Im Libanon reißt der Effekt der tödlichen und verheerenden Explosion im Hafen der Hauptstadt Beirut nicht ab: Die libanesische Regierung kündigte ihren Rücktritt an, nachdem es tagelang zu schweren Protesten in Beirut kam und vereinzelte Minister bereits zurücktraten. Die Regierungskoalition scheint in erster Linie zu versuchen, dadurch die Lage zu beruhigen und zumindest einigen Forderungen der Demonstration nachzukommen. Jedoch gibt es innerhalb der Bewegung nur wenig Hoffnung auf tatsächliche Änderungen, da eine neue Regierung lediglich die Fortführung der bestehenden Strukturen bedeuten und lediglich andere Parteien den Platz einnehmen würden, welche von den Protesten ebenso für ihre Korruption und ihr „Clanverhalten“ kritisiert werden.
Es gab vorab bereits Indizien dafür, dass die Regierung zurücktreten könnte, nachdem der „Informationsminister“ Manal Abdel Samad und Damianos Kattar als Vertreter des Entwicklungsministeriums einen Tag zuvor ihre Posten verließen. Beide waren unabhängige Kandidaten und gehörten dementsprechend keiner Partei an. Andere Parlamentsmitglieder zogen ähnliche Konsequenzen. Auch wenn bisher nichts bestätigt ist, wird wohl Premierminister Hassan Diab als vorübergehender Präsident agieren, bis es zu Neuwahlen kommt. Ein großer Teil der Demonstranten erhofft sich durch Neuwahlen aber keinen tatsächlichen Wandel, vor allem da allen etablierten Parteien, die in irgendeiner Form in den letzten Jahrzehnten an der Regierung beteiligt waren, eine Mitschuld an der gegenwärtigen Situation im Libanon zugeschoben wird, welche vor allem von Korruption, Starrheit und einer schweren Wirtschaftskrise geprägt ist.
Die Explosion im Hafen von Beirut, welche 160 Menschen tötete und 5000 verletzte, wird in weiten Teilen der Bevölkerung nur als neuester Ausdruck des staatlichen Versagens angesehen, welche sich nicht um die sichere Lagerung oder Verteilung von 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat kümmerte, welche fast sieben Jahre lang unberührt in einem Warenhaus eingelagert waren. Für viele Menschen wurde ihre Existenz zerstört, ihre Heimat und auch ihre eigenen Wohnungen sind teilweise schwer beschädigt. Der Hafen von Beirut ist die größte Hafenanlage des Landes und zugleich für die gesamte Region wirtschaftlich bedeutsam, ein Großteil des Imports wurde darüber abgewickelt, insbesondere nach dem Zusammenbruch des Lufttransports durch Covid-19 (der Hauptstadt-Flughafen wurde ebenfalls durch die Explosion beschädigt). Besonders wichtig ist der Hafen für den Nahrungsimport, dessen Zerstörung könnte ungeahnte Folgen nach sich ziehen. Viele Menschen stehen nun vor dem Aus inmitten eines Landes, welches seit Monaten mit einer schweren Wirtschaftskrise zu kämpfen hat, die Regierung kaum zahlungsfähig ist und zudem in letzter Zeit immer wieder Spannungen mit Israel hatte.
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