
In Belarus dauern die Proteste trotz der zunehmend repressiveren und restriktiveren Maßnahmen der belorussischen Regierung weiterhin an. Unbeirrt gehen Hunderttausende im ganzen Land auf die Straße, um sich für demokratische und freie Wahlen einzusetzen. Amtierender Präsident Aleksandr Lukaschenka reagiert darauf nur mit dem Einsatz eigener Sicherheitskräfte, welche Gummigeschosse einsetzen und zur Einschüchterung mehrere Läden zerstören. An vorderster Front dieser Entwicklungen befinden sich immer mehr Frauen, welche sich damit auch gegen die patriarchalischen Strukturen in Belarus auflehnen und zur Avantgarde „der Revolution“ avancieren, nachdem sie mit der inzwischen nach Litauen abgeschobenen Präidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja eine neue Ikone gewonnen hatten.
Die Aktionen und Reaktion der belorussischen Führung sind weiterhin unklar. Nachdem man die Kundgebungen wochenlang verhältnismäßig laufen ließ, kommt es inzwischen wieder zu mehr gewaltsamen Aktivitäten der Polizei und einem Anstieg von Verhaftungen, viele davon direkt bei den Demonstrationen. Viele davon werden von maskierten Männern in unmarkierten Vans verschleppt und daraufhin zu unbekannten Orten gebracht. Dabei setzen die Sicherheitskräfte auch vermehrt schwere Mittel ein, darunter inzwischen mehrere Wasserwerfer oder auch Gummigeschosse und Tränengas. Dennoch können sie die enorme Masse an Menschen nicht aufhalten, insbesondere in der Hauptstadt Minsk trafen sich am Sonntag erneut Hunderttausende im Regierungsviertel, um dort gegen die Herrschaft von Lukaschenka zu demonstrieren.
Vor einer Woche zerstörten einige der von der belorussischen Regierung eingesetzten Sicherheitskräfte mehrere Schaufenster eines Cafes in der Innenstadt von Minsk. Der Hintergrund für diesen Akt ist jedoch unbekannt, wahrscheinlich wurde versucht, inspiriert aus anderen Ländern wie den USA oder Frankreich, die Protestbewegung als destruktiv-gewalttätig zu diskreditieren. Stattdessen kam es aber zum Gegenteil, Hunderte besuchten aus Solidaritätsbekundung das Cafe und spendeten Gelder für die Reparatur. Ein anderes Ereignis war die versuchte Deportation von Marija Kolesnikowa, einem Mitglied des siebenköpfigen „Koordinationsrates“, welches von der Opposition aufgestellt wurde und ein Großteil der Mitglieder von Belarus verhaftet oder zum Umzug in die Nachbarländer gezwungen wurde.

Kolesnikowa wurde mit zwei Mitarbeitern am 7. September von „unbekannten Tätern“ in Minsk entführt, wie die Polizei feststellte. An der Grenze zur Ukraine wurde sie dann vom belorussischen Grenzschutz festgenommen, nachdem sie sich gegen ihre „Abschiebung widersetzte“ indem sie ihren Pass zerriss. Seitdem befindet sie sich unter Untersuchungshaft in Belarus, nähere Details sind unbekannt. Damit wehrt sie sich unter persönlichem Risiko dagegen, die Opposition in das Exil zu schicken und damit den Narrativ einer „vom Ausland gesteuerten Opposition“ zu stärken.
Stattdessen ist das öffentliche Bild der Demonstrationen in Belarus zunehmend vor allem von einer Bevölkerungsgruppe geprägt: Der Frau. Ihnen ist es gelungen, nicht nur einen bedeutenden Teil der oppositionellen Politik einzunehmen, sondern auch in den Protesten an vorderster Front aktiv zu sein. Eine Ursache hierfür ist vor allem im Frauenbild Weißrusslands zu finden, welches typisch patriarchalisch geprägt ist und das weibliche Geschlecht als das „Schwache, Weiche und Unterwürfige“ dargestellt wird. Dementsprechend weniger brutal gehen Sicherheitskräfte gegen Frauen im Vergleich zu Männern vor, welche oftmals direkt verprügelt und wesentlich öfters festgenommen oder entführt werden, obwohl die Anzahl der festgenommenen Frauen in letzter Zeit zunimmt.
Dadurch trauen sich Frauen auch mutigere Aktionen. Zum Beispiel hat es sich als sehr effektive Taktik herausgestellt, die Masken oder Sturmhauben von der Polizei, Sicherheitsdiensten oder als Zivilisten verkleidete Militärs herunterzuziehen und sie damit der Öffentlichkeit zu offenbaren, wodurch sie schnell den Rückzug antreten. Auch blockieren sie oftmals den Zugang zu den Demonstrationszügen oder beschützen Personen, die von der Regierung gezielt gesucht werden. Zugleich nehmen Frauen aber auch ein größeres Risiko in Bezug auf ihr Privatleben ein, einige Männer drohen mit der Scheidung und/oder lassen sie nicht zu den Demonstrationen. Inspiriert durch die Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja scheint nicht nur Belarus einen Wandel zu erleben, sondern auch die Gesellschaft.
Mit einer Naziflagge und „Demokraten“?
Junge, du bist auf dem holzweg!
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Die weiß-rote Flagge wurde viele Jahre vor den Nazis bereits verwendet und war wieder die offizielle Flagge von 1991 bis 1995. Dabei ist die nicht Ausdruck irgendeiner rechtsextremer Gesinnung, eher ein Zeichen eines souveränen Weißrusslands fernab der Sowjetunion/Russlands (auch wenn die Proteste nicht anti-russisch sind).
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