
Schon seit drei Tagen stehen sich armenische und aserbaidschanische Truppen in der Region von Bergkarabach gegenüber, ohne eine Aussicht auf Ruhe oder Frieden. Unentwegt hört man über den Verteidigungsstellungen der armenischen und karabachischen Streitkräfte das Summen der dutzenden Drohnen, die sich bisher als die tödlichste und effektivste Waffe des aserbaidschanischen Arsenal herausstellen, während Positionen in Aserbaidschan immer wieder von den Artilleriesalven Armeniens heimgesucht werden. Trotz schwerer Verluste auf beiden Seiten scheint Armenien und Bergkarabach bisher die Oberhand zu haben und ihr Territorium erfolgreich verteidigen zu können, obwohl Aserbaidschan zu immer schwereren Waffen greift, zuletzt zu den scheinbar unaufhaltsamen Kamikaze-Drohnen, die sogar tief in das armenische Gebiet eindringen. Während die Türkei angeblich einen Kampfjet zerstört, kommt es an der iranischen Grenze zu Spannungen.
Insbesondere im Südosten und Norden Bergkarabachs dauern die Gefechte an. Beide Seiten behaupten für sich, Fortschritte erzielt zu haben. Während Aserbaidschan weiterhin keine Beweise für die Eroberung von sechs Dörfern vorgelegt hat, behauptet Armenien nun, neben der Wiedereroberung mehrerer Punkte auch Fortschritte erzielt zu haben. Einige Lokalisierungen von Videos zeigen zumindest, dass sich die Frontlinien kaum bis gar nicht verschoben haben. Aserbaidschan führt inzwischen nicht mehr nur Angriffe in Bergkarabach, sondern auch auf Armenien durch. Das Dorf Vardenis im Süden des Landes wurde angegriffen, als ein Konvoi an armenischen Freiwilligen den Ort durchquerte. Dabei wurde ein Bus zerstört, die Anzahl der Toten oder Verletzten ist unbekannt.
Ein ungewöhnliches Ereignis war der Abschuss eines aserbaidschanischen Flugzeuges über Bergkarabach. Wenig später stellte es sich heraus, dass es sich um einen AN-2, ein Doppeldecker welcher seit über 70 Jahren eingesetzt wird. Dieser soll aber nicht zur regulären Luftwaffe gehören, sondern zum Grenzschutz. Weshalb man so ein antiquiertes Flugzeug im Kampf eingesetzt hat, ist unbekannt. Einigen Berichten zufolge wurden neben mehreren Kampfhelikoptern sogar eine zweite AN-2 zerstört. Einen weiteren Erfolg für Armenien soll die Eliminierung eines TOS-1-Mehrfachraketenwerfers sein, welcher zu den gefährlichsten Fahrzeugen Aserbaidschans zählt. Hierfür fehlt es bisher aber ebenso an Belegen.
Als besonders prägendes Merkmal der aserbaidschanischen Kriegsführung zählt der mannigfaltige Einsatz von Kampf- und Aufklärungsdrohnen, während Armenien im Vergleich nur wenige UAVs benutzt. Die Drohnen Aserbaidschans stammen in erster Linie aus türkischer und israelischer Produktion, die auch momentan enge Handelsbeziehungen pflegen. Gerade in den etlichen Video ist zu sehen, wie inzwischen immer mehr der sogenannten „Kamikazedrohnen“ eingesetzt werden, welche beim Aufprall auf das Ziel detonieren und meistens mehrere Kilogramm Sprengstoff transportieren. Zudem können sie durch ihre Aufnahmefunktion direkt für Medienzwecke weiterverwendet werden, wodurch so ziemlich alle bekannten Zerstörungen bei Aserbaidschans durch Drohnen erfolgt sind.
Bisher scheint Armenien dieser Drohnengewalt recht schutzlos gegenüber zu stehen, nachdem in den ersten Tagen direkt viele Luftabwehrsysteme zerstört wurden und ein Großteil des Abwehrarsenals diese Drohnen nicht mal erkennen kann. Zwar konnte man insbesondere über die Städte wie Stepanakert dutzende Drohnen abschießen, dennoch existiert das Risiko weiterhin. Vorübergehend scheint man aber Attrappen als falsche Ziele zu nutzen. Ob sich Armenien langfristig gegen diese moderne Kriegsführung aber wehren kann, bleibt die große Frage. Möglicherweise könnten sie mit iranischer Unterstützung, welches in dieser Kategorie zu den Fortschrittlichsten gehört, ihr eigenes Drohnenprogramm errichten.
Währenddessen findet die Propagandaschlacht zwischen den zwei Parteien immer neue Höhen. Während die armenische Regierung davon überzeugt ist, dass Drohnen und Luftwaffe von der Türkei gesteuert und angeführt werden, werfen sich beide Seiten enorme und unrealistische Summen an Verlusten vor. Während Aserbaidschan 20% ihrer gesamten Panzerflotte verloren haben soll, wurden fast 3.000 armenische Soldaten getötet. Derartige inflationären Angaben sind Bestandteil der Medienkampagnen der beiden Länder und haben nur wenig mit der Realität gemein.

