Überraschenderweise verkündete die Arabische Koalition unter der Führung Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate eine einseitige Waffenruhe im jemenitischen Konflikt, nachdem man vor sechs Jahren in den Krieg am südlichen Ende der arabischen Halbinsel intervenierte. Während es nicht die erste Waffenruhe in dem Konflikt und in diesem Jahr darstellt, ist es der erste Frieden, welcher von der Arabischen Koalition aus beschlossen wurde. Die Waffenruhe soll zunächst ab Donnerstag für zwei Wochen andauern. Offiziell wird als Grund die Bekämpfung der Corona-Pandemie im Jemen genannt, jedoch musste die saudische Koalition und ihre Stellvertreter über die letzten Wochen hinweg einige Verluste erleiden und wichtige Gebiete aufgeben. Außerdem schafft es die Bedingungen, sich vollständig aus dem Konflikt zurückzuziehen.
„Wir bereiten den Boden für den Kampf gegen Covid-19“, mit diesen Worten legitimierte die Regierung Saudi-Arabiens die neue Waffenruhe im Jemen. Man erhoffe sich, dass die mit ihn verfeindeten Houthi-Rebellen, auch bekannt unter dem offiziellen Namen „Ansar Allah“, sich auch an diese Waffenruhe halten werden, ansonsten werde man das „Recht auf Verteidigung“ nutzen, sollten die Houthis eigene Stellungen attackieren. Sollten sich die Houthis hingegen zu einer Waffenruhe gewillt sein, so könnte es zu Gesprächen über einen längeren Frieden geben. Damit könnten Bedingungen für ein Treffen zwischen Vertretern der jemenitischen Exilregierung und den Houthis geschaffen werden, um über einen dauerhaften Waffenstillstand zu sprechen.
Ein solches Experiment gab es jedoch bereits im letzten Jahr, wo sich alle involvierten Fraktionen im Zug der Stockholm-Verhandlungen auf eine Waffenruhe einigten, welche jedoch nach mehreren Monaten wieder gebrochen wurde (mit der Ausnahme der einst schwer umkämpften Hafenstadt al-Hodeidah) und seitdem es über weite Teile des Landes wieder zu Gefechten gekommen ist. Ob das Coronavirus zu einer stabileren Waffenruhe verhelfen kann, bleibt abzusehen. Immerhin bestätigten die Houthis ihre Bereitschaft zu Gesprächen unter dem Dach der UN und übermittelte eigene Forderungen, z.B. die Eröffnung des Sanaa-Flughafens oder das Ende der Blockade, beides würde gegen die Corona-Pandemie helfen.
Denn der Ausbruch im vom Bürgerkrieg geprägten Land hätte fatale Folgen: In dem ohnehin schon ärmsten arabischen Land ist die durch Krieg und die Seeblockade Saudi-Arabiens hervorgebrachte Situation kritisch, die medizinische Infrastruktur ist völlig zusammengebrochen. Es ist nahezu unmöglich, Medizin oder Geräte aus dem Ausland zu importieren, zudem gab es in der Vergangenheit immer wieder große Ausbrüche von Hungersnöten oder Cholera, die Hunderte Menschen töteten. Offiziell gibt es noch keinen bestätigten Corona-Fall, jedoch ist das eher auf die schlechte Infrastruktur zurückzuführen. Die verschiedenen Fraktionen selber im Land haben nur entsprechend ihrer Möglichkeiten nur wenige Maßnahmen unternommen, die den Ausbruch präventiv verhindern bzw. verlangsamen können. So wurden von allen Seiten Qat-Märkte geschlossen und zumindest die Houthis haben in der Hauptstadt Sanaa Desinfektionskampagnen gestartet.
Jedoch unterliegt diese von der Arabischen Koalition beschlossene Waffenruhe wohl auch ein anderer Grund. Die vorübergehende Beendigung aller Militäroperationen im Jemen ist vor allem ein Zugeständnis für die Houthi-Rebellen, welche sich seit sechs Jahren erfolgreich gegen das internationale Bündnis wehren können, teilweise sogar Territorium in Saudi-Arabien erobern und mithilfe iranischer Unterstützung ein bedrohliches Drohnen- und Raketenarsenal aufbauen konnten, welche die gesamte Halbinsel treffen können, bisher befanden sich darunter Ziele wie der Flughafen von Abu Dhabi oder kritische Öl-Infrastruktur im Osten von Saudi-Arabien.
In letzter Zeit scheint es keine Ermüdungserscheinungen bei den Houthis zu geben, stattdessen konnten sie neue Territorien im Nordwesten sichern: Die Provinz al-jawf mitsamt der Provinzhauptstadt bietet die perfekte Gelegenheit, um die bisher vom Konflikt verschonte und strategisch wichtige Stadt Marib zu erobern. Von dort aus ist das Tor in Richtung Ost-Jemen geöffnet, wo sich wichtige Ressourcen wie Gas oder Öl befinden. Zudem befindet sich nahe Marib der letzte offene Grenzübergang zwischen Saudi-Arabien und seinem südlichen Nachbar. Während dessen scheinen die Golfstaaten eher mit sich beschäftigt zu sein, durch Corona und dem Absturz des Ölpreises wird die gegenwärtige und wenig erfolgversprechende Operation im Jemen immer kostspieliger, nicht umsonst kündigte die Vereinigten Arabischen Emirate inzwischen an, sich weitgehend aus dem Land zurückzuziehen, was die Isolation von Saudi-Arabien weiter stärkt.