
Unnachgiebig geht der Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan im Kampf um die zu Baku gehörende aber faktisch armenische Region Bergkarabach in die zweite Woche. Innerhalb kürzester Zeit wurden Hunderte Soldaten auf beiden Seiten getötet, während Zivilisten immer öfter Opfer werden. Diese Verrohung, welche in anderen Konflikten mehrere Jahre dauerte, fand ihren neuesten Zenit am Donnerstag, als aserbaidschanische Kräfte die wichtigste Kathedrale der Region beschossen und dabei mehrere Einwohner und Journalisten verletzten. Die Türkei scheint sich derweil weiter in den Konflikt zu involvieren, zuletzt veröffentlichte Satellitenbilder zeigen mehrere türkische Kampfjets in Aserbaidschan, die möglicherweise auch die Kirche bombardierten.
Am Donnerstag wurde die Ghasantschezoz-Kathedrale in der zentral gelegenen Stadt Shushi das Ziel mehrerer Luftbombardements Aserbaidschans. Die Kirche ist nicht nur Hauptsitz der armenisch-apostolischen Kirche von Bergkarabach, sondern auch kulturell für die Region von besonderer Bedeutung. Der Angriff darauf stellt direkt zwei Nova auf: Einerseits handelt es sich um den ersten Beschuss eines religiösen Gebäudes im derzeit andauernden Konflikt, zudem fand hier auch der erste bekannte „Double-Tap-Strike“ statt, eine militärische Taktik, in der ein Ziel innerhalb kurzer Zeit zweimal hintereinander angegriffen wird, wobei bei dem zweiten Angriff die zur Hilfe eilenden Personen, Rettungsdienst etc. attackiert werden.
Bei der Bombardierung der Kathederale wurden mehrere Menschen verletzt, darunter drei Journalisten. Insgesamt hat Aserbaidschan nun Angriffe auf insgesamt fünf Reporter zu verschulden, nachdem zwei Franzosen vor mehreren Tagen in Stepanakert attackiert wurden. Das Glaubenshaus selber wurde schwer beschädigt, ein Teil des Daches ist zusammengebrochen. Innerhalb des Gebäudes wurde zudem die eingesetzte Munition sichergestellt, wobei es sich um Bomben aus NATO-Beständen handelt, wahrscheinlich bereitgestellt durch die Türkei. Ein Angriff auf eine Moschee oder Kirche und damit auf ein rein ziviles Gebäude stellt eine neue Eskalation im Konflikt dar, welcher vor allem die religiösen Fronten weiter verschärfen wird.
Nicht nur der Iran, welches bereits mehrere aserbaidschanische Drohnen an seiner Grenze abgeschossen hat und durch Artilleriegeschosse getroffen wurde, sondern auch Georgien und Russland werden inzwischen auf unfreiwillige Weise in den Konflikt involviert. Nahe der georgisch-aserbaidschanischen Grenze sind zwei Drohnen abgestürzt, wobei es sich um die israelischen „IAI-Harop“-Kamikazedrohnen handelt. Die Frage bleibt, wieso sich solche Drohnen derart weit entfernt von Kriegsschauplatz Bergkarabach aufgehalten haben. Außerdem ging über die russische Region Degestan eine Rakete des Luftabwehrsystems S-300 zu Boden, die von Baku aus gefeuert wurde. Damit wurden alle Länder in der Region mit der Ausnahme der Türkei mindestens einmal unabsichtlich beschossen.
In der Zwischenzeit sind immer wieder neue Beweise aufgetaucht, die die Präsenz syrischer Söldner in Aserbaidschan belegen. In einem neu veröffentlichten Video ist zu sehen, wie ein sunnitischer Imam Kämpfer im Nordwesten Syriens davon zu überzeugen, den Dschihad in Aserbaidschan fortzuführen. Die Präsenz derartiger Kämpfer in Aserbaidschan war aber ohnehin kein Geheimnis, nachdem mehrere Videos von Syrern an den Frontlinien aufgetaucht sind. Familienangehörige berichten zudem, dass innerhalb der letzten Wochen fast 100 getötete Syrer bzw. Leichen in ihr Heimatland zurückgeführt wurden. Damit kann man davon ausgehen, dass Hunderte weitere syrische Milizionäre in Aserbaidschan aktiv sind, Tendenz steigend. Letzten Gerüchten zufolge begeben sich sogar rund 2.000 Kämpfer auf dem Weg. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass Iraker derzeit in Aserbaidschan präsent sind, nachdem es zum regen Austausch zwischen Türkei und den Vertretern der „Turkmenenfront“ gekommen ist.
Frisch veröffentlichte Satellitenbilder zeigen einen anderen Faktor der türkischen Unterstützung und dass sich eine zunächst als falsch verschriene Meldung Armeniens doch als wahr herausstellen könnte. Ursprünglich berichtete das armenische Verteidigungsministerium am 29. September, dass ein Kampfjet aus den eigenen Reihen durch einen türkischen Flieger zerstört wurde. Anhand der mangelnden, veröffentlichten Beweise wurde dies größtenteils nur als Versuch Armeniens eingeräumt, Russland als Verbündeten in einem direkten Verteidigungsfall einberufen zu können. Die neuen Satellitenbilder zeigen jedoch, dass türkische F-16-Kampfjets tatsächlich in Aserbaidschan stationiert und möglicherweise auch aktiv sind. Gefunden wurden sie auf dem Ganja-Flughafen, der zweitgrößten Stadt Aserbaidschans und etwa 50 Kilometer von Bergkarabach entfernt. Die Fotos stammen vom selben Tag, an dem Armenien mehrere Raketenangriffe auf den Flughafen startete, das Resultat ist jedoch unbekannt.
Die aserbaidschanische Regierung veröffentlichte am Folgentag mehrere Bilder, in dem ein mutmaßlich türkischer Soldat zu sehen war, welches sich nun weiter verdichtet. Diese Aufnahmen wurden daraufhin kurzerhand gelöscht und ohne die entsprechenden Fotos wieder hochgeladen. Während hinlänglich bekannt und belegt ist, dass die Türkei auf vielerlei Weise Aserbaidschan durch Waffenlieferungen oder durch den Einsatz syrischer Söldner an den Frontlinien unterstützt, ist das genaue Ausmaß unklar. Sollte die Türkei nun auch für Aserbaidschan Kampfjets fliegen, würde sich das in den bisherigen Meldungen einreihen, in denen das türkische Militär auch größtenteils die Drohnenflotte im Krieg organisiert und steuert.
2 Kommentare zu „Aserbaidschan bombardiert Kathedrale mehrmals“