Die Beteiligung der Türkei fand am vergangenen Dienstag bisher ihren Höhepunkt, zumindest wenn man dem armenischen Verteidigungsministerium glauben mag. Demnach wurde am frühen Morgen ein armenischer SU-25-Kampfjets über den Süden des Landes durch einen türkischen F16-Jet abgeschossen. Dieser Angriff ist von dem Ganja-Luftstützpunkt im Osten der Türkei aus gestartet worden, obwohl dieser Flughafen mit der Ausnahme von Trainingsmissionen nicht militärisch genutzt wird. Aserbaidschan und die Türkei widersprachen zunächst einem derartigen Vorfall, jedoch revidierte die aserbaidschanische Regierung diese Meldung später und behauptete stattdessen, dass zwei armenische Kampfjets ohne weiteres Zutun abgestürzt seien.
Erst einen Tag später veröffentlichte das Verteidigungsministerium in Jerewan Bilder vom abgestürzten Kampfjet, der Pilot verstarb beim Absturz. Es ist schwierig zu sagen, welche Darstellung die Wahrheit wiederspiegelt. Einerseits kann Armenien das Wrack eines scheinbaren Kampfjets vorlegen, jedoch kam es zu der Meldungen und dem letztendlichen Fund der Jets erst mit wesentlicher Verspätung. Zudem existieren keine weiteren Beweise, die für die armenische Darstellung sprechen. Die Türkei als aktiven Kriegspartner darzustellen, würde im Interesse Armeniens liegen, um vor allem eine aktivere Rolle Russlands zu bewirken. Dementsprechend könnte die türkisch-aserbaidschanische Allianz ebenso lügen, damit es zu keinen internationalen Folgen kommen könnte und stets eine glaubhafte Bestreitbarkeit zu haben.
Abgesehen davon gab es seitens der Türkei wenig Veränderungen. Auch weiterhin dauert die Transportflüge zwischen den beiden Partnern weiterhin an. Weiterhin steht auch die Theorie im Raum, dass die Türkei in Wirklichkeit die Drohnenflotte steuert. Die Meldungen von syrischen Söldnern in Aserbaidschan werden immer mehr, inzwischen sollen bereits bis zu zehn Syrer tot sein. Die meisten davon stammen aus den syrischen Provinzen Idlib oder Homs und sollen zu der Hamza-Division gehören. Die Präsenz syrischer Islamisten in Aserbaidschan ist inzwischen nur noch ein offenes Geheimnis.
Neben der Türkei nimmt auch der Iran eine unfreiwillige, aber immer größer werdende Rolle im Konflikt ein. Diversen Medienberichten zufolge konnten an der iranisch-aserbaidschanischen Grenze bisher zwei aserbaidschanischen Drohnen zerstört werden, nachdem sie nach eigener Darstellung den iranischen Luftraum verletzten. Das ist nicht unbedingt überraschend, da ein Teil der Gefechte nur wenige Kilometer vom Iran entfernt stattfinden. Zudem nimmt die iranische Regierung in dem Krieg keine neutrale Rolle ein, sondern sieht sich als wichtiger Unterstützer Armenien.
Aufgrund dessen sind auch Videos aufgetaucht, die am einzigen iranisch-armenischen Grenzübergang bei Nordooz den angeblichen Transport von russischen Militärfahrzeugen zeigen. Unklar ist jedoch, ob es sich hierbei um russische Waffenlieferungen nach Armenien handelt, da Georgien das eigene Territorium für russischen Verkehr gesperrt hat oder um russische Verstärkungen für die eigene Militärbasis in Armenien. Möglich sind auch iranische Waffenlieferungen in Form von Fahrzeugen aus russischer Produktion, wobei das erste Szenario als am wahrscheinlichsten gilt. Ohnehin nutzt Russland den iranischen Luft- und Landweg als Umweg nach Armenien, nachdem es keine andere Option für den eingeschlossenen Staat im Kaukasus gibt.
Derartige Aktionen und Gerüchte befeuern wiederum die ethnischen Spannungen. Im Nordwesten des Irans leben mehr ethnische Aseris als in Aserbaidschan, weshalb einige von ihnen die Straßen nach Armenien sperrten, teilweise sogar Straßenblockaden aufstellten. In Georgien gibt es ein ähnliches Szenario, nachdem Hunderten Armeniern die Grenzüberquerung nach Armenien verwehrt wurde. Viele von ihnen wollen sich als Freiwillige für das Militär melden und sich damit dem Krieg anschließen. Andere wiederum blockieren die Grenzübergänge zwischen Georgien und der Türkei. Demnach nutzt der anatolische Staat Georgien als Luftbrücke für Lieferungen nach Aserbaidschan.