Könnte es in näherer Zeit zu einer zweiten Idlib-Offensive der Syrisch-Arabischen Armee (SAA) kommen? Danach schaut es derzeit aus, wenn man den neuesten Berichten glauben mag. Im Schatten der türkischen Invasion in Nordsyrien soll es zu Vorbereitungen für die „zweite Phase“ der Idlib-Offensive in der gleichnamigen Provinz kommen, nachdem die syrischen Truppen im vergangenem Sommer weite Teile des südlichen Idlibs und dem Norden der Provinz Hama erobern konnte, darunter auch die strategisch wichtige Stadt Khan Sheikhoun. Bisher sind sämtliche Ziele der „zweiten Phase“ unbekannt, entlang der gesamten Frontlinie von Latakia bis Aleppo kommt es zu Vorbereitungen und stärkeren Angriffen. Die Provinz Idlib ist die letzte, noch von Islamisten kontrolliere Provinz in Syrien und zudem ein faktisches Schutzprotektorat der Türkei.
Über den gesamten Idlib-Frontabschnitt erreichen neue Einheiten der syrischen Armee die Front, auch russische Truppen als Unterstützer werden vermehrt gesichtet. Besonders zugenommen und intensiviert haben sich die Luftangriffe der russischen und syrischen Kampfjets, welche sich in erster Linie auf die Gebiete im Süden Idlibs konzentrieren. Dadurch erscheint es wohl als wahrscheinlichste Option, dass die SAA weitere Teile Süd-Idlibs erobern und bis zur nächstgrößeren Stadt Maraat al-Numan vorrücken könnte, welche an einem wichtigen Verkehrsknoten liegt und auf halben Wege zwischen Hama und Aleppo liegt. Von dort aus sind es lediglich 30 Kilometer bis zur gleichnamigen Provinzhauptstadt Idlib.
Der syrischen Regierung und dem Präsidenten Bashar al-Assad würde damit die nächste große Eroberung gelingen, nachdem die „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) sämtliche Gebiete im Norden und Osten Syriens unter gemeinsame Verwaltung mit der Regierung stellen, die Armee also auf friedlichem Wege ein Drittel des syrischen Territoriums wieder kontrolliert. Einzig Idlib verbleibt als relevante Oppositionsbasis, Viele der dort stationierten Islamisten wurden von der Türkei eingezogen und werden dementsprechend in Nordsyrien derzeit eingesetzt, was Idlib noch verwundbarer macht. Zudem besitzt die Türkei mehrere Observierungspunkte entlang der Frontlinie, welche Offensiven auf beiden Seiten verhindern sollen. Jedoch konnten die Türkei bereits die erste Phase der Armeeoperation nicht stoppen und wurde sogar südöstlich von Khan Sheikhoun umkreist, dort sind türkische Einheiten bis heute eingeschlossen.
Russland und die Türkei einigten sich im letztem Jahr gemeinsam auf eine etwa 15 bis 20 Kilometer breite „demilitarisierte Zone“ entlang der Frontlinien in den Provinzen Idlib, Hama und Aleppo. Diese Pufferzone soll eine militärische Eskalation der derzeitigen Situation in Idlib verhindern, die letzte von der Opposition bzw. Islamisten gehaltene Provinz in Syrien. Die Kontrolle sollen dann türkische und russische Patrouillen in einem Gebiet übernehmen, welches vom Latakia-Gebirge bis an die Großstadt Aleppo reicht. Mit diesen Verhandlungen konnten beide Länder eine lange vorbereitete und angekündigte Großoffensive der Syrisch-Arabischen Armee zumindest vorerst aufhalten. Jedoch zeigten sich schnell von beiden Seiten ein Desinteresse an einer Waffenruhe und mit kurzweiligen Unterbrechungen kommt es wieder zu intensiven Gefechten entlang des gesamten Frontabschnittes, die in der Eroberung von Nord-Hama für die syrische Armee mündete.