Aserbaidschanischer Angriff auf armenische Hauptstadt

Der Einsatz von Drohnen auf Seiten Aserbaidschans könnte sich als großer Gamechanger erweisen

Im Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien dreht sich die Eskalationsspirale immer weiter. Wie das armenische Verteidigungsministerium meldet, wurde in der vergangenen Nacht die armenische Hauptstadt Jerewan direkt attackiert, welches somit seit fast 30 Jahren wieder Ziel aserbaidschanischer Angriffe wurde. Demnach wurden vier Drohnen eingesetzt, die von der armenischen Luftabwehr erfolgreich zerstört wurden, bevor sie ihr Ziel erreichen konnten. Nicht nur in Jerewan, auch andere Gebiete Armeniens werden inzwischen immer wieder öfters das Ziel von Drohnen- und Raketenangriffen, was Ausdruck einer ausufernden Militäroperation Aserbaidschans ist. Dass nun Jerewan Ziel derartiger Aggressionen wurde, könnte nun das Militärbündnis mit Russland auslösen, welches eine eigene Militärbasis in der Nähe der Hauptstadt unterhält.

Es war ein großer Schreck für die Millionen Einwohner Jerewans, als plötzlich die Luftabwehrsysteme Ziele über ihren Häusern zerstört wurden. Ein Angriff derart tief im armenischen Herzland und zudem noch über der Hauptstadt war ein bis dato einzigartiges Ereignis. Dabei soll auch zum ersten Mal das S-300-Luftabwehrsystem aus russischer Produktion aktiviert worden sein, welches zu den modernsten Systemen seiner Waffenart gehört. Diese konnten zunächst drei Drohnen zerstört, wenig später erfolgte dann der Abschuss des vierten und letzten Flugobjektes, die Meisten davon in der Region Kotayk nordöstlich von Jerewan. Zunächst gab es Berichte darüber, dass Raketen auf Jerewan gestartet wurden, welche sich aber letztendlich als falsch herausstellten. Andere Orte in Armenien wurden bereits in den vergangenen Tagen von Artillerie und Drohnen heimgesucht.

Es herrscht weiterhin Unklarheit über den Erfolg der ersten Tage der aserbaidschanischen Offensive. Armenien gibt zwar zu, einige unspezifische Punkte verloren zu haben, welche jedoch innerhalb den ersten Tagen direkt wiedererobert wurden. Aserbaidschan hingegen beansprucht die Eroberung von mehreren Orten im Südosten und weiteren Fortschritten im Norden Karabachs. Darunter soll sich auch die Stadt Fizuli befinden, welche elf Kilometer von den Frontlinien entfernt wird und damit den größten Erfolg für Aserbaidschan darstellen. Zudem sollen sie einen Berg und weitere Stellungen gesichert haben. Bis auf offizielle Erklärungen gibt es von beiden Seiten keine weiteren Belege, einige veröffentlichte Videos zeigen jedoch, dass zumindest einige Verteidigungsstellungen den Besitzer gewechselt haben.

Derweil fügen aserbaidschanische Drohnen weiterhin dem armenischen Militär erheblichen Schaden zu. Trotz des tagtäglichen Abschusses mehrerer Drohnen ist die enorme Anzahl dieser Waffensysteme die größte Schwäche für Armenien. Inzwischen haben sich die Angriffsmuster der Drohnen verändert: Wurden zunächst Luftabwehrsysteme zerstört, gab es einen Übergang auf Artillerie und nun sogar auf Logistik, Truppentransporter und sogar einfache Soldaten. Sollte Armenien nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu den Drohnen einleiten, könnte es zu einer brutalen Materialschlacht kommen. In dem Zusammenhang wurde das Rätsel über die von Aserbaidschan eingesetzten und über 70 Jahre alten Doppeldecker gelöst: Das Land hat diese Flugzeuge des Typs AN-2 zu provisorischen Drohnen umfunktioniert, die damit bei Aufklärungsmissionen den echten Drohnen helfen sollen. Zudem sollen sie als Köder für die armenische Luftabwehr dienen, wodurch sie bisher mindestens vier Flugzeuge verloren haben.

Während die Präsenz und das Ausmaß syrischer Söldner in Aserbaidschan immer größere Dimensionen ausnimmt und es inzwischen sogar zu Direktflügen zwischen Libyen und Aserbaidschan kommt, starten Baku und Ankara eine eigene Medienkampagne, die über die Präsenz von bis zu „300 kurdischen PKK- oder YPG-Kämpfern“ berichten, die in Armenien Milizen trainieren sollen. Für diese Behauptungen gibt es keinerlei Belege, zudem benötigen ominöse „armenische Milizen“ keinerlei Training von einer anderen syrischen/kurdischen Miliz. Im Gegensatz dazu treffen die ersten Freiwilligen in Armenien an, die aus der armenischen Diaspora stammen. Bisherigen Berichten zufolge sollen ethnische Armenier aus Serbien, Griechenland, dem Libanon und Russland bereits in der Hauptstadt Jerewan angekommen sein, wo sie dann in den regulären Streitkräften integriert werden.

Internationale armenische Freiwillige auf dem Weg nach Jerewan

Aber nicht nur Armenien profitieren von einer großen Diaspora-Bevölkerung, auch Aserbaidschan kann zumindest im Nachbarland Iran auf eine große Unterstützung der aserbaidschanischen Bevölkerung im Nordwesten des Landes zählen, welche insgesamt eine eine größere Anzahl darstellen als die Anzahl der Aseris in Aserbaidschan. Diese protestieren in der Grenzregion gegen die iranische Außenpolitik, die Armenien als wichtigen Verbündeten erachtet und derzeit das einzige Land ist, welches die Grenzen zu Armenien geöffnet hat. Bereits in den Tagen zuvor blockierten Demonstranten den einzigen Grenzübergang zu Armenien, nachdem darüber russische Militärfahrzeuge transportiert wurden. Viele dieser Proteste werden von der Polizei niedergeschlagen. Außerdem wird der Iran immer wieder unfreiwilliges Opfer des Krieges im Kaukasus, nachdem mehrere Artilleriegeschosse Dörfer im Iran trafen, mehrere Drohnen über den iranischen Luftraum abgeschossen wurden und ein aserbaidschanischer Helikopter über den Iran abgestürzt ist.

Dementsprechend bemüht sich nicht nur die iranische Regierung um einen Frieden, sondern auch Russland und zunehmend Frankreich, welches entsprechend ihrer bisherigen Doktrin im Nahen Osten immer aktiver werden. Präsident Macron kritisierte die aggressive Politik Aserbaidschans und der Türkei, wobei er auch den Einsatz syrischer Islamisten im Kriegsgebiet erwähnte. Damit ist Frankreich das erste westliche Land, welches offiziell Stellung zu dem Konflikt bezieht, zugunsten Armeniens. Russland behauptet derweil, mit der Türkei für eine diplomatische Lösung eng zusammenarbeiten zu wollen, ohne jedoch weitere Details zu nennen. Armeniens Außenministerium sagte am Freitag, Armenien sei bereit, mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zusammenzuarbeiten, um einen Waffenstillstand in Bergkarabach, wieder herzustellen.

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