Einheitsregierung startet Gegenoffensive

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Eingang des von der Einheitsregierung wiedereroberten Flughafens von Tripolis

Unverändert dauern die immer intensiver werdenden Gefechte in und um der libyschen Hauptstadt Tripolis zwischen der Libyschen Nationalarmee (LNA) unter der Führung der ostlibyschen Tobruk-Regierung und den verschiedenen, der westlibyschen Einheitsregierung angehörigen Milizen an. Die unter dem Namen „Vulkan des Zorns“ andauernde Gegenoffensive der Einheitsregierung trägt inzwischen Früchte, nach wenigen Tagen konnten viele Territorien um Tripolis wiedererobert werden, darunter der Internationale Flughafen der Großstadt. Damit ist ein absehbares Ende der derzeitigen Gewalteskalation nicht in Sicht, beide Seiten verlegen vermehrt Truppen und schwere Waffen an die Frontlinien in der Hoffnung, den jeweiligen Durchbruch erringen zu können.

Die Gegenoffensive der Einheitsregierung wird primär von den motivierten, islamistischen Milizen aus der Stadt Misrata angeführt und konnte viele Gebiete im Süden von Tripolis wiedererobern, darunter mehrere Kontrollpunkte, den derzeit schwer umkämpften Internationalen Flughafen und al-Zahra. Im Gegenzug dazu konnte die LNA weiter östlich vorrücken, Wadi al-Rabieh erobern und fast bis an die Küste vordringen. Dadurch würde Tripolis zumindest vom Land aus vollständig eingeschlossen sein. Auch soll die Armee nahe Sirte vorgerückt sein, jedoch gibt es für diese Meldung keine seriöse Bestätigung.

In Einem der ersten Einsätze der LNA-Luftwaffe attackierten mehrere Kampfjets den Mitiga-Flughafen in Tripolis, der einzige funktionstüchtige Flugplatz der Stadt, welcher auch national regelmäßig angeflogen wird. Nach den Raketenangriff stieg Rauch an mehreren Orten auf, Berichte von Verletzten oder Toten gibt es nicht. Kurz darauf wurde Mitiga für den Flugverkehr gesperrt, ein Flugzeug aus Benghazi musste zurückkehren. Mitiga wird jedoch nicht nur rein zivil genutzt, die Einheitsregierung unterhält neben einem militärischen Stützpunkt vor Ort auch ein Hauptquartier der Militärpolizei und ein Kriegsgefangenenlager.

Auch weit entfernt von den Gefechten taucht ein alter Widersacher auf: Der Islamische Staat in Nordafrika verkündete offiziell einen Überfall auf das Dorf al-Fougha in Zentrallibyen, in dessen Folge mehrere Stammesführer und Beamte verschleppt und ermordet wurden. Demzufolge umstellten rund zehn Fahrzeuge den Ort, durchsuchten die Häuser, zerstörten die örtliche Polizeistelle und setzten Felder in Brand. Die den größten Teil von Libyen umspannende Wüste ist immer wieder Rückzugsgebiet der versprengten Kämpfer des IS, von dort Ort aus können sie sich recht unbehelligt umherbewegen und Orte attackieren. Im Süden von Tripolis soll der Islamische Staat ebenfalls eine kleinere Präsenz besitzen.

Die Tobruk-Regierung unter Kahlifa Haftar kontrolliert etwa 80% des Landes, ein Großteil davon ist jedoch Wüste. Die dortige Koalition bestand zunächst aus verschiedenen Milizen, welche sich jedoch auch aufgrund internationaler Hilfe zunehmend professionalisierten und inzwischen in Form der „Libyschen Nationalarmee“ zu den stärksten Streitkräften auf dem libyschen Schlachtfeld gehören. Haftar verschrieb sich persönlich der primären Bekämpfung von islamistischen Kräften im Land, so wurden über mehrere Jahre und Monate hinweg Städte wie Benghazi oder Dernah aus den Händen des Islamischen Staates, al-Qaidas oder lokaler Islamisten befreien. Unterstützt wird er dabei vor allem durch Russland, das Nachbarland Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und auch Frankreich, welches zunehmend gute Beziehungen zu Haftar aufrecht erhält nachdem er für eine Notoperation nach Frankreich transportiert wurde.

Auf der anderen Seite befindet sich die sogenannte „Einheitsregierung“, welche von der UN als legitimer Vertreter des libyschen Staates angesehen wird. Im Vergleich zur Tobruk-Regierung gibt es weniger militärische und politische Einheit, immer wieder versuchen lokale Milizen aus den verschiedenen Vorstädten von Tripolis um die Herrschaft zu buhlen und attackierten auch mehrmals die örtlichen „Tripolis Protection Force“. Die verschiedenen Milizen vor Ort haben die tatsächliche Macht in der Region, die Regierung unter al-Sarraj ist vergleichsweise machtlos und auf die internationale Unterstützung angewiesen. Der Konflikt zwischen der Einheits- und Tobruk-Regierung ist aber nicht nur Ausdruck geopolitischer Machenschaften, sondern zeigt die weiterhin bestehende Aufteilung des Landes in das ostlibysche Cyranaika und westlibysche Tripolitanien auf, die die angespannten Beziehungen der Regierungen und Bevölkerung stärken.

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