
Nach sieben Jahren befindet sich die syrische Hauptstadt Damaskus wieder vollständig unter der Kontrolle der syrischen Regierung, ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg der Wiedereroberung Syriens ist damit erreicht. Über das Wiedererstarken der Syrisch-Arabischen Armee (SAA) und verbündeter Milizen der letzten Jahre hinweg fielen Dutzende kleinere und größere Enklaven, die entweder vom Islamischen Staat oder den verschiedensten Oppositionsgruppierungen gehalten wurden. Dabei nutzte man nicht nur Gewalt, auch diplomatische Verhandlungen und Proteste der Bevölkerung führten zu einer gewaltlosen „Wiedereroberung“ einzelner Orte und Viertel in und um der größten Stadt Syriens. Ein langer Weg, der nun die Sicherheit von Millionen Menschen bedeutet.
Zuletzt befanden sich noch vereinzelte Kämpfer des Islamischen Staates in den südlichen Damaszenern Vierteln Hajar al-Aswad und dem palästinensischen Flüchtlingslager al-Yarmouk, welche nach einer einmonatigen brutalen Offensive und daraus resultierenden Abzug von Hunderten IS-Kämpfern aus Damaskus erobert wurden. Damit ist die Schlacht um Damaskus offiziell vorüber, die Regierung hat gewonnen.
Die große Wende begann anderswo mit der vollständigen Eroberung von Ost-Aleppo, wodurch Tausende Truppen befreit wurden, die zuvor an den dortigen Frontlinien gebunden war. Eine der ersten Aktionen darauf war eine neu angelegte Offensive auf den Damaszener Vorort Daraya, welcher zu dem Zeitpunkt vier Jahre belagert war und mit ihrer einflussreichen sunnitischen Glaubensschule vor Ort als Einer der Geburtsorte der Revolution galt.
Unter hohen Verlusten konnte die Stadt zur Aufgabe gezwungen werden, letzte Endes wurden 4.000 Kämpfer und Einwohner im Zuge der Verhandlungen nach Idlib gebracht. Danach fielen weitere Städte wie Kartenhäuser zusammen: Umliegende Ortschaften wie Sahnaya, Maahdimyeh oder Khan Ashleh konnten in relativ kurzer Zeit darauf ebenfalls erobert werden.
Die wohl größte Herausforderung war die Eroberung von Ost-Ghouta, eine von verschiedenen radikalen Kräfte kontrollierte Enklave und Region östlich der Haupstadt, in der Vergangenheit bekannt für seinen fruchtbaren Boden und grüne Landschaft. Nach mehreren Monaten und schätzungsweise insgesamt Tausenden Toten (darunter Soldaten, Aufständische und Zivilisten) konnte man im April Ghouta vollständig sichern. Doch nicht nur bloße Waffengewalt bewirkte eine erfolgreiche Operation: Inmitten der militärisch aussichtslosen Situation startete die ansässige Bevölkerung mehrere Proteste gegen die „bewaffneten Aufständischen“, die die Rückkehr der Regierung verlangten. Mehrere Personen stimmen lautstark im Chor „Was wollen wir? Wir wollen Assad!“ und „Wir wollen diese Aufständischen nicht“ ein, letzten Endes konnten einige Orte wie Sawa oder Saqba nahezu gewaltlos übergeben werden.
Ebenfalls erwähnenswert war die Eroberung des Tals „Wadi Barada“, welches die Wasserversorgung für die Millionen Einwohner von Damaskus bereitstellt. Im Dezember 2016 warf die syrische Regierung den dort operierenden Aufständischen vor, sie hätten das Wasser mit Diesel vergiftet. Als Reaktion darauf startete die Armee eine größere Offensive mit dem Ziel, die al-Fija-Quelle zu erobern und die Wasserversorgung von vier Millionen Menschen zu sichern. Während der zweimonatigen Operation vervielfachten sich die Preise für sauberes Trinkwasser um 250%, ein regelrechter Schwarzmarkt entstand. Bis heute ist nicht gänzlich geklärt ob das Wasser tatsächlich vergiftet wurde oder ein syrischer Luftschlag die Kläranlagen traf.
Nicht nur in Ost-Ghouta wurde das Modell zur friedlichen Beilegung des bewaffneten Konfliktes angewandt, auch in weiteren Städten und Vierteln von Damaskus erwies sich die Diplomatie als äußerst effektiv. Prominente Beispiele hierfür sind al-Tall, Kanakir oder Qusdaya. In der letzteren Stadt kam es sogar zu massiven Protesten von der Bevölkerung für einen Abzug der letzten Rebellen, die sich am Ende geschlagen geben musste. Die Wiederkehr der syrischen Armee wurde mit Paraden über mehrere Tage hinweg gefeiert, ein starker Kontrast zu den früheren Eroberungen wie Darayya welche klar die Opposition unterstützten.
Insgesamt bedeutet diese Entwicklung vor allem einen Prestigesieg für die syrische Regierung bzw. Bashar al-Assad, mit der vollständigen Kontrolle von Damaskus gibt es auch keine Gefahr mehr für sämtliche Institutionen der Regierung, der Krieg ist quasi „weit entfernt“. Auch die Bevölkerung kann aufatmen, wurde sie doch über die Jahre hinweg immer wieder willkürlich mit Mörsern und Raketen beschossen, die über die sieben Jahre hinweg wahrscheinliche Tausende Toten verursachten. Auch wenn für viele Einwohner schon zuvor der Alltag wiedergekehrt ist war die Präsenz und das Potential von feindlichen Raketen getroffen zu werden eine nicht zu verachtende Gefahr, genauso wie Selbstmordattentäter und Anschläge die von diesem Territorium aus operierten.