die seit mehreren Wochen unter der Kontrolle des aserbaidschanischen Militärs stehen, was ungefähr 30% von Bergkarabach bzw. den gesamten südlichen Abschnitt ausmacht. Dort sind bereits früh Videos aufgetaucht, die beispielsweise die Exekution armenischer Kriegsgefangener oder andere Kriegsverbrechen beweisen. Am Sonntag wurde ein Video veröffentlicht, welches die lebendige Köpfung eines armenischen Soldaten zeigt.Neuerdings machen derartige Taten auch nicht vor der Zivilbevölkerung Halt, wie neue Beweise in den sozialen Medien aufzeigen. Darin ist z.B. zu sehen, wie ein alter Mann von aserbaidschanischen Soldaten drangsaliert und verletzt wird oder wie aserbaidschanische Soldaten eine verlassene Wohnung demolieren, Hochzeitvideos der ursprünglichen Einwohner anschauen und dazu tanzen. Dementsprechend oft kommt es vor, dass Armenier ihre Häuser und Gutshöfe völlig zerstören und/oder verbrennen, damit sie nicht in feindliche Hände fallen.

Besonders die berühmte und wichtige Stadt Schuschi ist Schauplatz kultureller Zerstörungswut. Der Ort ist für Armenien und Aserbaidschan ein integraler Bestandteil der eigenen Kultur und Entstehungsgeschichte, zuletzt schwer umkämpft im letzten großen Krieg vor drei Jahrzehnten und Schauplatz brutaler Pogrome vor 100 Jahren, als der Zusammenbruch des russischen Zarenreiches auch im Kaukasus zu Chaos und Grenzveränderungen führte.  Historisch ist die Stadt nicht nur als Geburtsort vieler Komponisten und Schriftsteller bekannt, sondern auch für ein Pogrom an den armenischen Einwohnern aus dem Jahre 1920 bekannt, wodurch über 2000 Armenier getötet wurden, einige Schätzungen reichen sogar bis zur 20.000er-Marke.

Dort kommt es derzeit zur Zerstörung mehrerer Statuen, Skulpturen und armenischen Steinplatten, zudem werden die Friedhöfe umgegraben. Das wohl traurigste Schicksal erlebt aber die Kanach-Jam-Kirche, von der die Kirchtürme und die Kuppel bisher abgerissen und das Restgebäude von Graffitis übersprüht ist. Ein ähnliches Schicksal teilen andere Kirchen und Kathedralen oder Tigranakert, eine antike armenische Stadt, die nun unter aserbaidschanischer Kontrolle liegen. Glück hingegen hat das armenische Kloster Dadivank, welches in der Pufferzone unter den russischen „Friedenstruppen“ liegt und somit regulär weiterbetrieben werden kann. Aufgrund der Unklarheit der Verträge wurden zunächst alle transportablen Kulturschätze wie Schriftrollen oder die Glocken entfernt, nur um später wieder installiert zu werden.

Insgesamt liegt hinter dieser gesamten destruktiven Kraft der Aserbaidschaner folgende Methodik dahinter: Die Zerstörung armenischer Kulturräume negiert auch die Legitimation der Armenier, Ansprüche auf diese Region zu haben. Diese Eliminierung des Armenischen wird in den kommenden Wochen noch größere Ausmaße annehmen, wenn weitere Gebiete Aserbaidschan übergeben werden. Die Behauptung des aserbaidschanischen Diktators Aliyev, dass Armenier und Aserbaidschan friedlich zusammenleben könnten, ist ein reiner Hohn im Vergleich zu den Verbrechen, die in dem bisherigen kurzen Zeitraum gegen Armenier verübt wurden.

Die für über einem Monat andauernde Militäroffensive Aserbaidschans konnte nach anfänglichen Problemen erhebliche Geländegewinne erzielen, welche jedoch ohne einen Faktor unmöglich gewesen wäre: Die Türkei. Nicht nur beliefert die Türkei (zusammen mit Israel) Aserbaidschan mit modernster Waffentechnik wie die wohl kriegsentscheidenen Angriffs- und Aufklärungsdrohnen, welche einigen Meldungen zufolge vom türkischen Militär selber operiert werden, das aserbaidschanische „Bruderland“ setzt zugleich auch Tausende syrische Söldner bzw. Islamisten an den Frontlinien ein. Hinzu kommt, dass hunderte türkische Soldaten in Aserbaidschan präsent sind, Warnsysteme aufstellten und mehrere türkische Kampfjets ebenfalls im Land aktiv sind. Den Krieg des 20. Jahrhunderts, den Armenien führte, war letzten Endes wehrlos gegenüber der modernen Drohnentechnik des 21. Jahrhunderts.

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