
Im Kampf um die autonome und armenische Region Bergkarabach kommt es zwischen Armenien und Aserbaidschan zu ersten territorialen Veränderungen. Im Süden Karabachs konnten aserbaidschanische Truppen im Verlaufe der letzten Tage fast 20 Kilometer weit vordringen und damit mehrere verlassene Dörfer erobern, während Armenien und Bergkarabach dem Gegner schwere Verluste zufügen und in den anderen Teilen der Region den Angriffswellen standhalten können. Mit der Unterstützung der Türkei zerstört Aserbaidschan zunehmend die Hauptstadt Bergkarabachs, während es Gerüchte über einen möglichen Einsatz russischer Privatsöldner für Armenien gibt.
Trotz eines ruhigeren Dienstages gibt es weiterhin schwere Gefechte am Boden und in der Luft. Während armenische/karabachische Truppen den Norden halten und dort kaum Boden verlieren, sieht die Situation im Süden Bergkarabachs anders aus. Dort konnten aserbaidschanische Truppen entlang des Flussbettes des Aras bis zu 20 Kilometer weit vordringen und stehen derzeit vor der Stadt Jabrayil, welche der aserbaidschanischen Regierung zufolge bereits vor Tagen erobert wurde. Das Terrain im Süden ist vorteilhaft für den Angreifer, da es sich im Gegensatz zum gebirgigen Norden um Felder und Ebenen handelt. Zwar bedeutet es einen territorialen Verlust für Bergkarabach, jedoch handelt es sich bei den verlorenen Gebieten in erster Linie um Ruinen und Dörfer, die in Folge der nahen Frontlinien seit Jahrzehnten verlassen sind. Jabrayil wiederum steht am Fuße einer beginnenden Gebirgskette.
Dadurch konnte Aserbaidschan aber auch einiges an Kriegsgerät erbeuten. In einigen der verlassenen Militäraußenposten wurden neben Munition und Kleinwaffen auch einige Trucks und Panzerabwehrwaffen gefunden. Insgesamt besitzen die aserbaidschanischen nun sechs Kampfpanzer aus armenischen Arsenalen. Doch auch der Kontrahent kann einige Erfolge verbuchen. So wurde ein großer Militärkonvoi Aserbaidschans vor den Toren Jabrayils zerstört, zudem tauchen in sozialen Netzwerken immer wieder Videos auf, die gescheiterte Angriffe mit dutzenden getöteten Soldaten Aserbaidschans zeigen. Zudem haben die Drohnenangriffe rapide abgenommen, obwohl die israelischen und türkischen Drohnen die stärkste Waffe des aserbaidschanischen Militärs darstellen.

Trotz weniger Drohnen in der Luft haben die Angriffe auf die Hauptstadt Bergkarabachs nicht aufgehört. Die ständigen Raketen- und Artillerieangriffe zwingen viele Bewohner dazu, der Stadt den Rücken in Richtung Armenien zu kehren oder in den Kellern des Ortes Sicherheit zu suchen. Die vielen Kriegsreporter vor Ort offenbaren die Zerstörung, die Stapanakart ereilt. Während Aserbaidschan weiterhin international geächtete Streumunition auf Wohngebiete einsetzt, legitimieren sie ihre Aktionen als reine „Verteidigungsmaßnahmen“.
So behauptete ein Sprecher der Regierung, dass Armenien die Öl-Pipeline vom Kaspischen Meer nach Georgien mit Bomben attackiert hätte, welche aber „glücklicherweise nicht beschädigt wurde“. Doch nicht nur gestaltet sich ein Angriff auf die Pipeline schwierig, da sie nur an der Grenze zu Georgien und in Baku oberirdisch ist, auch die veröffentlichten Bilder zeigen ein anderes Bild, ein Bild von aserbaidschanischer Munition. Genauer genommen handelt es sich um israelische M095-DPICM-Streumunition, die seit Tagen gegen Bergkarabach eingesetzt wird. Auch das armenische Verteidigungsministerium bekräftigte, derartige Energie-Infrastruktur nicht angreifen zu wollen.
Derzeit gibt es Gerüchte über einen möglichen Einsatz der russischen Privatarmee „Wagner“ in Bergkarabach. Internen Medienberichten zufolge begeben sich einige Söldner zu einem unbekannten Einsatzort auf, in dem Wagner bisher nicht aktiv war. Sollten sich diese Angaben bestätigen und russische Söldner für Armenien kämpfen, stellt sich eine zweite Frage: Die der Finanzierung. Möglicherweise werden sie durch die armenische Regierung bezahlt, die Vergangenheit offenbarte aber auch, dass Russland in diesen Transferaktionen stets involviert ist. Die Privatarmee Wagner ist generell dort, wo es russische Interessen auf inoffiziellen Wegen durchzusetzen gilt. So wurden Wagner-Kämpfer in der Zentralafrikanischen Republik, in Libyen oder Syrien eingesetzt, um dort den Einfluss Russlands auszuweiten bzw. die Verbündeten Russlands zu unterstützen. Ein möglicher Einsatz in Bergkarabach würde damit ein Zeichen Russlands darstellen, welches bisher relativ neutral im Kaukasus aufgetreten ist.