
Während in weiten Teilen Syriens seit Monaten eine Waffenruhe herrscht, bildet der Osten des Landes eine Ausnahme davon: Seit Jahren sind dort die Überbleibsel des Islamischen Staates aktiv, attackieren Infrastruktur, Zivilisten und Militärstellungen der syrischen Regierung genauso wie jene der kurdisch-arabischen „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF). In letzter Zeit haben derartige Aktionen der Terrormiliz erheblich zugenommen, bedrohen sogar die wenigen Städte mitten in der Wüste Ostsyriens. Deswegen starteten die syrischen Streitkräfte mit der Unterstützung Russlands eine neue Operation gegen den Islamischen Staat. Jedoch gibt es ernsthafte Zweifel an den Erfolg einer solchen Offensive, wie die Vergangenheit bereits bewiesen hat.
Anfang September starteten reguläre Streitkräfte mit der Unterstützung diverser Milizen wie Liwa al-Quds eine neue Säuberungskampagne östlich der Wüstenstadt Palmyra, dessen zweifache Eroberung durch den Islamischen Staat und die daraus resultierende Zerstörung antiker Kulturstätten zu trauriger Berühmtheit geführt hat. Bisherigen Angaben zufolge soll man die Siedlung Dubayat und das gleichnamige, 800 Quadratkilometer große Erdgasfeld erobert haben, nachdem IS-Kämpfer tagelang den Ort verteidigt hatten. Trotz diesen Erfolges bedrohen unabhängige Verbände des Islamischen Staates weiterhin wichtige Ziele, insbesondere nahe der Großstadt Deir ez-Zor und im Süden der Provinz Raqqah intensivierte die dschihadistische Organisation ihre Angriffe in den letzten Monaten. Dort konnten sogar russische Luftschläge den Tod dutzender Soldaten in Folge von Überfällen nicht verhindern.
Zu den beliebtesten Zielen der versprengten IS-Kämpfer zählt die Infrastruktur, immer wieder werden in der Wüste Pipelines von Erdgas- und Erdölfeldern wie al-Shaer sabotiert, sodass die Versorgung unterbrochen ist. Derzeit sind einige Raffinerien aufgrund der „anhaltenden Sicherheitslage“ präventiv geschlossen. Auch die Phosphat-Minen südwestlich der Wüstenstadt Palmyra sind ständigen Übergriffen ausgesetzt, der Abbau und Transport des für die Regierung als wichtige Einkommensquelle dienendes Phosphat ist dadurch stark eingeschränkt. Besonders effektiv sind aber auch die ständigen Überfälle auf die N7-Straße, welche Ost- und Westsyrien miteinander verbindet und quer durch die Wüste verläuft. Dort werden gleichermaßen Militärkonvois als auch reguläre Warentransporter überfallen und Insassen ermordet, wodurch der Weg weiterhin als sehr gefährlich gilt.
Der IS besitzt im Norden und Osten des Landes weiterhin eine große Präsenz, obwohl der offiziell aus dem Land vertrieben wurde. Schläferzellen erstrecken sich quasi über das gesamte Gebiet, welches von ihnen einst kontrolliert wurde und nährt sich teilweise aus der Unterstützung der lokalen, arabischen Bevölkerung. Inzwischen wird der Islamische Staat mutiger und dringt immer tiefer in Syrien hinein, zuletzt verübten sie Angriffe im Osten der Provinz Hama oder im Süden von Raqqah, wo sich der IS seit Jahren nicht mehr zeigte. Die UN schätzt die Anzahl der verbliebenen IS-Kämpfer in Syrien und Irak auf 10.000, wobei eine Mehrheit davon im Irak aktiv ist.
Die Wüste zwischen Syrien und Irak (Badia al-Sham) ist Operationsbasis und Rückzugsgebiet der versprengten IS-Kräfte in Syrien. Aufgrund des ungünstigen Terrains und kaum existenter Infrastruktur können sich die mobilen IS-Kämpfer ungehindert bewegen und damit den ständigen Säuberungskampagnen der SDF, der syrischen Armee oder irakischer Streitkräfte entfliehen. Deswegen gibt es auch ernsthafte Zweifel am Erfolg der derzeitigen Offensive, da bereits in der Vergangenheit die erhoffte Wirkung ausblieb und man stattdessen nach kurzer Zeit wieder mit den üblichen Überfällen zu kämpfen hatte. Aufgrund der Präsenz islamistischer Aufständische in anderen Teilen Syriens ist es der syrischen Regierung auch nicht möglich, einen Großteil ihrer Kräfte und Kapazitäten auf die Bekämpfung des Islamischen Staates zu konzentrieren.