In einer direkten Konfrontation zwischen der Syrisch-Arabischen Armee (SAA) und türkischen Streitkräften in der letzten, noch von Islamisten kontrollierten Provinz Idlib starben insgesamt sechs türkische Soldaten. Anlass hierfür ist der Versuch der türkischen Regierung, die gegenwärtige Offensive der syrischen Einheiten aufzuhalten und damit ihre islamistischen Stellvertreter in Syrien vor einer Niederlage zu bewahren. Während die Türkei von „Vergeltungsschlägen“ mit Dutzenden Toten in den Reihen der syrischen Armee spricht, bestreiten Russland und Syrien derartigen Aussagen. Es ist nicht das erste Mal, dass türkische Soldaten in Idlib umgebracht werden, jedoch könnte es zu einer ernsthaften Konfrontation zwischen den beiden Fraktionen im Nordwesten Syriens führen.
Die sechs türkischen Soldaten wurden in einer ihrer Militärbasen nahe der Stadt Saraqib getötet, neun Weitere wurden verletzt. Der Ort ist das nächste Ziel der derzeitigen Idlib-Offensive, mit der Einnahme von Saraqib würde die ganze M5-Autobahn zwischen den Großstädten Hama und Aleppo gesichert werden, zudem liegt die Stadt nur etwa 12 Kilometer von der gleichnamigen Provinzhauptstadt Idlib entfernt, dazwischen befinden sich nur noch wenige Dörfer. In den letzten Tagen konnte die SAA auf bis zu zwei bis vier Kilometer an die Stadt heranrücken und war im Inbegriff, Saraqib zu erobern, hätte die türkische Regierung nicht direkt mit eigenen Truppen interveniert.
Denn vor wenigen Tagen, in einer scheinbaren Nacht-und-Nebel-Aktion, wurden mehrere türkische Militärkonvois in die Stadt gebracht, die dort an drei Ortseingängen bzw. -ausgängen (Norden, Süden und Westen) ihre sogenannten „Observierungspunkte“ errichteten, vorgeschobene Militärbasen, welche eigentlich die zwischen Russland und der Türkei ausgehandelte Waffenruhe beobachten sollten, effektiv jedoch nur den Einfluss der Türkei auf ihre Stellvertreter ausweitete. Jedoch hat die Vergangenheit bereits bewiesen, dass diese sogenannten „Observierungspunkte“ von der SAA ignoriert und ohne Probleme umkreist werden. So befinden sich drei türkische Stützpunkte tief im Territorium der syrischen Regierung, in zweien davon befinden sich türkische Soldaten seit Monaten eingeschlossen. In West-Aleppo befindet sich ein weiterer Observierungspunkt der Türkei, welcher in Kürze eingenommen werden könnte.
Es ist aber ungewöhnlich, dass türkische Einheiten auch innerhalb der Stadt und damit nicht nur in ihren Militärbasen präsent sind, sondern der Versuch, während einer andauernden Offensive derart direkt zu intervenieren. Seit Wochen werden auch enorme Mengen an Artillerie und Raketen von der syrischen Armee genutzt, welche dementsprechend auch Kämpfer und Truppen innerhalb Saraqibs bedrohten. Es ist nicht das erste Mal, dass türkische Soldaten durch die SAA getötet wurden. Bereits im Juni wurde ein türkischer Soldat ermordet, nachdem ein Artilleriegeschoss einen Observierungspunkt in den Ghab-Feldern in West-Idlib traf. Dort gab es aber keine öffentliche Reaktion der Türkei.
Als Reaktion auf den Tod der türkischen Soldaten verkündete Präsident Erdogan „Vergeltungsschläge“ auf Verteidigungsstellungen der syrischen Streitkräfte südlich von Saraqib, demnach wurden durch mehrere Luftschläge bis zu 40 Soldaten getötet. Russland und die syrische Regierung widersprechen diesen Angaben vehement, demnach kam es zu keinen Angriffen seitens der Türkei, vor allem da der syrische Luftraum von Russland blockiert ist und es damit zu keinen Luftbombardements kommen kann.