Tote bei Protesten im schiitischen Süden des Iraks

 

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Im Süden des Iraks kommt es seit neun Tagen zu Massenprotesten in der wirtschaftlich marginalisierten und verarmten Bevölkerungsmehrheit der Schiiten. Anlass ist die seit Jahren andauernde ökonomische Perspektivlosigkeit der Jugend, dessen Unmut nun zu eskalieren scheint. Die Proteste konnten für einige Zeit lang die gesamte Infrastruktur lahmlegen und waren bereits seit Anbeginn nicht nur friedlich, beispielsweise wurden mehrere Institutionen der irakischen Zentralregierung in Brand gesteckt. Die Regierung versucht mithilfe des Militärs diese Aufstände niederzuschlagen, bisher starben mindestens acht Zivilisten und Hunderte wurden verletzt. Der Unmut ist Ausdruck eines größeren Problems im Irak, wo die schiitische Bevölkerung trotz ihrer enormen Opfer am wenigsten von der Situation profitiert hat.

Inzwischen breiteten sich die Demonstrationen bis nach Kirkuk im Norden oder Bagdad im Zentrum aus, finden dort jedoch kaum Zustimmung und werden wohl früher oder später aufgelöst werden. Die ölreiche Stadt Basra an der Küste des Persischen Golfes ist hingegen besonders von den Protesten betroffen. Dort fordert man neben sicheren Arbeitsplätzen und Jobs auch eine gesicherte Wasser- und Stromversorgung. Aufgrund der hohen Temperaturen im Sommer von bis zu 45 Grad Celsius fällt die Stromversorgung aus, das Elektrizitätsnetz ist schnell überlastet. Die Wasserversorgung wiederum war vor allem durch den Euphrat und Tigris gesichert, jedoch baut die Türkei immer mehr Staudämme und nimmt dieses Wasser selber in Anspruch, wodurch es immer mehr leere Flussbetten im Irak gibt.

Als Reaktion auf diese Umstände besetzte man Ausfahrtsstraßen, den internationalen Flughafen von Najaf und stürmte die Stadtverwaltung. Eine Nacht später zündete man Parteibüros von verschiedenen Organisationen an, darunter jenes der Katai’b Hisbollah oder der regierenden Fatah-Koalition im Südirak. Für Aufsehen erregte die Zerstörung von Märtyrer-Plakaten in den Städten Basra und Samawah, die im Kampf gegen den IS getötet wurden und dementsprechend hoch angesehen werden. Neben Hunderten Verletzen sollen dem Verteidigungsministerium zufolge ebenfalls knapp 260 Sicherheitskräfte verletzt worden sein.

Die Regierung versucht gewaltsam die Aufstände niederzuschlagen und zugleich auf einige Forderungen entgegen zukommen. Beispielsweise veröffentlichte der irakische Premier ein Reformpaket, welches innerhalb der nächsten Tage 10.000 neue Arbeitsplätze verspricht und eine regelmäßige Versorgung mit Strom sichern soll. Zuvor wurde z.B. Basra vom Iran beliefert, welches jedoch eigene Engpässe hat und weiterhin auf eine Bezahlung von einer Milliarde Dollar wartet. Al-Abadi sprach Verständnis gegenüber den legitimen Protesten aus.

Auf der anderen Seite blockierte die Regierung das Internet und soziale Medien, nachdem man dort immer neue Anstachelungen zu einem gewaltsamen Aufstand gefunden hatte, vor allem von der Seite Saudi-Arabiens und irakischen Ba’ath-Unterstützern. Insgesamt soll man zudem 30.000 Soldaten stationiert haben, worunter sich auch Spezialeinheiten der Terrorbekämpfung befinden.

Es kursieren einige Gerüchte darüber, dass die Demonstrationen zu Beginn vor allem vom schiitischen Gelehrten und Gewinner der letzten Parlamentswahlen al-Sadr unterstützt wurden. Nämlich würde gerade er von einem schiitischen Aufstand gegen die Regierung profitieren, zugleich wurden bisher keiner seiner Parteibüros angegriffen. Außerdem stehe er nach mehreren Skandalen derzeit in der Kritik, selbst bei seinen Anhängern.

Gerade im Südirak gibt es ein Gefühl des Verrats, dass man von der Regierung in Stich gelassen wurde. Während der schiitische Süden den Großteil der Streitkräfte und Opfer im Kampf gegen den Islamischen Staat stellte wird er im Vergleich zu den sunnitischen Restgebieten marginalisiert, wirtschaftlich hinkt er seit der Saddam-Ära zurück. Basra alleine sorgt für 95% aller Erdölexporte des Landes, zugleich erhalten die Einwohner nicht genug Trinkwasser. Die Milliarden Dollar schweren Hilfsgelder werden auch erneut nicht in den Süden, sondern in den Norden fließen. Die Proteste mögen abebben, ihre Ursachen werden aber weiterhin bestehend bleiben.

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