In der libyschen Hauptstadt Tripolis ist die militärische Lage nach einer monatelangen Ruhephase erneut eskaliert. Verschiedene Milizen brachen im Süden der Großstadt die noch kurz zuvor ausgehandelte Waffenruhe zwischen Stammesführern, Milizenführern und der sogenannten „Einheitsregierung“ unter dem Präsidenten Faiez Sarraj, die vom Westen als offizielle Regierung Libyens anerkannt wird, aber in Wirklichkeit kaum einen wichtigen Faktor in der Politik spielt. Der Ausbruch neuer Gefechte inmitten des „Regierungssitzes“ ist ein weiterer Ausdruck dieser Unfähigkeit, die eigenen Milizen unter Kontrolle halten zu können. Nach fast einem Monat an Kämpfen scheint sich die Situation zu beruhigen. Das Ergebnis: Über Hundert Tote und 300 Verletzte, viele Teile des südlichen Tripolis sind zerstört.
Das Gesundheitsministerium der Einheitsregierung berichtet zum derzeitigen Zeitpunkt von 111 Toten und 383 Verletzten, darunter etliche Zivilisten. Die Gefechte fanden vom Süden der libyschen Hauptstadt bis nach Tarhouna 65 Kilometer weiter entfernt statt. Die umliegenden Orten waren der Hauptsitz der attackierenden Milizen, darunter die „Tripoli Revolutionaries Brigade“ und die Tahruna-Brigade aus dem gleichnamigen Ort.
Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig, Anlass für die Gewalt gewesen zu sein. Tahruna behauptet, dass sie bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe und einheitlichen Polizei- und Militärstreitkräften benachteiligt bzw. dazu gezwungen worden, Bestechungen anzunehmen damit sie sich aus Tripolis zurückziehen. Daraufhin versuchen sie nun, die Regierung bzw. die wirklich herrschenden Milizen zu stürzen, bisher ist dieses Vorhaben aufgrund des Überraschungsmomentes recht erfolgreich, innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes konnten mehrere Viertel erobert, darunter auch der Internationale Flughafen im Osten der Stadt. Nach eines erneuten, gescheiterten Versuches einer Waffenruhe wurde die Situation wesentlich komplexer.
Denn später beteiligten sich weitere Milizen wie aus Misrata an der Offensive mit dem Ziel, die Regierungsmilizen in Tripolis zu stürzen. Dies entwickelte sich nun zu einer ernsthaften Gefahr. Die militärische Situation hat sich inzwischen wesentlich gewandelt, wurde zu Anbeginn noch der von Sarraj ernannte Militärkommandant und Anführer Osama Juwaili noch am ersten Tag aus seiner Wohnung entführt, so scheinen die der Einheitsregierung unterstehenden Milizen die Lage stabilisiert und den Gegner zurückgeworfen zu haben, die ursprünglichen Ziele konnten die Angreifer nicht erreichen.
In Vierteln wie Wadi Rabea sind nur noch Ruinen übrig, verlassene Straßen und zerstörte Fahrzeuge, vom zivilen PKW bis zum Panzer, prägen das Ortsbild. In den meisten Teilen der Großstadt ist die Stromversorgung unterbunden, der Internationale Flughafen ist zerstört. Aufgrund der schlechten Grundversorgung ist es sehr wahrscheinlich, dass die Anzahl der Toten noch weiter steigen wird. Viele Einwohner weigern sich dennoch zu fliehen, da sie die Ausraubungen ihrer Wohnungen und Häuser befürchten. Laut der dortigen Regierung sind über 25.000 Bewohner dennoch geflohen, der UN zufolge sind mindestens 500.000 Menschen von den dortigen Gefechten direkt betroffen.