USA und Kurden erklären den Islamischen Staat für besiegt

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Nahezu parallel veröffentlichten Pressesprecher des amerikanischen Weißen Hauses und der kurdisch-arabischen Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) ein Statement, in dem man den Sieg über den Islamischen Staat in Syrien verkündet. Diese Nachricht entstand wenige Stunden nachdem die letzten IS-Kämpfer nahe einer Klippe entlang des ostsyrischen Euphrat-Flusses kapitulierten, zermürbt nach wochenlangen Gefechten in einer aussichtslosen Situation gegen einen überlegenen Feind, welcher am Boden und in der Luft Unterstützung durch westliche Streitkräfte erhält. Trotz der territorialen Niederlage wird der IS weiterbestehen und stattdessen auf seine Tradition des Guerillakampfes zurückkehren. Besonders die von der SDF verwalteten Gebiete in Nordsyrien sind immer wieder Schauplätze von Attentaten und Anschlägen durch den Islamischen Staates.

Das letzte Territorium der terroristischen Organisation war ein Hügel nahe dem Dorf al-Baghouz, wenige Kilometer von der irakischen Grenze entfernt. Diese letzten Quadratmeter waren Rückzugsort der letzten, radikalsten Mitglieder des Islamischen Staates, welche keine Kapitulation trotz ihrer aussichtslosen Situation akzeptierten und sich damit gegen die breite Mehrheit vor Ort stellte. Denn über die vergangenen Tage hinweg gaben Tausende, zumeist internationale IS-Kämpfer auf und stellten sich den vorrückenden SDF-Kampfverbänden. Zehntausende Menschen, die Meisten davon sind die nicht minder radikalen Familienangehörige der Dschihadisten, flohen aus dem letzten Zeltlager, Schätzungen reichen bis zu 60.000 Menschen die nun in der Stadt al-Hawl in einem improvisierten Flüchtlingslager untergebracht sind. Unter den „Flüchtlingen“ befanden sich aber nicht nur Zivilisten, einige IS-Kämpfer versuchten als Frauen verkleidet ihrer Festnahme zu entgehen. Zudem handelte es sich bei Einigen um Selbstmordattentäter, diese Taktik wurde bereits in Mossul angewendet.

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Bild des  Hügels (Jabal al-Baghouz), welche IS-Kämpfer als letzten Rückzugsort nutzten

Unter den letzten IS-Kämpfern befanden sich auch mehrere Frauen, wie Videos aus dem Zeltlager beweisen. Eigentlich ist die Aufnahme und Veröffentlichung von Videos durch Islamisten verboten (alleine schon weil sie keine Smartphones besitzen dürfen), jedoch interessierte das nur noch Wenige ohne die sonst bestehende Religionspolizei. Aber auch die offizielle Propaganda wurde in den letzten Tagen nochmals deutlich erhöht, nachdem zuvor über Wochen hinweg Funkstille herrschte, darunter mit mehreren Fotoalben und zwei Videos, die sich aber eher auf das Leben und die Einwohner der letzten „Bastion“ konzentrierten als auf Gefechte gegen die SDF. Darin schwörte man Rache an den Westen und die Ungläubigen, auch im Zusammenhang zum Massaker in Neuseeland.

Militärisch war das Ende der Operation für die SDF ein enormer Erfolg. Obwohl Dutzende Kämpfer in den eigenen Reihen getötet wurden (darunter auch ein Italiener), konnte man mithilfe der überlegenen Feuerkraft der USA, teilweise waren etliche Kampfhubschrauber, Jets und sogar eine Lockheed AC-130 im Einsatz. Am Boden wurden die wenigen Artillerieeinheiten der SDF von amerikanischen und französischen Spezialeinheiten ausgebildet und unterstützt. Die Problematik befand sich vor allem bei der Operation darin, dass auf sehr kleinem Raum Zehntausende unschuldige Menschen mit dem letzten IS-Kämpfern beisamen waren, wodurch effektive Bombardements nicht ermöglicht waren. Zudem hatte der Islamische Staat ein komplexes Tunnelsystem errichtet, in dem man sich notfalls zurückziehen konnte. Diese Bedingungen haben die Offensive massiv verlängert, man konnte dadurch aber die zivilen Verluste minimieren.

Derzeit finden über das gesamte SDF-Territorium hinweg Vorbereitungen für Siegesparaden und -feiern statt, die Größten davon sind in Raqqah und den Omar-Ölfeldern in Ostsyrien geplant. Dort sind neben arabischen Stammesführern auch Beamte und Militärs der USA eingeladen. Der SDF-Pressesprecher Mustefa Bali betonte in seinem Statement nochmals, dass der „territoriale Islamische Staat“ lediglich zu 100% in Syrien besiegt wurde. Nun aber beginnt der schwerste Teil mit dem Rückkehr des Islamischen Staates von vor 2014.

https://twitter.com/hiwadilan3/status/1109194214573854720?s=21

Trotz der Niederlage des Islamischen Staates als territoriales Konstrukt wird er weiterbestehen und zu seiner alten Identität als Guerillamiliz zurückkehren. Bereits heute hat die Anzahl der Anschläge und Attentate im Territorium der SDF bzw. kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) erheblich zugenommen, gerade die Provinzen Raqqah und Hasakah kommt es nahezu wöchentlich zu Angriffen auf diverse Institutionen oder Stammesführer. Die Anschläge auf US-Truppen stellen dabei das bisherige Novum dar, innerhalb einer Woche wurden zwei US-Militärkonvois angegriffen, wobei vier Amerikaner starben. Auch in den Randgebieten der syrischen Regierung gibt es vermehrt Berichte, dass der IS die Unwirtlichkeit der syrischen Wüste für sich ausnutzt und von dort vermehrt Angriffe vor allem auf die drusische Bevölkerung in Suweida ausführt.

Besonders im Irak hat der Islamische Staat nach wie vor eine enorme Präsenz im westlichen Teil des Landes, trotz der durchaus effektiven Maßnahmen des Staatsapparates, welcher z.B. bei einer Anti-Terror-Operation in Anbar Hunderte Guerillakämpfer festgenommen konnte und die wichtigen Versorgungsstraßen im Lande sichert. Dennoch gehören gerade die ländlichen Regionen in der Nacht der Terrormiliz, dort führen sie nahezu ungestört Attentate auf feindliche Stammesführer, Militärs oder Beamte statt. Gerade Kirkuk und die Wüstenprovinz Anbar sind davon betroffen.

 

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