In der südjemenitischen und provisorischen Hauptstadt Aden herrscht der Ausnahmezustand. Anhänger einer südjemenitischen Unabhängigkeitsbewegung mit der Unterstützung der Vereinigten Arabischen Emirate leisten sich vereinzelt Plänkeleien mit Soldaten der Exilregierung von Mansour Hadi, welcher hingegen von Saudi-Arabien gestützt wird. Es ist nicht das erste Mal, dass die Separatisten mit der Unterstützung der verarmten und vernachlässigten Bevölkerung die Macht in der zweitwichtigsten Stadt des Landes an sich reißen, bereits im Januar 2018 konnte Aden innerhalb von Stunden komplett von den Truppen Hadis geräumt werden. Erst durch die Intervention der Golfstaaten konnte ein endgültiger Riss zwischen den zwei grundverschiedenen Gruppierungen verhindert werden, man einigte sich auf eine gemeinsame Regierung. Dieses Zwangsbündnis könnte nun ein Ende finden und in den jemenitischen Konflikt eine völlig neue Dynamik bringen.
Bewohner beschreiben das derzeitige Geschehen in Aden als den größten Gewaltausbruch seitdem die Houthi-Rebellen 2014 einen Angriff auf den Süden des Landes starteten, jedoch früh wieder zurückgeschlagen wurden. Einige Viertel sind völlig von der Außenwelt abgeschnitten, Strom- und Wasserknappheit haben sich noch weiter verstärkt. Militärisch dominieren klar die südjemenitischen Unabhängigkeitskämpfer, welche ohne großes Blutvergießen mehrere Militärbasen erobern konnten. Das Präsidentenpalast und mehrere Ministerien sind derzeit umstellt, im Palast sollen bereits 50 Soldaten eine Kapitulation akzeptiert haben und stellten sich dementsprechend den Sicherheitskräften. Viele Soldaten der Hadi-Regierung oder des Milizenbündnisses der „Security Belt Forces“ (SBF) desertierten und schlossen sich daraufhin der „Southern Resistance“, der wichtigsten Streitmacht südjemenitischer Aufständischer, an. Saudi-Arabien verkündete, „Gefahren der Regierung“ mit Luftschlägen angegriffen zu haben.
Es ist unklar, wie sich die derzeitige Situation weiterentwickeln könnte. Möglich ist eine Wiederholung des 2018-Szenarios, aufgrund der Intervention ausländischer Mächte kann der Status Quo wiederhergestellt werden, die Regierung von Mansour Hadi bleibt im Amt und das wackelige Bündnis wird sich weiterhin aufgrund der externen Houthi-Gefahr halten. Dies würde jedoch nur das Unausweichliche weiter verzögern und die Unzufriedenheit der notleidenden Bevölkerung, welche ein unabhängiges Südjemen mehrheitlich unterstützen würden, nur nähren. Sollte die „Southern Resistance“ wiederum Fakten schaffen wollen, so würde der politische Flügel unter der Führung des ehemaligen Aden-Gouverneurs Abu al-Zubaidi die Regierungsgeschäfte übernehmen und eine südjemenitische Unabhängigkeit wahrscheinlich werden lassen. Die Bevölkerung erhofft sich dadurch eine bessere Lebenssituation.

Militärisch hätte dies wiederum weitreichende Folgen, da eine geteilte Nation im starken Kontrast zu den Zielen von Hadi steht und er auch in einigen Teilen des Landes Unterstützung erhält. Im Osten ist wiederum die Islah-Partei, der jemenitische Ableger der Muslimbruderschaft, stark präsent, welche vom Südjemen als Rivalen gesehen werden. Diese Zersplitterung würde wiederum den Houthi-Rebellen, welche traditionell stark im Norden des Landes sind, zum Aufwind verleiten. Sie unterstützen wie die Regierung ein vereintes Jemen, dennoch sind ihre Ambitionen im Süden des Landes eher schwach. Zudem gelten sie dort als äußerst verhasst und hatten jahrelang ein Bündnis mit dem nordjemenitischen Präsidenten Abu Saleh inne.
Anlass für den neuesten Gewaltausbruch in Aden ist der Tod von Abu al-Yamama bei einer Militärparade durch einen Drohnenangriff der Houthi-Rebellen. Al-Yamama war Anführer der „First Support Brigade“, Eine der wichtigsten Einheiten innerhalb der „Security Belt Forces“ und ihr Steckenpferd. Sie war vor allem im Raum von Aden, aber auch im ganzen Süden des Jemens, aktiv. Die SBF ist ein Milizenbündnis, welches als Projekt der Vereinigten Arabischen Emiraten angesehen wird, seinen eigenen Einfluss auch gegen Saudi-Arabien im südlichen Nachbar auszubauen.
Darunter befinden sich auch Gruppierungen, die die erneute Unabhängigkeit des Südjemens fordern, im Gegensatz zu der „Southern Resistance“ und dem dazugehörigen Übergangsrat aber weniger radikal auftreten. Der Tod von al-Yamama wird insbesondere in diesen separatistischen Kreisen betrauert, war er doch ein lauter Unterstützer Südjemens. Wenige Tage später sollte es zur Beerdigung kommen, jedoch wurde der Trauerkonvoi von Republikanischen Garden attackiert, Eliteeinheiten und Anhänger der Hadi-Regierung, welche bereits vor einem Jahr in Gefechten gegen südjemenitischen Separatisten involviert waren. Von dem Punkt aus eskalierte die Situation, beide Seiten mobilisierten ihre Kräfte. Bisherigen Angaben zufolge starben drei Zivilisten bei der Beerdigung und neun weitere südjemenitische Kämpfer. Hunderte Weitere wurden verletzt.

1990 vereinigte sich die Demokratische Volksrepublik Jemen (Südjemen) und Jemenitische Arabische Republik (Nordjemen) zur heutigen Republik Jemen. Dies geschah in erster Linie unter der Führung des Präsidenten von Nordjemen Ali Abdullah Saleh, weshalb bis heute die politischen Eliten aus dem Norden stammen oder zumindest Verbindungen zu ihnen aufweist. Die Vereinigung geschah zu Beginn unter der Hoffnung, auch zwei relativ verschiedene Länder, deren Kulturen, Ressourcen und Menschen zu vereinen. Doch bald kam es zur Ernüchterung, der Süden fühlte sich hintergangen, negiert und ausgebeutet und es kam 1994 zum Bürgerkrieg. Südjemen verlor jedoch den Konflikt und alle Hoffnungen auf ein föderalistisches System wurden aufgegeben. 2007 gab es zuletzt eine größere Unabhängigkeitsbewegung des Südens, die Hirak-Bewegung die kurz darauf brutal von der Saleh-Regierung niedergeschlagen wurde. Seitdem gab es immer wieder kleinere Proteste, letzten Endes führte aber die Kriegssituation und Entlassung von al-Zubaidi aber erst zur größeren Massenbewegung in Aden, die sich seitdem über den ganzen Süden ausbreitete und dank der Unterstützung der VAE auch eine größeres Milizenbündnis aufstellen konnte.