Nachdem die Opposition in den südsyrischen Provinzen Dara’a und Quneitra ihre Waffen niedergelegt hat und derzeit der mit der syrischen Regierung ausgehandelte Evakuierungsprozess in vollem Gange ist, rückt der Islamische Staat in das Augenmerk der Syrisch-Arabischen Armee und verbündeter Organisationen. Die einst unter dem Namen bekannte „Jaish Khalid in-Walid“ bekannte sich 2015 zum Kalifen Abu Bakhr al-Baghdadi und schwor ihm die Treue. Ersten Berichten zufolge konnte der Islamische Staat nach der Waffenruhe Dutzende Dörfer in der Grenzregion zu den von Israel kontrollierten Golanhöhen erobern. Währenddessen findet die Evakuierung von Tausenden Kämpfern und Zivilisten aus der Provinz Quneitra statt, wo mindestens ein Busfahrer aus Racheakt getötet wurde.
Tag für Tag erreichen neue Transportbusse ihre Ziele in einem etwa zehn Kilometer breiten Streifen an den Golanhöhen, die noch zuvor unter der Kontrolle verschiedenster Rebellen standen. Der erste Konvoi mit über 2.000 Personen konnte bereits den Zielort – die von Islamisten beherrschte Provinz Idlib – ohne Probleme erreichen. Die Armee hat immer noch nicht alle Orte betreten und ist derzeit dabei, die Waffen und Fahrzeuge der Opposition zu konfiszieren. Bisher wurden über zehn Panzer und Transportfahrzeuge übergeben. Anderorts ergibt sich hingegen ein anderes Szenario: Nahe dem Dorf Qarqas wurde ein Busfahrer mehrmals erschossen, nachdem er rückwärts fuhr und dabei mehrere Personen tötete. Zudem wurden weiter südlich zwei Kommandanten der syrischen Streitkräfte durch ein Artilleriegeschoss getötet. Bei dem Täter soll es sich aber um den Islamischen Staat handeln.
Denn der IS hat seine Aktivitäten seit der Waffenruhe erheblich erhöht und startete mehrere Überfälle auf Positionen der Aufständischen und der Syrisch-Arabischen Armee. Eigene Medienkanäle berichten dabei von der erfolgreichen Abwehr zweier Vorstöße der Armee und der Tötung mehrerer Soldaten. Weiter westlich soll die Terrormiliz etwa acht Dörfer ohne großen Widerstand erobert haben, darunter Mazrah, al-Muallaqah oder Ghadir al-Bustan. Dafür soll die Armee den Hügel Tell al-Joumu in Richtung Tasil gesichert und dabei einen IS-Kämpfer gefangen genommen haben. Mit der Unterstützung der syrischen und russischen Luftstreitkräfte wird man nun versuchen, den Islamischen Staat auch aus dem Südwesten Syriens zu vertreiben.

Mit der Wiederoberung Südsyriens kontrolliert die Opposition nämlich nur noch eine größere Region: Idlib. Die von dschihadistischen Kräften wie Tahrir al-Sham (ehemals bekannt unter den Namen Jabhat al-Nusra und Fateh al-Sham) oder Tahrir al-Souriya dominierten Gebiete agieren faktisch als türkisches Protektorat, die türkischen Streitkräfte erreichten mehrere Militärbasen entlang den Frontlinien mit der syrischen Armee unter der Legitimation, die mit Russland und dem Iran ausgehandelte „Deeskalationszone“ zu überwachen. Nach der Evakuierung der Städte Fuah und Kafraya mitten in Idlib fällt für die Regierung eine Legitimation dafür weg, in Idlib intervenieren zu können. Es bleibt abzuwarten wie sich die Situation in den kommenden Monaten entwickeln wird.
Der Süden Syriens gilt als der „Geburtsort“ der Revolution, als im Frühling 2011 die Proteste in der gleichnamigen Provinzhauptstadt Dara’a starteten und von dort aus sich verbreiteten. Seit einigen Tagen steht die zuvor für mehrere Jahre geteilte Stadt wieder vollständig unter der Kontrolle der Regierung, symbolisch dafür wurde im Viertel Daraa al-Balad bei der al-Omari-Moschee die Flagge der Arabischen Republik Syrien gehisst, wo die ersten Demonstrationen starteten. Die Opposition war bis auf die israelische Grenzregion vergleichsweise moderat, verschiedene Gruppierungen beriefen sich noch auf die Freie Syrische Armee. Auch deswegen konnte früh Frieden geschlossen und somit weiteres Leid für die Zivilbevölkerung verhindert werden.