Überraschenderweise konnten die syrische Regierung und das kurdisch-arabische Bündnis der „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) in der vergangenen Nacht eine neue Vereinbarung finden, die die Stationierung der syrischen Armee entlang der syrisch-türkischen Grenze, die Verteidigung gegen die türkische Militäroffensive „Operation Friedensquelle“ und die friedliche Übernahme von mehreren Städten beinhaltet und damit ein faktisches Bündnis gegen die Türkei und ihre syrischen islamistischen Verbündeten bedeutet. Damit kann sich die SDF vor einer drohenden Niederlage gegen die Türkei und aus der selbstverschuldeten politischen Isolation befreien, nachdem die USA bereits zum wiederholten Male den Abzug ihrer Truppen ankündigte. Es könnte ein neues und finales Kapitel für den syrischen Bürgerkrieg bedeuten.
Bisherigen Berichten zufolge soll die syrische Armee entlang weiten Teilen des Grenzgebietes stationiert werden, darunter auch die wichtigen Städte wie Manbij oder die Grenzstadt Ayn al-Arab (besser bekannt als Kobane) und in Städten, wo die syrische Regierung bereits präsent war und relativ friedlich mit der SDF koexistierte, wie Qamishli und Hasakah, ihren Einfluss ausbauen. Bereits in der Nacht bewegten sich erste Militärkonvois von Aleppo und Qamishli in umliegende Gebiete, nahe dem seit Jahren umkämpften Ort Manbij soll die USA, welche auch weiterhin in einigen Teilen Nordsyriens stationiert ist, zunächst das syrische Militär aufgehalten haben, aufgrund dessen steht die Armee nun vor den Toren der Stadt und erwartet den Abzug amerikanischer Truppen. Ein ähnliches Bild soll sich auch bei Kobane ergeben haben, jedoch gibt es dafür noch keine wirklichen Garantien. Reibungslos hingegen verlief die Übernahme von vielen Vierteln Qamishlis und Hasakahs, auch die Umgebung der strategisch sehr wichtigen Stadt Tabqa mit seinem Staudamm nahe Raqqah soll bereits unter der Kontrolle der syrischen Regierung stehen.
Die Türkei scheint von dieser Entwicklung überrascht zu sein und schickte nachdem man zunächst einen derartigen Deal leugnete, eigene Truppen und Verbündete nach Richtung Manbij, um dort der syrischen Armee zuvorzukommen. Jedoch hinderte der Widerstand des arabisch-kurdischen Militärbündnisses jegliches Vorrücken und ermöglichte es, den syrischen Soldaten eine Verteidigungsstellung um Manbij herum zu errichten. Unabhängig der neuen Entwicklungen führte die Türkei ihre Angriffe in einigen Orten fort, z.B. kommt es weiterhin in der Grenzstadt Ras al-Ayn zu schweren Häuserkämpfen.
Die Regierung und SDF hatten stets ein ambivalentes Verhältnis zueinander, während die Regierung auf die vollständige Kontrolle des gesamten syrischen Territoriums pochte, verlangte die SDF weitreichende Autonomie in ihren Gebieten. Zudem versuchte die USA, jegliche Verhandlungen und Beziehungen zwischen den beiden Seiten zu unterbinden. Vereinzelt kam es immer wieder zu militärischen Bündnissen, z.B. in Aleppo oder Afrin. Bei der Unterstützung der Aufhebung der Belagerung von den schiitischen Städten Nubl und Zahraa schenkte die Regierung sogar dem Kurden mehrere Orte in Nord-Aleppo.
Der Vertrag zwischen syrischer Regierung und der Verwaltung von Nord- und Ostsyrien könnte das faktische Ende des Krieges bedeuten, da sich die zwei mächtigsten Fraktionen ohne Blutvergießen auf einen Frieden einigen können. Die letzte noch von Islamisten gehaltene Provinz Idlib ist militärisch stark unterlegen und existiert nur noch auf Türkeis Gnaden. Bisher sind die genauen Spezifikationen der Vereinbarung ungeklärt, einzig sicher ist ein militärisches Bündnis und die zunächst gemeinsame Verwaltung der nordsyrischen Gebiete, die SDF-Verbände soll angeblich in die Regierungsarmee integriert werden. In jedem Falle hat die engere Kooperation bereits erste geopolitische Auswirkungen: Nachdem die USA den nahezu vollständigen Abzug der eigenen Truppen ankündigte, soll Frankreich sich ebenfalls aus Nordsyrien zurückziehen.